| # taz.de -- GründerInnen über die KlimaUnion: „1,5-Grad-Ziel muss ins Progr… | |
| > Der neue Verein „KlimaUnion“ will CDU und CSU auf radikalen Öko-Kurs | |
| > bringen. So sollen WählerInnen von den Grünen zurückgeholt werden. | |
| Bild: War der Druck der Klimabewegung zu groß? Die Union hat jetzt eine „Kli… | |
| taz: Frau Winter, Herr Strößenreuther, warum braucht es eine „KlimaUnion“ | |
| bei CDU und CSU, wenn die Union seit 15 Jahren das Land regiert – sogar mit | |
| einer Klimakanzlerin? | |
| Wiebke Winter: Weil die CDU/CSU in der Klimapolitik ehrgeiziger sein muss. | |
| Wir müssen das 1,5-Grad-Ziel und die Klimaneutralität bis 2040 in unser | |
| Partei-, Wahl- und Regierungsprogramm aufnehmen. Dafür kämpfen wir mit | |
| dieser Plattform, auf der sich viele Menschen einsetzen können. | |
| Die Union sagte immer: Wir sind schon die Klimaschutzpartei, denn wir | |
| bringen Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt zusammen. Stimmte das nicht? | |
| Winter: Wir sind schon wichtige Schritte gegangen, etwa mit der | |
| Energiewende und dem CO2-Preis. Aber wir müssen noch ehrgeiziger werden. | |
| Sonst bekommen wir echte Probleme, auch in Deutschland. | |
| Herr Strößenreuther, wo muss die Union am meisten nachbessern? | |
| Heinrich Strößenreuther: Wir müssen die Energiewende so beschleunigen, dass | |
| bis 2030 der heutige Strombedarf zu 100 Prozent erneuerbar ist, um dann | |
| auch die Versorgung mit Wärme, den Verkehr und die Industrie auf den | |
| sauberen Strompfad zu holen. Wir müssen klarer machen, wie schnell der | |
| Klimawandel abläuft und dass wir für die großen Entscheidungen nur noch ein | |
| paar Jahre Zeit haben. Das ist bis vor wenigen Jahren auch den meisten in | |
| der Klimaszene kaum bewusst gewesen. Die „Klimaallianz“ mit 130 Verbänden | |
| hat 2019 einen CO2-Preis gefordert, aber keine Höhe dafür genannt. | |
| Jahrelang haben ForscherInnen Papiere geschrieben, aber ihre | |
| Scientists-for-Future-Stimme erst seit den Fridays for Future laut und | |
| deutlich vernehmbar erhoben. Alle Parteien, auch die Grünen, haben | |
| fortwährend ihre Programme verschärft. Der Rhetorik der Klimabewegung, dass | |
| die CDU an allem schuld sei, drücken diese Zusammenhänge unfair in den | |
| Skat. | |
| Immerhin hat die Union die letzten 15 Jahre regiert – und das blockiert, | |
| was Sie jetzt fordern: den massiven Ausbau der Erneuerbaren, | |
| Gebäudesanierung, CO2-Preis, Streichung von Subventionen. Was haben Sie für | |
| einen Hebel, damit eine unionsgeführte Regierung das plötzlich umsetzt? | |
| Winter: Die CDU hat die Energiewende eingeleitet, und es gibt heute einen | |
| CO2-Preis. Wir haben also gehandelt, allerdings haben wir noch Luft nach | |
| oben. Für unsere Ideen bekommen wir viel Unterstützung aus der Partei, aus | |
| dem Vorstand, der Fraktion und den Länderparlamenten. Es wird ja jetzt ein | |
| Wahlprogramm aufgestellt, in das wir unsere Ziele gern einbringen würden. | |
| Daran möchte ich im Bundesvorstand mitwirken. | |
| Strößenreuther: Ich habe in meiner Zeit bei der Bahn 14.000 Lokführern das | |
| energiesparende Fahren beigebracht. Das ist wie auf einer Spielplatzwippe: | |
| Am Anfang ist man ganz allein auf der einen Seite, wir sind 10 Leute in der | |
| KlimaUnion, auf der anderen Seite sind 400.000 Parteimitglieder. Da muss | |
| man einen nach dem anderen über die Mitte locken, bis die Wippe kippt und | |
| der Rest hinterherrutscht. Dann sitzen da am Schluss die zehn Blockierer, | |
| die es in jeder Partei gibt, ganz allein da oben, aber die Mehrheit hat ein | |
