# taz.de -- Atomstreit zwischen Iran und USA: Leise Hoffnung auf Deeskalation | |
> In Wien beraten ab Dienstag die Vertragsstaaten zur Rückkehr des | |
> Nuklearabkommens. Weitere Konfrontation könnte Hardlinern im Iran nützen. | |
Bild: Hassan Ruhani, Präsident des Iran, besucht ein Atomkraftwerk (Archivbild) | |
Berlin taz | Gibt es einen Weg zur Deeskalation der seit drei Jahren | |
gefährlich wachsenden Konfrontation zwischen den USA und Iran und damit | |
eine [1][Chance für die Rückkehr beider Staaten] in das im Juli 2015 | |
vereinbarte Abkommen zur Begrenzung von Teherans Nuklearprogramm auf | |
nichtmilitärische Zwecke? Leise Hoffnung macht das für Dienstag in Wien | |
geplante erste Treffen von RegierungsvertreterInnen aller sieben | |
ursprünglichen Vertragsstaaten, seit die USA unter Ex-Präsident Donald | |
Trump im Mai 2018 aus dem Abkommen ausgestiegen waren. | |
Seit diesem Ausstieg hatte die Trump-Administration eine Strategie | |
„massiven Drucks“ gegen Teheran verfolgt mit neuen, teils | |
völkerrechtswidrigen Sanktionen nicht nur gegen Iran selber, sondern auch | |
gegen Unternehmen und Banken in Drittstaaten in Europa und anderen | |
Weltregionen, um diese zur Aufgabe jeglicher Wirtschaftsbeziehungen zu Iran | |
zu zwingen. Iran hatte das [2][Abkommen in den ersten drei Jahren ab Juli | |
2015 penibel eingehalten]. Das bestätigten sowohl die IAEO in ihren | |
regelmäßigen Überwachungsberichten wie auch Trumps Vorgänger Barack Obama | |
alle drei Monate gegenüber dem Kongress in Washington. | |
Doch nachdem die verbliebenen fünf Vertragsstaaten kaum etwas unternahmen | |
gegen die US-Sanktionen und zur Kompensation ihrer verheerenden | |
Auswirkungen auf die iranische Wirtschaft, begann die Führung in Teheran | |
2019 mit schrittweisen Verletzungen des Abkommens. Die bislang letzten | |
Verstöße beschloss das von konservativen Hardlinern beherrschte Parlament | |
in Teheran mit stillschweigender Billigung von Revolutionsführer Ayatollah | |
Ali Chamenei, aber gegen den ausdrücklichen Willen von Präsident Hassan | |
Ruhani und Außenminister Mohammed Sarif. Beide betonen immer wieder, dass | |
sie an dem Nuklearabkommen festhalten wollen. | |
Joe Biden verkündete gleich nach seinem Wahlsieg im November letzten Jahres | |
die [3][grundsätzliche Bereitschaft seiner Regierung zur Rückkehr in das | |
Abkommen]. Allerdings nur unter der Bedingung, dass Iran „zuvor sämtliche | |
Vertragsverstöße rückgängig macht“. Vertreter der iranischen Führung | |
forderten hingegen, dass die USA zunächst „sämtliche Sanktionen“ aufheben. | |
Zuvor werde es auch „keine Verhandlungen mit den USA geben“. | |
## Maximalpositionen aufgegeben | |
Das Treffen in Wien ist ein Indiz dafür, dass beide Seiten ihre | |
Maximalpositionen aufgegeben haben, und dass die Frage, wer den ersten | |
Schritt macht, nicht mehr als Blockade im Raum steht. Die | |
Biden-Administration sei bereit zu Gesprächen über eine „gegenseitige | |
Rückkehr“ der USA und Irans in das Nuklearabkommen, erklärte das Weiße Haus | |
am Freitag. Es gibt bereits Ideen für parallele, beziehungsweise in ihrer | |
Abfolge miteinander abgesprochene Schritte. | |
Der renommierte Rüstungskontrollexperte Professor Götz Neuneck vom | |
Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik schlug | |
gemeinsam mit Ex-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in einem [4][Betrag für | |
den Tagesspiegel vom Samstag] vor, die USA könnten zunächst die „sekundären | |
Sanktionen“ gegen Firmen und Banken von Drittländern aufheben sowie die | |
Sanktionen, die derzeit die Lieferung von Medikamenten und medizinischem | |
Material nach Iran verhindern. Letzteres sei „vor allem in Zeiten der | |
Corona-Pandemie von hervorragender Bedeutung“. | |
