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# taz.de -- Zugefrorene Berliner Gewässer: Mein lieber Schwaneneissee
> Schlittschuhlaufen im Engelbecken ist toll – wenn nur die Uniformierten
> und genervten Schwäne nicht wären. Übers dünne Eis, auf dem wir uns
> bewegen.
Bild: Lustiges Treiben von früh bis spät: Eislaufen am Engelbecken in Berlin
Vom Fenster aus kann ich am Engelbecken ein lustiges Treiben von
Ordnungsamt, Polizei, Schwänen und Schlittschuhläufer:innen
beobachten, von morgens um 7 bis spät nach Mitternacht. Leute schlittern
übers Eis und werden in regelmäßigen Abständen von Uniformierten
heruntergejagt. Dazwischen watscheln genervte Schwäne, die hier in ihrem
Ein-mal-ein-Meter freien Hauptquartier-Wasserloch die Stellung halten.
Manche der Polizist:innen entschuldigen sich, dass sie das auch blöd
finden und uns unseren Spaß eigentlich gönnen, aber sie hätten so viele
Beschwerden von Anwohnern bekommen, dass sie dem nachkommen müssen. Wegen
was nun, Corona oder Einbruchgefahr? Das variiert immer, je nachdem, an
welchen Uniformierten man gerät: Die Polizei argumentiert eher mit Corona,
während das Ordnungsamt eher vom zu dünnen Eis spricht, auf dem wir uns
bewegen. Das ist ja nun übertragbare Poesie.
Ich persönlich glaube ja, dass die Schwäne heimlich die Polizei rufen, weil
ihnen die quiekenden Bekuften, die um sie herum ihre
Unendlichkeitsschleifen drehen, zu viel wurden. Sie sabotieren jedenfalls
jede freigeschaufelte Eisbahn, indem sie mit ihren großen Patschern das Eis
unter ihnen antauen und somit herausfordernde Furchen in das Eis brennen.
Böse Stolperfallen, über die man schon manch einen Gesellen hat fliegen
sehen.
## Ganz perfide Idee
Als die Schwäne einsehen mussten, dass keine Uniformierten der Welt dieses
Eis dauerhaft frei von Störern halten werden, kam ihnen eine ganz perfide
Idee: Sie verließen für einen Tag ihren Wassertümpel, sodass er leicht
zufror. Allerdings nur ganz dünn. Der nächste Schnee überdeckte die dünne
knackende Schicht, und schon war die Bombe scharfgestellt. Es konnte sich
nur noch um Minuten handeln, bis der nächste unbedarfte Schlittschuhläufer
gefährlich nah … und immer näher und knack, rumps, platsch. Sie verstehen.
Bis zur Hüfte hat er dringesessen, denn das Wasser ist hier nicht tief. Dem
wurde dann ein Taxi nach Hause gerufen. Man kann derzeit ja auch die
berühmten Taxischlangen vorm Berghain an anderen Orten beobachten: am
Impfzentrum vor der Arena Treptow zum Beispiel. Aber auch hier am
Engelbecken. Denn es mehren sich die Versehrten unter den
Eisdebütant:Innen, die keinen Schritt mehr gehen können.
Eine Frau verknackste sich den Fuß. Sodann kamen ihr Menschen mit einem
Schlitten zu Hilfe und zogen sie die Rampe hinauf bis zu einem Taxi. So
Szenen spielen sich hier ab. Der nasse, eingebrochene Mann ist nun aber das
glühende Argument der Uniformierten, alle Leute vom Eis hier hurtig zu
verscheuchen.
## Blick auf die Hauptstadt aus Hessen
Meine Mutter hat gerade auf ihrer Couch im schönen Hessischen in der
RBB-Abendschau (die sie öfter schaut, damit sie weiß, wie es mir in der
Hauptstadt ergeht – ich berichtete) gesehen, dass da doch ein Eistaucher
dieser Tage verunfallt sei. Ich erkläre, dass es sich beim Engelbecken um
eine gänzlich andere Fall- bzw. Tauchhöhe handelt.
Ich überlege, was man hier anstellen müsste, um tatsächlich zu ertrinken.
Man müsste sich durch eine gekonnte dreiminutige Pirouette in das Eis
bohren und dann mit dem ganzen Körper gleich so unter die Eisdecke gleiten,
um dann in der 10-Zentimeter-Schlammschicht, die sich durch die
Brotstückchen der Vogelfütterer auf dem Boden gebildet hat, stecken zu
bleiben. So ungefähr. Aber ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen.
Als wir heute nach Hause kamen, war das Engelbecken menschenleer. Muss wohl
gerade eine Streife hier gewesen sein. Wir sehen noch einige Menschen, die
sich mit begehrlichem Blick am Rand herumtrollen, bis die Luft wieder rein
ist. Wir trollen uns ins Haus, sitzen wie die Katzen am Fenster und warten
noch eine Weile. Das Ordnungsamt macht doch bestimmt Punkt 20 Uhr
Feierabend. Um 20.34 Uhr trauen wir uns wieder herunter. Was soll ich
sagen: Die Bahn ist verschneit, aber frei.
23 Feb 2021
## AUTOREN
Sarah Diehl
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