Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kitas in der Pandemie: „Ein großes Risiko bleibt“
> Bundesweit sind Kitas derzeit meist im eingeschränkten Regelbetrieb oder
> Notbetrieb. Wie geht es Erzieher*innen und Eltern damit? Zwei
> Protokolle.
Bild: Hier dürfen sie kommen: Jacken und Taschen hängen im Eingangsbereich ei…
## Kitaleiter: „Unsicherheit im Team“
In Schleswig-Holstein sind die Inzidenzwerte vergleichsweise niedrig, den
ersten positiven Fall in der Einrichtung hatten wir im Dezember. Neulich
ist ein Kind zu Hause erkrankt, daraufhin kam die ganze betroffene Kohorte
vorsorglich in Quarantäne. Zum Glück hatten wir darüber hinaus bisher keine
weiteren Fälle.
Bis Ostern wurde das Team zweimal wöchentlich getestet. Vom Land gab es
dazu einen Vordruck mit Ratschlägen, aber die Umsetzung lag in der Hand der
Kitas oder der Träger. Wir haben mit einem örtlichen Testanbieter
zusammengearbeitet, das lief gut. Inzwischen haben wir [1][Selbsttests]
erhalten. Es ist auch geplant, dass wir Tests für die Kinder an die Eltern
verteilen. Das fühlt sich ein bisschen unsicherer an, schließlich sind wir
alle keine Test-Profis. Ich selbst als Leiter sitze überwiegend im Büro,
aber ich nehme die Unsicherheit in meinem Team wahr.
Uns alle belastet, dass sich die Regeln ständig ändern: öffnen – schließen
– öffnen. Richtig geschlossen hatten wir natürlich nie, weil auch während
der Lockdown-Phasen die Notbetreuung lief. Dorthin kamen etwa 20 Prozent
der Kinder, aber von der Organisation macht es mindestens so viel Arbeit
wie der Normalbetrieb. Aber man tut, was man kann, und die Eltern machen
gut mit. Offenbar hilft in dieser Lage die norddeutsche Mentalität, nach
dem Motto: Nützt ja nichts, muss ja.
Trotzdem belastet das Virus uns alle. Kinder tragen nun mal keine Masken
und halten keinen Abstand, und das sollen sie auch nicht. Auch wenn sie die
Infektion vielleicht weniger stark weitergeben als Erwachsene, bleibt ein
großes Risiko. Wenn die Zahlen steigen, steigt die Gefahr in der Kita. Wir
merken, wie das Virus näher rückt.
Inzwischen sind bereits einige im Team geimpft. Das ist toll, aber man darf
nicht vergessen: Die Personalausstattung einer Kita ist [2][immer auf Kante
genäht]. Fast jedes Teammitglied fiel nach der Impfung ein bis zwei Tage
aus, da muss man rotieren, damit es mit den Vertretungen klappt.
Auch ich selbst habe die erste Impfung bekommen und sie einige Tage
gemerkt. Das hat mich zwar gefreut, es zeigt ja, dass das Immunsystem
ordentlich arbeitet. Leider wurde aber genau an dem Tag der positive Test
bei einem unserer Kinder gemeldet. Zwar hat meine Stellvertreterin die
Hauptarbeit geleistet und alles organisiert, aber so richtig erholen konnte
ich mich dadurch natürlich nicht – nicht perfekt, aber muss ja.
Stefan Kähler, 43, leitet die Kita Stadtpark im schleswig-holsteinischen
Rendsburg. Das Protokoll notierte Esther Geißlinger.
## Mutter: „Kita hat sich nahezu zerlegt“
Mein Kind besucht eine kleine Eltern-Initiativ-Kita. Das heißt, das Kind
hat sie bis zum Corona-Ausbruch besucht, dann noch einmal während der
Lockerungen, dann wieder nicht. Es ist mühselig mit einem Kitakind zu
Hause, wenn beide Eltern berufstätig sind. Aber wir sind vierfach
begünstigt: Ich kann von zu Hause arbeiten, mein Arbeitgeber ist großzügig,
wir haben zum Auslauf eine Datsche auf dem Land und oft ist auch das ältere
Geschwisterkind zu Hause. Dann beschäftigen sich die beiden zusammen.
