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# taz.de -- Umgang mit Quarantäneverweigerern: Maskenlos in den Knast
> Quarantäneverweiger*innen kommen in Schleswig-Holstein in eine
> Arrestanstalt. Der erste Renitent sitzt seit dem Wochenende ein.
Bild: Blick in eines der Zimmer für Quarantäneverweigerer in der Jugendhaftan…
Neumünster taz | Was tun mit Personen, die sich nicht an die
Coronaschutzmaßnahmen halten und damit andere gefährden? In
Schleswig-Holstein landen Regelbrecher*innen im Gefängnis. Das
Verfahren haben die Kreise und kreisfreien Städte entwickelt. Sie nutzen
speziell hergerichtete Räume in einer Jugendarrestanstalt für die
Zwangsquarantäne. Demnächst könnten auch Regelbrecher*innen aus
Hamburg in die Haft im Kreis Segeberg kommen. Dort sitzt seit dem
Wochenende ein 19-Jähriger ein, der positiv getestet die Quarantäne brach.
In voller Schutzmontur holten Mitarbeiter*innen der Polizei und des
Kreises Rendsburg-Eckernförde den 19-Jährigen von zu Hause ab. Ein für
infektiöse Personen ausgestatteter Krankenwagen fuhr ihn in das
Jugendgefängnis Moltsfelde bei Neumünster, berichtet die lokale
Landeszeitung. Der junge Mann war der Polizei mehrfach aufgefallen. So war
er als Beifahrer mit seinem 18-jährigen Kumpel in einem Sportwagen
unterwegs gewesen – ohne Führerschein und zu schnell, ohne Maske und
coronapositiv. Die vier Polizist*innen, die bei der Aktion in Kontakt mit
den beiden kamen, mussten später in Quarantäne.
„Wir stecken niemanden einfach so ins Gefängnis“, betont Sönke Schulz,
geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Landkreistages und dort zuständig
für die Koordinierungsstelle „Öffentlicher Gesundheitsdienst“. Dort liegt
die Verantwortung für die Coronahaft. Rechtlich stützt sich die Maßnahme
auf Paragraf 30 des Infektionsschutzgesetzes. Der schreibt eine
„Absonderung“ vor. Meist geschieht das in der eigenen Wohnung und
freiwillig.
Anders ist es, wenn Betroffene „Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen
können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden“. Diese
Personen können „zwangsweise in einem abgeschlossenen Krankenhaus“ oder
„anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung“ untergebracht werden,
heißt es im Gesetz.
Um das zu gewährleisten, könnten sich die Kommunen, also die Kreise und
kreisfreien Städte, in Einzelfällen behelfen und improvisieren, sagt
Schulz: „Zum Beispiel in einem Hotel oder einer Ferienwohnung mit einem
Sicherheitsdienst vor der Tür. Aber das halten wir rechtsstaatlich für
nicht machbar.“
Die Lösung mit den Zimmern im Jugendarrest, der zentral im Land liegt,
biete dagegen ein klares Verfahren. Sönke Schulz beschreibt den Ablauf: Der
Verstoß gegen die Quarantäneverordnung muss festgestellt werden, danach
gibt es in einem Gespräch mit Polizei und Gesundheitsamt eine Verwarnung.
Erst wenn die Quarantäne ein zweites Mal gebrochen wird, droht die Haft.
„Da es sich um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme handelt, muss ein
Gericht entscheiden“, sagt Sönke Schulz.
Die Jugendhaftanstalt in Moltsfelde steht zurzeit praktisch leer: Viele
Jugendstrafen werden während der aktuellen Pandemie ausgesetzt. Die
Quarantäneräume, die die Kommunen benutzen, sind mit Tisch, Stuhl, Bett und
Fernseher ausgestattet, zu jedem gehört eine eigene Nasszelle. Die
Untergebrachten dürfen ihre Smartphones und Laptops mitbringen. Ein Arzt
aus Neumünster betreut die Untergebrachten medizinisch und bei Bedarf gibt
es psychologische Betreuung.
Die Länge des Aufenthalts richtet sich nach den Quarantäneregeln, also
aktuell 14 Tage ab dem positiven Test. „Da die Leute nicht sofort dorthin
kommen, geht es in der Regel um wenige Tage“, sagt Sönke Schulz.
Auch der 19-Jährige wird bald wieder nach Hause dürfen – und erhält dann
vielleicht eine Rechnung für den Aufenthalt und weitere Kosten, darunter
die Ausfallzeiten für die Polizist*innen, die nach dem Einsatz in
Quarantäne mussten.
„Das ist ja nicht ungewöhnlich“, sagt Schulz. „Wer bei Feuerwehr oder
Polizei Kosten verursacht, wird muss damit rechnen, etwas erstatten zu
müssen.“ Im konkreten Fall werde noch geprüft.
Bereits so gut wie entschieden ist, dass künftig auch
Regelbrecher*innen aus Hamburg in Moltsfelde ihre Quarantänezeit
abwarten. „Das Interesse Hamburgs kann ich bestätigen“, sagt der
Gesundheitskoordinator des Landkreistages. Aktuell werden letzte Details
abgestimmt.
15 Apr 2021
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schleswig-Holstein
Quarantäne
Schwerpunkt Coronavirus
Gefängnis
Justizvollzug
Schwerpunkt Coronavirus
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