| klares Bekenntnis zur Klimaneutralität in 10 bis 20 Jahren getroffen. Das | |
| erste Viertel der Leute ist dem Thema sehr zugetan, das zweite Viertel muss | |
| intensiver überzeugt werden, das dritte Viertel wartet, was die erste | |
| Hälfte macht – und um das letzte Viertel lohnt sich das Kümmern nicht. Die | |
| Klimabewegung hat immer auf die 10 Prozent geschaut, die uns das Leben | |
| schwer gemacht haben. Da muss man aber auch ehrlich sagen: Das waren auch | |
| die, die uns die Annehmlichkeiten von billiger Energie, Autofahren und | |
| günstigem Einkaufen gebracht haben, bei denen wir als Gesellschaft alle | |
| mitgemacht und die Klimafolgen ausgeblendet haben. Das ändert sich nun | |
| gerade. Da ist gerade eine neue Lawine unterwegs. | |
| Sind Sie auf einen Machtkampf zwischen Wirtschaftsflügel und KlimaUnion | |
| vorbereitet? | |
| Winter: Das hat nichts mit Macht zu tun, sondern mit Inhalten, mit | |
| Argumenten. Wir wollen auch keinen Kampf, sondern Klimawandel gemeinsam mit | |
| der Wirtschaft gestalten. Ich bin übrigens auch Mitglied der Mittelstands- | |
| und Wirtschaftsunion und sehe darin keinen Widerspruch zu meinem Engagement | |
| in der KlimaUnion. Unser Job ist es, zu informieren und Leute auf diesem | |
| Kurs zu unterstützen. | |
| Strößenreuther: Es kann sogar gut sein, dass wir vom Wirtschaftsflügel | |
| Unterstützung bekommen, wenn sie unsere Argumente hören. Weltweit haben | |
| sich 175 Staaten zur Klimaneutralität verpflichtet. Alle brauchen die | |
| Produkte, um dorthin zu kommen. Wer diese Produkte als Erster produziert, | |
| sichert sich einen Vorsprung und schafft die Klimajobs von morgen. Dieses | |
| Argument leuchtet Wirtschaftsvertretern viel eher ein als die moralische | |
| Argumentation der letzten Jahre. Ein paar gute Charts öffnen bei Managern | |
| manchmal Türen. Und dann kriegen sie beim Abendessen noch einen kleinen | |
| Schubs von ihren Kindern, die bei Fridays for Future mitmachen, dann ändern | |
| sich die Dinge. So können wir nach vorn schauen statt zurück. | |
| Sie wollen Deutschland in 10 bis 20 Jahren klimaneutral machen. Damit | |
| überholen Sie die Grünen, die als Zieltermin 2050 fordern. Und auch das ist | |
| schon eine riesige Herausforderung. Wie seriös ist Ihre Forderung? | |
| Strößenreuther: Wir haben damals, 2019, beim „German Zero“-Klimaplan genau | |
| überlegt, was man bis wann tun kann. Dann haben wir uns auf 2035 für | |
| Klimaneutralität geeinigt. Wir wissen, dass manches länger dauert, aber | |
| auch dass manches schneller geht. 1962 hat US-Präsident Kennedy | |
| versprochen, in zehn Jahren den ersten Mann auf den Mond zu schicken, | |
| obwohl es die Technik noch nicht gab. Sieben Jahre später waren sie oben. | |
| Wir unterschätzen die Fähigkeit unserer Gesellschaft, exponenzielle | |
| Veränderung zu schaffen. Aber Corona hat gezeigt, was geht, wenn der Wille | |
| da ist. Das ist das Entscheidende: den Willen produzieren, dann lassen sich | |
| Berge versetzen. Außerdem treffen viele Trends zusammen: Es kommt Druck vom | |
| Finanzmarkt, viele Unternehmen wollen klimaneutral werden, die Konsumenten | |
| denken über das Thema nach. Und wir haben die Vorarbeit der rot-grünen | |
| Energiewende: Solarstrom kostet 3 Cent die Kilowattstunde, Kohlestrom 7 und | |
| Atom 10 Cent. Da ist es leicht, sich zu entscheiden, das kann man den | |
| Menschen auch in der Fußgängerzone beim Wahlkampf erklären. | |
| Trotzdem ist die Union bislang in Umfragen kaum glaubwürdig beim Thema | |
| Klima. Was muss sich ändern? | |
