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# taz.de -- Forscherin über Coronaviren im Abwasser: „Auf die Toilette gehen…
> Abwasserexpertin Susanne Lackner plädiert dafür, auch in Kläranlagen nach
> Coronaviren zu suchen. Sie führt das bereits in Frankfurt am Main vor.
Bild: Schmutz, der viel über die Gesundheit verraten kann: Abwasser in einer K…
taz: Frau Prof. Lackner, die EU-Kommission hat am Wochenende die
Mitgliedstaaten aufgefordert, im Kampf gegen die [1][Coronapandemie]
regelmäßig das Abwasser auf Coronaviren zu untersuchen. Sie praktizieren
diese Methode in Frankfurt am Main. Wie genau lassen sich mit dieser
Methode Infektionsherde zurückverfolgen?
Susanne Lackner: Es gibt zwei Ansätze. Der eine ist quantitativ und prüft,
wie hoch die Viruslast im Abwasser ist. Das macht man mit den gleichen
Methoden wie in der medizinischen Diagnostik, also mit dem viel
diskutierten PCR-Test, der die Viruskonzentration nachweist. Daraus lässt
sich ableiten, ob die Infektionszahlen steigen oder zurückgehen.
Unsere Daten aus Frankfurt zeigen, dass man mit dieser Art von Analytik den
Zahlen des Robert-Koch-Instituts ungefähr eine Woche voraus sein kann. Bei
unserem Verfahren spielen für das beprobte Einzugsgebiet die Teststrategien
keine Rolle. Es ist auch irrelevant, ob die Leute Symptome haben oder sich
testen lassen. Auf die Toilette gehen dann eben doch alle. Auch
internationale Studien von Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass die Trends
mit dem Verfahren recht präzise nachgewiesen werden können.
Wie muss man sich das praktisch vorstellen?
Wir entnehmen unsere Proben aus dem Zulauf der Kläranlagen. Man könnte auch
in das Kanalnetz gehen und beispielsweise rückverfolgen, aus welchem Bezirk
eine Infektion kommt.
Welche Vorteile hat Ihre Methode gegenüber der Testung am Menschen?
Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass wir auch Mutationen nachweisen
können. Diese Methode weicht von der quantitativen PCR etwas ab, wir gehen
dabei aber auch wieder ähnlich wie die Mediziner vor. Die Proben werden auf
das Erbgut des Virus untersucht, und durch einen Abgleich mit Datenbanken
erhalten wir dann daraus Informationen darüber, welche Varianten in dem
Einzugsgebiet der Kläranlage schon existieren. Man sieht aus unseren Daten
zum Beispiel, dass die B.1.1.7-Variante schon sehr weit verbreitet ist und
seit Dezember kontinuierlich angestiegen ist. Der Vorteil ist, dass wir mit
Abwasserproben hier großflächig agieren und so mit relativ wenig Aufwand
einen guten Eindruck über die Verteilung von Mutationen bekommen könnten.
Haben Sie Ihre Methode dem Gesundheitsministerium vorgestellt, und wenn ja,
mit welchem Ergebnis?
Was wir bisher festgestellt haben, ist, dass die Trendanalysen mit der PCR
zum Teil sehr schwer vermittelbar sind. Das ist zum Teil auch
nachvollziehbar. Wir begegnen häufig der Frage: „Was soll ich mit den
Zahlen anfangen? Was nützt es mir, wenn ich weiß, dass die Inzidenz in
einer Woche wieder steigt?“ Neu ist allerdings, dass die Gesundheitsämter
doch einen Nutzen darin sehen, dass wir Mutationen nachweisen können. Ich
hatte gerade diese Woche Gespräche mit dem Robert-Koch-Institut und mit
vier hessischen Ministerien, wo sich zeigte, dass die Leute aus dem
Gesundheitsministerium durchaus einen Nutzen sehen.
Wenn wir frühzeitig warnen und zum Beispiel sagen können: „Passt auf, da
ist schon die brasilianische Variante unterwegs, die die Medizin vielleicht
noch nicht erwischt hat“, dann kann man daraus wirklichen Nutzen ziehen,
der auch auf den Gesundheitssektor übertragbar ist. Unser Ziel ist ja, dass
unsere Daten genutzt werden. Ich stelle mir pragmatisch vor, dass wir bei
häufigem Auftreten einer Mutation dazu auffordern: Überprüft in diesem
Einzugsgebiet mehr Humanproben auf das Erbgut des Virus, um zu sehen, ob
bestimmte Virusvarianten vorliegen.
Wie sähe die ideale Umsetzung des Verfahrens aus?
Aus meiner Sicht wäre für Deutschland am ehesten umsetzbar, mit den großen
Kläranlagen in den Großstädten anzufangen, weil ich damit einen hohen
Bevölkerungsanteil abdecken kann. Es gibt rund 10.000 Kläranlagen in
Deutschland, darunter etwa 220 für einen Einzugsbereich von mehr als
100.000 Einwohnerwerten. Wenn man dort auch nur alle zwei Wochen Proben
untersucht, hätte man für Deutschland zusätzlich zu den Daten des
Robert-Koch-Instituts schon ein ganz gutes Bild über die Mutationen und
man hätte damit unabhängig von Testungen die Entwicklungen auf dem Schirm.
Könnte das, was Sie machen, unmittelbar von anderen Forschungsteams
übernommen werden, oder bräuchte es einen zeitlichen Vorlauf?
Es wird oft unterschätzt, wie schwierig es ist, mit der komplexen Matrix
Abwasser richtig umzugehen. Ich glaube nicht, dass jedes Labor das mal eben
umsetzen kann. Mit der entsprechenden Erfahrung und Ausstattung ist es aber
möglich.
Ich frage deshalb, weil durch die Impfungen bis zum Spätsommer das
Schlimmste überstanden sein dürfte. Lohnt sich jetzt noch eine Investition?
Absolut. Ich hoffe natürlich auch, dass sich die Pandemie spätestens bis
zum Herbst erledigt hat, aber der worst case wäre, dass wir doch noch eine
Variante bekommen, bei der nicht alle Impfstoffe anschlagen. Man muss
sicher nicht jeden Tag messen, vielleicht reicht bei niedrigem
Infektionsgeschehen auch einmal im Monat für ein grob gerastertes
Monitoring aus. Davon abgesehen, ist es ja mit Corona nicht vorbei. So ein
System ist dann ja auch für andere Viren einsetzbar.
4 May 2021
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## AUTOREN
Susanne Knaul
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