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# taz.de -- Schüler:innen gegen das Tabu: Tampons auf dem Schulklo
> Um der Tabuisierung der Menstruation entgegenzuwirken, fordert der
> Landesschülerrat Mecklenburg-Vorpommern Menstruationsprodukte in Schulen.
Bild: Schüler:innen wollen sie auf Schulklos: Binden und Tampons
Hamburg taz | Die Periode ist für Schülerinnen auch heutzutage ein
schwieriges Thema [1][und gleich mehrfach tabuisiert]. Auf der einen Seite
besteht die reale Angst, von der Blutung überrascht zu werden, weil die
Periode insbesondere im Schulalter oft unregelmäßig und deshalb unerwartet
kommt. Schlimmer als Tampons oder Binder vergessen zu haben, ist allerdings
noch: Sie sich gar nicht erst leisten zu können.
Ist der gesicherte Zugang zu Hygieneprodukten aus finanziellen Gründen
nicht möglich, [2][spricht man auch von Periodenarmut], oder „period
poverty“. Abschließende Sicherheit bieten aber auch mitgebrachte
Hygieneartikel nicht. Menstruation ist aller Aufklärung zum Trotz noch
immer so tabuisiert, dass viele Schülerinnen aufpassen, ja nicht mit dem
Tampon in der Tasche erwischt zu werden.
Der Landesschülerrat Mecklenburg Vorpommern hat deshalb vergangenen
Mittwoch die kostenlose Bereitstellung von Menstruations-Produkten an allen
Schulen im gesamten Bundesland gefordert. Es solle ein jährliches Budget
geben, mit dem Landkreise und kreisfreie Städte für die Schulen in ihrem
Gebiet kostenlose und vollumfängliche Menstruations-Produkte auf ihren
Schultoiletten garantieren können sollen. Das sei ein wichtiger Schritt, um
Schülerinnen Sicherheit und Selbstvertrauen während ihrer Periode zu geben,
sagt Anton Fischer, der Vorsitzende des Landesschülerrates.
Eine Umfrage des Schülerrates an weiterführenden Schulen hatte ergeben,
dass bislang nicht mal die Hälfte der Schulen Menstruations-Produkte
anbieten. Die weiteren Schulen böten momentan zwar keine an, wären aber zum
Großteil dazu bereit, wenn eine Finanzierung übernommen würde.
## Tamponzuständigkeit liegt bei Kommunen
„Wir erhielten eine hohe Zustimmung durch die Schulleitungen zu diesem
Projekt und stießen nur sehr vereinzelt auf Ablehnung“, so Fischer. Wie
hoch die Kosten und das zu fordernde Budget letztlich wären, soll nun ein
Pilotprojekt ermitteln. Für das kommende Schuljahr sollen in den
Sommerferien interessierte Schulen kontaktiert und die Produktausstattung
geplant werden. Dann könnte es direkt losgehen. Nach Ende des
Pilotprojektes samt Evaluation sollen die Produkte dann frei auf den
Schultoiletten zur Verfügung stehen.
Die Ausstattung der Schulen mit Materialien, die für den geregelten
Schulalltag notwendig sind, ist Sache der Kommunen. Dazu gehören
ausdrücklich auch Hygieneprodukte, also auch theoretisch Binden und
Tampons. Problematisch ist nur, dass es keine einheitliche Regelung gibt
und die etwaige Bereitstellung vielerorts durch Einzelentscheidungen
verhindert werden könnte.
Die Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern, an die sich die Forderung
richteten, äußerten mehrheitlich, dass das Thema bislang keine Rolle in
schulpolitischen Debatten gespielt habe. Manche wollen das nun ändern.
Manuela Gabriel vom Fachdienst Bildung und Sport aus Schwerin sagt, sie
wollen sich der Forderung nicht von vornherein verschließen und werden
diese nun auf ihre rechtliche Machbarkeit prüfen.
Aus dem Landkreis Nordwestmecklenburg heißt es jedoch, dass die Umsetzung
der Forderungen des Landesschülerrates für den Schulbetrieb gegenwärtig
nicht von hoher Relevanz sei. Das Thema scheint in den jeweiligen Kommunen
zwar unterschiedlich, aber insgesamt nicht als sonderlich drängend
wahrgenommen zu werden.
Der Schülerrat aus Mecklenburg-Vorpommern ist mit seiner Forderung ein
Vorreiter. In Deutschland gab es ein solches Modellprojekt bislang nur in
Schulen in Wiesbaden. Die Landesschülervertretungen aus Hamburg und Bremen
unterstützen die Forderung nach Menstruationsprodukten, haben sich selbst
aber noch nicht konkret positioniert.
## Hygieneartikel auch auf Jungentoiletten
Dass Kommunen und nicht das Land zuständig für die Beschaffung von
Hygieneprodukte an Schulen sind, ist auch dem SchülerInnenrat
Niedersachsens aufgefallen. Dieser hatte das Thema bereits im vergangenen
Herbst an den niedersächsischen Kultusminister herangetragen.
Hier lautete die ausdrückliche Forderung, dass das Land sich um die
Bereitstellung von Hygieneprodukten kümmern solle, nicht die Kommunen. Denn
ohne einheitliche Regelung würde durch Einzelentscheidungen ein hoher
Aufwand entstehen – was beim SchülerInnenrat wenig Hoffnung auf Veränderung
weckte.
Insgesamt ging die niedersächsische SchülerInnen-Kampagne im Gegensatz zur
aktuellen aus Mecklenburg-Vorpommern auch auf Inklusivität und
Nachhaltigkeit ein: Sie wollten ausdrücklich Bio-Hygieneartikel, und die
auch auf Jungentoiletten, um allen womöglich menstruierenden Menschen den
Zugang zu Hygieneprodukten zu ermöglichen. So wollte man einer breiteren
Enttabuisierung näherkommen. Die Forderung wurde abgelehnt.
[3][Länder wie Schottland] oder Neuseeland haben bereits flächendeckend
Menstruationsprodukte in Schulen eingeführt und zeigen, wie positiv dies
von den Schüler:innen aufgenommen wird. Der Einsatz aus
Mecklenburg-Vorpommern wäre ein erster Schritt, um sich auch in Deutschland
der Enttabuisierung der Periode im Schulumfeld zu nähern.
10 May 2021
## LINKS
[1] /Tabuthema-Menstruation/!5429999
[2] /Kostenlose-Periodenprodukte/!5738219
[3] /!s=menstruation/
## AUTOREN
Emmy Thume
## TAGS
Menstruation
Schule
Hygiene
Tabu
Rekommunalisierung
Kolumne Krank und Schein
Menstruation
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