Zudem „könnte ein kleiner Teil der eingefrorenen Konten des Iran aus dem | |
Ölgeschäft freigegeben werden“. Iran müsse „im Gegenzug beispielsweise | |
Vertragsverletzungen wie die Entwicklung neuer Zentrifugen stoppen“ oder | |
die in den letzten Monaten auf bis zu 20 Prozent hochgefahrene Anreicherung | |
von Uran wieder auf die in dem Nuklearabkommen erlaubten „3,7 Prozent | |
begrenzen“. | |
## Abkommen ist erst der Anfang | |
Doch selbst wenn durch derartige Schritte der USA und Irans schließlich die | |
vollständige Rückkehr beider Seiten zu dem bestehenden Nuklearabkommen | |
erreicht werden sollten, bleibt ein Problem: Die Biden-Administration will | |
auch ein Abkommen mit Teheran zur Begrenzung der konventionellen | |
Raketenrüstung des Landes sowie zur Eindämmung der in Washington als | |
„destabilisierend“ kritisierten Rolle Teherans in der Region etwa bei der | |
Unterstützung des syrischen Regimes, der Hisbollah im Libanon oder der | |
Hamas im Gazastreifen. | |
Unterstützung finden diese Forderungen bei den Regierungen in Berlin, Paris | |
und London. Zwar besteht Präsident Biden im Unterschied zu seinem Vorgänger | |
Trump nicht mehr darauf, entsprechende Vereinbarungen in das bestehende | |
Nuklearabkommen aufzunehmen. Aber auch zu Verhandlungen über neue, separate | |
Vereinbarungen mit Restriktionen, die lediglich für Iran gelten würden, | |
gibt es in Teheran bislang keine Bereitschaft. | |
Zu Begrenzungen der eigenen Raketenrüstung wäre man durchaus bereit, | |
erklären iranische Diplomaten – allerdings nur im Rahmen einer | |
multilateralen Rüstungskontrollvereinbarung, an der auch andere Staaten der | |
Region wie Saudi-Arabien, Israel, die Türkei oder Ägypten beteiligt sein | |
müssten. | |
Kritik an der „destabilisierenden“ Rolle Irans in der Region oder gar der | |
in den letzten Jahren von den Regierungen in Washington, Tel Aviv und Riad | |
häufig erhobene Vorwurf, Iran sei „der größte staatliche Sponsor des | |
globalen islamistischen Terrorismus“, wird von offiziellen iranischen | |
Gesprächspartnern gekontert mit Verweis auf die massive Unterstützung, die | |
Al Kaida, der „Islamische Staat“ und andere sunnitische | |
Terrororganisationen in den letzten drei Jahrzehnten von den saudischen | |
Wahhabiten sowie von den Regierungen in Katar und den Vereinigten | |
Arabischen Emiraten erhalten haben und weiterhin erhalten. | |
## Konfrontation könnte Hardlinern nützen | |
Die politische und militärische Unterstützung dieser allesamt | |
undemokratischen Regimes durch demokratische Staaten des Westens macht | |
deren [5][Kritik an der Rolle Irans in der Wahrnehmung iranischer | |
Offizieller völlig unglaubwürdig]. Dasselbe gilt für die Kritik westlicher | |
Regierungen an den massiven Menschenrechtsverstößen des iranischen Regimes | |
gegen die eigene Bevölkerung. | |
Die Zeit für eine Deeskalation der US-iranischen Beziehungen und zur | |
Rettung des Nuklearabkommens drängt. Eine anhaltende oder sogar noch weiter | |
eskalierte Konfrontation würde – so wie auch immer zuvor in dem jetzt seit | |
fast 20 Jahren schwelenden Konflikt um das iranische Nuklearprogramm – den | |
Hardlinern in Teheran in die Hände spielen und die Gefahr erhöhen, dass | |
einer der Ihren – möglicherweise sogar der Kandidat der besonders | |
US-feindlichen Revolutionären Garden – die Präsidentschaftswahl am 18. Juni | |
gewinnt. | |
4 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Nuklearabkommen-mit-Iran/!5753279 | |
[2] /Atominspektionen-im-Iran/!5753484 | |
[3] /US-Praesident-Joe-Biden-zur-Aussenpolitik/!5749270 | |
[4] https://www.tagesspiegel.de/plus/rettet-den-atomdeal-mit-iran-die-usa-und-e… | |
[5] /Iran-und-der-Westen/!5746694 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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