# taz.de -- Regeln für EU-Ausfuhr von Impfstoffen: EU verschärft Impfstoffexp… | |
> Die Kürzung einer AstraZeneca-Lieferung bringt die EU-Kommission in Not. | |
> Sie kündigt eine strengere Prüfung von Exporten an. Das stößt auf Kritik | |
Bild: Die britisch-schwedische Firma AstraZeneca hatte ihre Lieferungen an die … | |
BERLIN/BRÜSSEL taz | Im Streit über Corona-Impfstofflieferungen hat die | |
EU-Kommission die Kontrolle von Impfstoffexporten deutlich verschärft. „Wir | |
werden handeln“, sagte die Generaldirektorin der Gesundheitsabteilung der | |
EU-Kommission, Sandra Gallina, im Europaparlament. Man werde „alle uns zur | |
Verfügung stehenden Mittel“ einsetzen, um die AstraZeneca-Dosen zu | |
bekommen, drohte sie. | |
Die [1][britisch-schwedische Firma hatte ihre Lieferungen an die EU | |
einseitig drastisch gekürzt]: Statt der ursprünglich anvisierten 120 | |
Millionen Impfdosen sollen im ersten Quartal nur 30 Millionen kommen. Die | |
Brüsseler Behörde pocht allerdings darauf, dass es kein Exportverbot gebe. | |
Vielmehr setzt die EU-Kommission auf ein [2][verschärftes Kontrollregime | |
für Impfstoffexporte]. | |
Seit dem 1. Februar müssen Impfstoffexporte aus EU-Staaten in viele Länder | |
angemeldet und genehmigt werden. Bisher konnten Ausfuhren gestoppt werden, | |
wenn sie die Erfüllung der Verträge des jeweiligen Herstellers gefährdeten. | |
[3][Ab sofort sollen auch „Gegenseitigkeit“ und „Verhältnismäßigkeit“ | |
geprüft werden]. So wolle man sicherstellen, dass Länder nicht weiter | |
Impfstoffe aus der EU erhalten, die bereits gut versorgt sind – oder die | |
selbst nicht exportieren. | |
Wie genau diese beiden Kriterien gewichtet werden müssten, sei unklar, so | |
Holger Hestermeyer, Professor für Internationales und EU-Recht am King’s | |
College London. Er nennt aber ein fiktives Beispiel: „Nehmen wir an, | |
Brasilien verbietet den Export, hat kaum Impfstoffe und eine katastrophale | |
Lage – man könnte dann weiter Impfstoffexporte erlauben. Wenn aber ein Land | |
gut vorwärtskommt, über Impfstoffe verfügt und gleichzeitig nicht | |
exportiert, könnte es problematisch werden.“ | |
## Entwicklungsländer nicht betroffen | |
„Das System richtet sich gegen kein bestimmtes Land“, sagte | |
Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Im selben Atemzug nannte er jedoch | |
Großbritannien, das bisher keine einzige Impfdose nach Europa geschickt | |
habe. Die EU hat nun weitere Länder auf ihre Liste gesetzt, die bisher von | |
der Genehmigungspflicht ausgenommen waren. Aber auch Israel zählt dazu, das | |
als Musterbeispiel für eine gelungene Impfkampagne zählt. | |
„Warum wollen Sie Länder bestrafen, weil sie erfolgreich sind?“, fragten | |
mehrere Journalisten bei der Vorlage des Entwurfs in Brüssel. Die | |
EU-Kommission blieb jedoch eine Antwort schuldig. | |
Betretenes Schweigen herrscht auch zu den USA. Ähnlich wie Großbritannien | |
haben die Amerikaner bisher keine Impfstoffe in die EU geschickt; sie | |
horten sogar große Mengen des begehrten Vakzins von AstraZeneca. Dennoch | |
will die EU-Kommission gegen Washington aber wohl nicht vorgehen: Die | |
Amerikaner spielten „fair play“ und schickten Bestandteile über die | |
transatlantischen Lieferketten, so ein Kommissionsexperte am Mittwoch. | |
Ausgenommen sind die Vereinigten Staaten in der betreffenden Verordnung | |
aber nicht. Anders sieht es mit Ausfuhren an Entwicklungsländer aus. Die | |
Impfstofflieferungen über den Covax-Mechanismus der | |
Weltgesundheitsorganisation werden demnach nicht behindert. | |
## Wer den ersten Stein wirft | |
Heftige Kritik kam von dem SPD-Europaabgeordneten Bernd Lange: Die | |
EU-Kommission „holt die Schrotflinte raus“, schrieb der Vorsitzende des | |
Handelsausschusses im Europaparlament auf Twitter. Das Handeln Brüssels | |
berge die Gefahr, dass es bald noch weniger Impfstoffe für die EU gebe, da | |
die Lieferketten unterbrochen würden. Lange kritisiert, dass wegen | |
Problemen mit AstraZeneca nun alle Impfstoffhersteller in Geiselhaft | |
genommen würden. | |
Neben der Eskalation der politischen Lage befürchtet auch Rechtsprofessor | |
Hestermeyer Probleme in den Lieferketten: „Wenn man an einer Stelle jetzt | |
einen Cut setzt und sagt: ‚Hier dürfen wir nicht mehr exportieren‘, muss | |
man einfach damit rechnen, dass andere das auch machen.“ | |
Auch unter den EU-Mitgliedsländern sind strengere Exportkontrollen | |
umstritten – so sprach sich etwa Irlands Regierungschef Michael Martin | |
strikt gegen Beschränkungen aus. Ein Berater des französischen Präsidenten | |
sagte dagegen am Mittwoch, die EU sollte kein „nützlicher Idiot“ sein, | |
indem sie Vakzine exportiere, während andere Länder Vorräte für sich | |
behielten. | |
Seit Einführung des Kontrollmechanismus wurden nach EU-Angaben 380 | |
Ausfuhranträge über insgesamt rund 43 Millionen Dosen für 33 verschiedene | |
Bestimmungsländer bewilligt. Zu den wichtigsten Ausfuhrzielen zählen das | |
Vereinigte Königreich (etwa 10,9 Millionen Dosen), Kanada (6,6 Millionen) | |
und Japan (5,4 Millionen). Nur einem Ausfuhrantrag wurde nicht | |
stattgegeben: Italien stoppte die Ausfuhr von 250.000 Dosen | |
AstraZeneca-Impfstoff an Australien. | |
In der EU hatten am Mittwoch Medienberichte über 29 Millionen Dosen | |
[4][eingelagerten AstraZeneca-Impfstoffs in Italien] für Aufregung gesorgt, | |
die demnach für den Export nach Großbritannien bestimmt seien. Das | |
Unternehmen erklärte jedoch, die bei einer Inspektion kontrollierten | |
Impfstoffe seien teils für Europa, teils für Covax-Länder bestimmt. | |
24 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Weniger-Impfstoff-von-AstraZeneca/!5743297 | |
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/startseite/exporte-impfstoffe-von-der-… | |
[3] https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2021/march/tradoc_159498.pdf | |
[4] https://www.tagesschau.de/ausland/astrazeneca-impfdosen-italien-101.html | |
## AUTOREN | |
Eva Oer | |
Eric Bonse | |
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