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# taz.de -- Impftermine in Schleswig-Holstein: Jagd nach der Spritze
> Impftermine sind schwer zu bekommen. In Schleswig-Holstein hilft eine App
> gegen Gebühr. Jugendliche Gamer helfen umsonst, sind aber langsamer.
Bild: Unter anderem da soll's hingehen: Das Impfzentrum in Kiel
Neumünster taz | Es ist mühselig: Seite aufrufen, Namen eingeben, Alter und
Grund der Priorisierung eingeben, auf eine Rückmail warten – und dann war
alles für die Katz, denn die Seite „[1][Impfen-sh.de]“ meldet meist nur,
dass kein Termin für eine Impfung zu vergeben ist. Um sich den Frust zu
ersparen, gibt es in Schleswig-Holstein Tricks und Hilfen: So bieten
Ehrenamtliche, darunter Jugendliche, kostenlos an, Impfberechtigten zu
einem Termin zu verhelfen. Außerdem existiert seit Kurzem ein
Bezahlangebot: Ein IT-Experte aus Kiel hat eine Termin-App entwickelt. Ob
das fair ist, darüber wird im Land gerade gestritten.
Michael und Tom, beide 16 Jahre alt, sind leidenschaftliche Gamer. Aktuell
suchen sie ehrenamtlich Impftermine für Menschen, die aufgrund von Alter
oder Krankheit besonders dringend Schutz vor SARS-CoV-2 brauchen. „Wir
haben bessere PCs und schnellere Finger“, sagte Zehntklässler Michael dem
Regionalprogramm von Sat 1.
Denn man muss schnell sein, um einen Termin in einem der 27 Impfzentren im
Land zu ergattern. Zwar werden an bestimmten Tagen planbar mehrere
Zehntausend neue Impfdosen freigegeben. Doch dann versuchen Hunderttausende
gleichzeitig, auf die Seite zuzugreifen. Entsprechend waren die Termine
bisher innerhalb weniger Minuten vergeben. In den Tagen und Wochen zwischen
diesen Daten herrscht Ebbe auf der Seite – eigentlich.
„Die Termine sind zwar nach einer halben Stunde weg, aber viele Leute
erscheinen dann nicht oder melden sich ab“, klagte Hendrik Herrmann,
Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, in einem Podcast der Kammer.
Damit werden immer wieder Kapazitäten frei, die als „Rückläufer“ auf der
Homepage erscheinen. Wer zufällig gerade auf die Seite klickt und dann
rascher reagiert als andere, bekommt mit Glück einen Termin.
Den Faktor Glück will Sören Hergel ausschalten und ersetzt ihn mit einer
App. Der gebürtige Eckernförder, der in Kiel eine IT-Firma betreibt, hat
eine App entwickelt und programmiert, die die Rückläufer schneller abfängt,
als selbst geübte Gamer das schaffen. Er bietet den Service über Ebay an,
rund 25 Euro kostet eine Vermittlung. Gezahlt wird nur im Erfolgsfall. Sein
Tool arbeitet im Hintergrund, wählt mit den Daten eines Impfberechtigten
immer wieder automatisch die Seite an und schnappt sofort zu, wenn irgendwo
im Land ein offener Termin gemeldet wird.
Birte Pauls, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, ist
entsetzt: „Der Verkauf von Impfterminen ist ein Akt unfassbarer
Respektlosigkeit und entbehrt jeglicher Form der Solidarität. Ich erwarte,
dass die Landesregierung dem einen Riegel vorschiebt.“ In
Schleswig-Holstein hat der Ticketanbieter Eventim den Zuschlag für die
Vergabe der Impftermine erhalten – nur deshalb sei dieses „Geschäft mit der
Angst“ überhaupt möglich, kritisiert Pauls.
Hergel widerspricht: „Mein Angebot ist nur ein Tropfen auf dem heißen
Stein.“ Rund 50 Termine habe er bisher vermitteln können – allerdings
steigt zurzeit die Nachfrage durch die Berichterstattung über sein Angebot
beträchtlich.
„Zurzeit fragen die meisten wegen Donnerstag an“, berichtet Hergel. An
diesem Tag werden wieder Impfdosen im großen Stil freigegeben. „Aber das
mache ich nicht“, sagt der 28-Jährige. „Mein Tool hilft nur bei der Vergabe
der Rückläufer.“ Er habe überwiegend positive Reaktionen erhalten, auch
Verständnis dafür, dass er Geld für den Service verlangt. „Viele Ältere
rufen bei mir an und wollen einfach reden und ihren Frust loswerden“, sagt
er.
Laut dem Kieler Gesundheitsministerium sei die Vermittlung per App „nicht
ausschlaggebend“, die Zahl der belegten Termine nicht groß. Ohnehin sinkt
in Schleswig-Holstein, wie auch in anderen Bundesländern, die Bedeutung der
Impfzentren. Zwar werden zwischen dem 10. und 23. Mai rund 65.000
Erstimpfungstermine in den Zentren vergeben – allerdings erhalten die
Arztpraxen im Land im gleichen Zeitraum fast dreimal so viele Impfdosen.
Richtig so, findet Kammerpräsident Herrmann: „Die Praxen sind es gewohnt zu
impfen. Sie sind in meinen Augen die primären Ansprechpartner.“
5 May 2021
## LINKS
[1] https://www.impfen-sh.de/sh/start/termine
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schleswig-Holstein
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