Bislang sind wir also nicht auf die Betreuung angewiesen, die mal
Notbetreuung, mal eingeschränkte Regelbetreuung heißt. Man ist theoretisch
dazu aufgefordert, sie nicht zu nutzen. Ich schaue also fast unbeteiligt
darauf, wie die Frage, wer sein Kind wann zur Betreuung schickt, unsere
Kita nahezu zerlegt hat. Aber um ehrlich zu sein, bin ich nicht ganz so
unbeteiligt, weil dieser Streit zeigt, wie Solidarität funktioniert und wie
nicht. Und dass Minderheiten Mehrheiten torpedieren können.
Es gab eine Gruppe von Eltern – eine Minderheit –, die ihre Kinder
durchgängig in die Kita brachten. Und eine Gruppe, die sie zu Hause
behielten. Vor allem nach dem Appell einer Erzieherin: Sie hatte zu Zeiten,
als zwei Drittel der Kinder in die Kita kamen, in einem Brief erklärt, dass
sie bei so vielen Kindern Angst um ihre Gesundheit habe. Danach leerte sich
die Kita schlagartig. Das war gut zu sehen, aber zugleich fragte man sich:
Warum braucht es erst einen flammenden Appell?
Offener Streit brach aus, als es zwei Gruppen geben sollte und deshalb
keine durchgängige Betreuung mehr für alle. Da stellten sich die, die
durchgängig dagewesen waren, quer. Und die anderen waren sprachlos – und
sauer. Weil die Quersteller anscheinend nie auf den Gedanken gekommen
waren, dass die zu Hause Betreuenden dies auch aus Solidarität taten: weil
Pandemiebekämpfung nun mal möglichst wenig Kontakte bedeutet. Einige
Familien waren darunter ganz schön in die Knie gegangen und manchmal traf
man weinende Mütter. Aber sie haben es probiert. Die Quersteller sahen vor
allem eines: ihr Recht auf Betreuung. Das wollten sie sich nicht nehmen
lassen.
Der Streit wurde nicht gelöst, weil der nächste Lockdown kam. Geblieben ist
die ernüchternde Erkenntnis, dass es überall Ignoranten gibt und sie die
Großzügigkeit demokratischer Strukturen ausnutzen. Neu ist das nicht, aber
in Pandemiezeiten fällt es anders auf.
Über ihre Erfahrungen schrieb eine taz-Autorin. Die Kita, die ihr Kind
besucht, soll anonym bleiben.
14 Apr 2021
## LINKS
[1] /Selbsttests-auch-fuer-Kita-Kinder/!5757118
[2] /Unterfinanzierung-von-Kitas/!5741858
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Kita
Lockdown
Schwerpunkt Coronavirus
Kindergarten
Schule und Corona
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Corona-Aufholpaket der Bundesregierung: Jetzt die Bildungsrevolution!
Die Coronakrise legt die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem offen. Um sie
zu beseitigen, reicht kein Geld – die Art zu lernen muss sich ändern.
Testpflicht an deutschen Schulen: Endlich ist sie da
Wenn nach den Osterferien die Schulen wieder starten, gilt in vielen
Klassen eine Testpflicht. Bei einer anderen Frage sind sich die Länder
uneins.
Priorisierung bei der Corona-Impfung: Eltern kommen ganz zum Schluss
Obwohl Politiker:innen viel von Kindern sprechen, tragen Familien die
Hauptlast der Pandemie. Könnte es helfen, Eltern bevorzugt zu impfen?
Maßnahmen gegen Corona in Berlin: Kitas wieder im Notbetrieb
Der Berliner Senat verschärft die Kontaktbeschränkungen. Der
Landeselternausschuss Kita kritisiert die Rückkehr zur Notbetreuung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.