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# taz.de -- Spannungen zwischen China und der EU: Pekings asymmetrische Antwort
> Die nun verhängten gegenseitigen Sanktionen sind ein Wendepunkt. Doch
> Peking dürfte sich bei seiner Vergeltung verkalkuliert haben.
Bild: Ein uigurischer Mann vor Bereitschaftspolizisten (Archivbild von 2009)
Peking taz | Chinas Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem die
Außenminister der Europäischen Union am Montag erstmals seit über drei
Jahrzehnten vier chinesische Parteikader wegen Unterdrückung der Minderheit
der Uiguren [1][sanktioniert] hatten, strafte die Regierung in Peking
ihrerseits zehn europäische Politiker und Akademiker sowie vier
Institutionen ab. Diese dürfen künftig weder nach China einreisen noch dort
Geschäfte machen.
Ganz gleich, wie man zu den EU-Maßnahmen steht: Unter praktisch allen
Fraktionen der China-Beobachter herrscht Konsens, dass es sich um einen
Wendepunkt in den gegenseitigen Beziehungen handelt.
Matej Šimalčík von der slowakischen Denkfabrik Central European Institute
of Asian Studies bezeichnet Chinas Vergeltungsaktion öffentlich als
„schwerwiegende strategische Misskalkulation“. Zum einen, weil Pekings
Antwort unverhältnismäßig ausfällt – die EU sanktionierte vier Personen,
China hingegen zehn – und damit die Spannungen weiter eskalieren lässt.
Zudem bringt Pekings Vergeltung die EU näher an die [2][USA] und lässt die
Fraktion, die der Volksrepublik gegenüber gutmütig eingestellt ist,
endgültig schwinden.
„Lasst es mich klar ausdrücken: Diese Sanktionen sind mein Ehrenabzeichen.
Der Kampf geht weiter!“, schreibt etwa der französische EU-Parlamentarier
Raphaël Glucksmann auf seinem Twitter-Account.
## Größtes China-Forschungszentrum Europas betroffen
Wie kontraproduktiv Chinas Ansatz ist, demonstriert vor allem die völlig
überraschende Sanktionierung des Mercator Institute for China Studies
(Merics) in Berlin. „Es ist das größte China-Forschungszentrum nicht nur in
Deutschland, sondern in ganz Europa“, schreibt das ultranationalistische
Parteiblatt Global Times: „Wenn dessen Beziehungen zu China abgebrochen
werden, wird sein Einfluss kritisch getroffen“.
Was wie eine Jubelmeldung klingen soll, ist doch eher ein politischer
Schuss ins Knie: Denn Merics ist eine der wenigen Institutionen, die trotz
der aufgeheizten politischen Stimmung zu differenzierten Sichtweisen und
gegenseitigem Verständnis aufrufen. Wenn der Austausch zwischen China und
dem Westen also vollständig abgeschnitten wird, wie auch immer mehr Stimmen
in den USA fordern, bleiben am Ende nur mehr die Hardliner übrig.
Pekings Vergeltung zeigt auch die unterschiedlichen Auffassungen der zwei
politischen Systeme: Zwar kritisiert auch Chinas Regierung vermeintliche
Menschenrechtsverbrechen des Westens und dessen Doppelmoral, doch würde sie
niemals Politiker hinter Washingtons Angriffskriegen oder etwa dem Lager in
Guantanamo sanktionieren.
## Innenpolitischer Machterhalt, außenpolitische Umformung
Der Volksrepublik geht es fast ausschließlich darum, sich die Einmischung
in „innere Angelegenheiten“ zu verbieten. Denn das, was die Kommunistische
Partei vor allem umtreibt, ist die eigene Machtsicherung. Das bedeutet
allerdings auch, dass sie zumindest in Teilen auf eine Umformung
demokratischer Staaten hinarbeitet: Dort nämlich, wo die öffentliche
Meinung den Herrschaftsanspruch der KP bedroht, möchte sie den Diskurs
unterbinden.
Die Global Times widmet dem sanktionierten EU-Parlamentarier Reinhard
Bütikofer (Bündnisgrüne) gar einen eigenen Artikel, der sich wie zu Zeiten
der Kulturrevolution liest. Darin wird dem deutschen Politiker und
Ex-Maoisten vorgeworfen, sein Sinologie-Studium nicht beendet zu haben,
„hinter dem Aufruhr in Hongkong“ zu stecken und von der Nato als Vorhut
gegen China eingesetzt zu werden.
Bütikofer bezeichnete das chinesische Vorgehen als „frech“ und
„lächerlich“. „Die Führung will hier demonstrieren, dass sie die
Meinungsfreiheit nicht nur im eigenen Lande unterdrücken, sondern durch
Einschüchterung auch die Europäer daran hindern will“, sagte er dem
Mannheimer Morgen.
## Peking bestellt EU-Botschafter ein
Die gegenseitige Eskalationsspirale dreht sich unterdessen weiter. Ein für
Dienstag angesetztes Treffen im Europäischen Parlament zur Diskussion des
EU-China-Investitionsabkommens wurde bereits abgesagt. Gleichzeitig hat das
Außenministerium in Peking den EU-Botschafter Nicolas Chapuis einbestellt.
An einer Aufarbeitung des Kernproblems, den Menschenrechtsverbrechen gegen
die muslimische Minderheit der Uiguren in Xinjiang, ist Chinas Regierung
nicht im Ansatz interessiert. Stattdessen wird jede Kritik grundsätzlich
als Diffamierung und Lüge abgetan.
Am Dienstag sagte Außenministeriumssprecherin Hua Chunying, die Meinung der
EU-Parlamentarier basiere auf „Lügen und Falschinformation“ und die
„unschuldigen Opfer“ – also die chinesische Regierung – habe das „Rec…
ihre eigenen Interessen und ihre Würde zu verteidigen“.
23 Mar 2021
## LINKS
[1] /EU-Sanktionen-gegen-China/!5760037
[2] /US-Umgang-mit-China/!5759444
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
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Sanktionen
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