| Winter: Die CDU war schon mal die Partei, die sich um das Klima gekümmert | |
| hat. Das C in unserem Namen steht für Erhalt der Schöpfung, Nachhaltigkeit | |
| ist einer unserer Kernwerte. Es stimmt, wir müssen da ehrgeiziger werden, | |
| aber es gibt einfach keine Alternative. Auch die Union kann Klimaschutz! | |
| Das ist kein Privileg der Grünen. | |
| Bei den letzten Wahlen sahen das aber viele so. Wie viele Prozentpunkte | |
| wollen Sie von den Grünen zurückholen? | |
| Strößenreuther: Ein Viertel sind geliehene CDU-Wähler, denen das Klima so | |
| wichtig ist, dass sie Grün wählen. Also sind 5 bis 7 Prozentpunkte zu | |
| holen. | |
| Und wer ist fürs Klima der bessere Kanzlerkandidat der Union: Armin | |
| Laschet, der immer für Kohle war und auch jetzt sagt, Klimaschutz ist nicht | |
| alles, oder Markus Söder, der nur Bäume umarmt, wenn die Grünen stark | |
| werden? | |
| Strößenreuther: Da halte ich mich komplett raus. Der eine umarmt vielleicht | |
| Bäume für die Kamera, kann aber schneller handeln als der andere, der | |
| Arbeitsplätze erhalten muss. | |
| Winter: Ich bin sehr gespannt, wie das ausgeht. | |
| Aber im Ernst: Aus Klimasicht müssten Sie doch hoffen, dass Frau Baerbock | |
| Kanzlerin wird, oder? | |
| Winter: Für uns ist ganz klar: Wir wollen einen CDU- oder CSU-Kanzler, der | |
| unsere Programmatik umsetzt. Weder Herr Habeck noch Frau Baerbock könnten | |
| das besser. | |
| Strößenreuther: Ich wäre nicht in die CDU eingetreten, wenn ich nicht | |
| glauben würde, dass die nächste Regierung schwarz-grün werden wird. Ich | |
| will meinen Teil dazu beitragen, dass wir das 1,5-Grad-Limit halten – in | |
| der Union. | |
| 11 Apr 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
| Heinrich Strößenreuther | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| CDU/CSU | |
| Liebeserklärung | |
| Armin Laschet | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| A100 | |
| Pariser Abkommen | |
| Braunkohle | |
| Fahrrad | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wenn der Kandidat verdrängt: Klimastreber Armin Laschet | |
| Spät hat der CDU-Chef seine Liebe zum Klimaschutz entdeckt. Nun ist sie so | |
| groß, dass alles ausgeblendet wird, was der Leidenschaft widerspricht. | |
| Chaostruppe oder Ökopartei: Für die CDU bin ich zu konservativ | |
| Die Union war immer korrekt, umweltschädlich und langweilig. Plötzlich aber | |
| sind Brudermord und Klimaschutz angesagt. Unser Autor ist überfordert. | |
| Künast und Beckstein im Streitgespräch: „Antikapitalismus der 70er Jahre“ | |
| Die Berliner Grüne Künast und der Nürnberger Schwarze Beckstein über | |
| Verbote, Schweinshaxen – und ein Bündnis von Union und Grünen. | |
| Minderheiten in der Berliner CDU: Radaktivist mal in der Defensive | |
| Heinrich Strößenreuther ist für klare Ansagen bekannt. Hat ihm seine neue | |
| Partei nun in Sachen Autobahn einen Maulkorb verpasst? | |
| Christdemokratischer Klimaverein: Die Union klimatisieren | |
| Der neugegründete Verein KlimaUnion will CDU und CSU zu ernsthafter | |
| Klimapolitik bringen. Die Gegenkräfte sind stark. Wie soll das gelingen? | |
| Braunkohle-Entscheidung in NRW: Laschet bremst beim Klimaschutz | |
| In NRW setzt der CDU-Chef und mögliche Kanzlerkandidat Armin Laschet weiter | |
| auf Braunkohle – und erntet heftige Kritik von Umweltschützer:innen. | |
| Berliner Verkehrspolitik: Vom Fahrradaktivisten zum CDUler | |
| Erzkonservativ im Sinne der Bewahrung von Schöpfung: Heinrich | |
| Strößenreuther ist öko und gegen Autos, aber die CDU passt zu ihm. |