# taz.de -- Bremer Aktivistin über Kolumbien: „Alle machen sich Sorgen“ | |
> In Kolumbien gibt es seit Wochen blutige Demonstrationen gegen die | |
> Regierung. Mittlerweile kommt der Protest auch in Bremen an. | |
Bild: Demonstranten blockieren das Viadukt von Pereira, wo ein Demonstrant durc… | |
taz: Wie ist die Lage in Kolumbien, Frau Mendoza? | |
Diana Mendoza: Sehr schlimm! In Kolumbien gibt es derzeit Proteste gegen | |
die Politik der Regierung. 40 Menschen hat die Polizei bereits ermordet. | |
Über 1.000 Menschen wurden verhaftet, 189 Menschen sind verschwunden. Viele | |
Frauen sind von Polizisten vergewaltigt worden. Es fühlt sich tatsächlich | |
an wie eine Diktatur. Am Samstag hat sich eine Minderjährige umgebracht, | |
nachdem sie von Polizisten vergewaltigt worden ist. | |
Wie ist es zu den Protesten gekommen? | |
Präsident Duque wollte mit einer Steuerreform die Bevölkerung noch weiter | |
belasten. 60 Prozent der Menschen in Kolumbien leben in relativer Armut. | |
Die Steuerreform hätte dazu geführt, dass noch mehr Menschen in die extreme | |
Armut abrutschen. Es kam zu Demonstrationen, der Präsident schickte das | |
Militär – mit der Erlaubnis, auf die Menschen zu schießen. Mittlerweile hat | |
er die Reform zurückgezogen, doch die Proteste gehen weiter. | |
Wieso? | |
Das hängt alles mit einem Konflikt zusammen, den es seit 60 Jahren in | |
Kolumbien gibt. Nachdem die kolumbianische Regierung 2016 mit der | |
Farc-Guerilla einen Waffenstillstand ausgehandelt hat, endete der Krieg. | |
Jetzt haben die Menschen gemerkt, dass wir in Kolumbien noch ganz andere | |
Probleme haben. In den letzten 60 Jahren haben immer alle gegen die | |
Guerilla gekämpft. Jetzt beginnen die Leute zu merken, dass wir in einem | |
Land leben, wo wir keine gute Bildungspolitik haben, die Arbeitslosigkeit | |
steigt und große Hungersnot herrscht. | |
Was fordern die Demonstrierenden? | |
Erstens wollen die Gewerkschaften eine gerechte Wirtschaft errichten. Ein | |
Problem ist, dass in Kolumbien die Großgrundbesitzer auch Politiker sind. | |
Das führt zu Korruption, die wir bekämpfen wollen. Außerdem müssen wir | |
dafür sorgen, dass die Gewaltenteilung eingehalten wird. Zweiter Punkt ist | |
eine Reform der Polizei. Wir als Kolumbianer*innen merken, dass wir | |
nicht in der Lage sind zu protestieren, weil die Polizisten für die | |
kolumbianischen Machthaber arbeiten. Die Polizei ist für den Kampf gegen | |
die Guerilla trainiert worden. Für den Umgang mit Bürger*innen sind sie | |
nicht ausgebildet. Drittens muss der Friedensvertrag mit der Farc weiter | |
bearbeitet werden. Wir wollen keine Massaker mehr in Kolumbien. Unser | |
Präsident will den Friedensvertrag nicht respektieren, er will mit der | |
Guerilla kämpfen. | |
Wie bewerten Sie die internationale Reaktion? | |
Wir wollen, dass die internationale Gemeinschaft von den Zuständen in | |
Kolumbien erfährt, sodass wir Unterstützung bekommen. Mittlerweile gab es | |
ja auch schon große Demos in Paris und Madrid. Die UN haben den Präsidenten | |
aufgefordert, nicht mehr auf Demonstrierende schießen zu lassen. | |
Was tun Sie hier in Bremen, um auf die Situation in Kolumbien aufmerksam zu | |
machen? | |
In Bremen gab es bisher zwei Demos. Auf der ersten Demo waren mindestens | |
200 Menschen, am Sonntag waren 100 Menschen da. Für die erste Demo habe ich | |
selbst Flyer auf Deutsch und Spanisch angefertigt. Ich habe das ganz | |
alleine gemacht, da ich zunächst keine Kontakte hatte. Am Sonntag habe ich | |
eine Gruppe kennengelernt, mit der ich mich jetzt am Wochenende treffe. | |
Außerdem wollen wir uns als Kolumbianer*innen deutschlandweit | |
vernetzen und unsere Demos gleichzeitig durchführen. | |
Was wollen Sie nun unternehmen? | |
Wir wollen mit der Minga Indigena zusammenarbeiten. Die Minga Indigena ist | |
ein Protestform von indigenen Völkern. Die indigenen Völker werden in | |
Kolumbien immer wieder Opfer von Übergriffen. Ihre Territorien wurden von | |
der Regierung verkauft. Wir werden mit einem Aktivisten der Minga Indigena | |
von Cauca sprechen und wollen gucken, was wir hier im Ausland für ihn | |
machen können. Präsident Duque hat gesagt, das er sich mit den Minga | |
zusammensetzen wolle. Er möchte wohl die Proteste beruhigen. Durch die | |
Minga wollen wir unsere Forderungen aus Bremen direkt zum Präsidenten | |
schicken. Außerdem wollen wir ein Manifest schreiben und uns als | |
Kolumbianer*innen im Ausland positionieren. | |
Wie ist es für Sie persönlich, jetzt im Ausland zu sein? | |
Viele von uns haben Verwandte in Kolumbien. Alle sind angespannt und machen | |
sich Sorgen. Ich persönlich habe in Kolumbien auf Lehramt studiert und | |
besonders Lehrer*innen sind bedroht. Wenn sie Demoaufrufe teilen, ruft | |
die Polizei bei ihnen an und bedroht sie. Da gibt es auf jeden Fall Leute, | |
um die ich mir Sorgen mache. Auf der anderen Seite sehe ich im Ausland, wie | |
es wirklich mal in Kolumbien sein könnte. | |
18 May 2021 | |
## AUTOREN | |
Lukas Scharfenberger | |
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