Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bremer Buch zum italienischen Film: Pointiert, anschaulich, intelli…
> Mit seiner „Geschichte des italienischen Films“ hat der Bremer Irmbert
> Schenk eine so umfassende wie gut zu lesende Gesamtdarstellung
> geschrieben.
Bild: Ein Star nicht nur in Italien: Die Schauspielerin Sophia Loren im Jahr 19…
Bremen taz | Er ist eine Art Urgestein der [1][Bremischen Filmszene],
Spezialist des italienischen Films und hat darüber jetzt ein opulentes Buch
verfasst: Irmbert Schenk, 1941 in Stuttgart geboren, der, nach Studien in
Mailand und Lehraufträgen in Italien, 1971 gleich nach Gründung der Bremer
Uni dort als erster Professor in Deutschland Vorlesungen zur Filmgeschichte
hielt. Er tat es bis zur Rente im Jahr 2006.
Doch Schenk war nicht nur Theoretiker: 1974 war er Mitgründer des
[2][Internationalen Bremer Symposiums zum Film] und des Bremer Filmpreises.
Auch das [3][Bremer Kommunalkino] hat er mitinitiiert. Von konservativen
Bremer Kreisen, zu denen auch die SPD-nahe Bürgerzeitung gehörte, wurde er
dafür als „Umstürzler“ und „Linker Chaot“ beschimpft. Die erste von i…
programmierte Vorstellung im Cinema Ostertor war dann dem italienischen
Neorealismus gewidmet.
Mit seinem jetzt vorgelegten Buch „Geschichte des italienischen Films“ hat
er nun ein kenntnisreiches Werk verfasst, das dessen Facetten aus allen
Winkeln beleuchtet. Erotische Freizügigkeiten zum Beispiel finden nur
selten Erwähnung in filmwissenschaftlichen Publikationen. Doch in Schenks
Buch steht im „Exkurs zur Zensur“ etwa folgender Satz: „Die meisten
Zensurgründe betreffen Erotik und Sex, obwohl den Zensoren die nackten
Brüste von Clara Calamai, 1942 in „La Cena Delle Beffe“, und Sophia Loren,
1953 in „Due Notti Per Cleopatra“, merkwürdigerweise entgehen.“
Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie konkret und wissensgesättigt
Schenk über den italienischen Film zwischen den Jahren 1895 und 2019
schreibt. Dabei ist das 334 Seiten starke Werk nicht nur für
FilmwissenschaftlerInnen lesenswert. Weil Schenk darauf verzichtet, sich
auf die in diesem Forschungsgebiet sonst übliche Fachterminologie
zurückzuziehen, und sich nicht in abstrakte Filmtheorien verstrickt, ist
der Wälzer überraschend gut zu lesen.
Jedes der sieben Kapitel, in denen jeweils eine Ära behandelt wird, in der
das italienische Kino Weltgeltung erlangte, beginnt mit einem kurzen Abriss
der politischen und kulturellen Situation des Landes. Denn Schenk will
deutlich machen, aus welchen politischen und sozialen Verhältnissen sich
etwa der Neorealismus oder das international erfolgreiche italienische
Genrekino in den 1960er-Jahren entwickelt haben.
Im Anschluss beschreibt er, stets anhand konkreter Filme, die
Stilrichtungen der betreffenden Ära. Diese Filmanalysen sind so pointiert,
anschaulich und intelligent geschrieben, dass sein Buch jederzeit auch als
Nachschlagewerk dienen kann. Es gibt zwar keine Filmografie, weil diese das
Buch angesichts der vielen hundert behandelten Filme noch dicker und teurer
gemacht hätte. Anhand des Namensregisters kann man aber Filme wie Fellinis
„La Dolce Vita“, Viscontis „Morte A Venezia“ oder Sergio Leones „Per
Qualche Dollaro In Più“ durchaus zügig finden.
Schenk steht mit seinem Buch in der Tradition der filmhistorischen
Standardwerke, die etwa Jerzy Toeplitz, Georges Sadoul oder Ulrich Gregor
und Enno Patalas in den 1950er- und 1960er-Jahren geschrieben haben. Damit
scheint sein Werk etwas aus der Zeit gefallen, und man kann den Verlag nur
dafür loben, dass er solch ein aufwendiges und alles andere als kommerziell
erfolgversprechendes Projekt in Angriff genommen hat.
Aber es ist eben mehr als ein bloßes Standardwerk: Auch für FilmkennerInnen
überraschend sind zum Beispiel Kapitel über die frühen Jahre der
italienischen Filmindustrie. Denn zum einen macht Schenk deutlich, dass mit
monumentalen Stummfilmen wie „Quo Vadis“ (1912) und „Cabiria“ (1914) das
Genre der Historienschinken in Italien erfunden wurde. Auch das Starsystem
wurde nicht in Hollywood entwickelt, sondern begann schon 1911 mit dem
„Divismus“, bei dem man einen Kult um weibliche wie männliche Diven schuf.
Auch dass sich in den 1930er-Jahren der faschistische „Duce“ Benito
Mussolini in der Tradition der Forzuti genannten „Starken-Männer-Filme“ als
„Filmstar“ präsentierte, ist eine interessante, weil auch zeithistorisch
relevante Information.
Da ist es folgerichtig, dass Schenk sich besonders ausführlich dem
Neorealismus widmet, mit dem die italienischen Filmemacher das Trauma des
Faschismus bearbeiteten. Die durch diesen Boom des italienischen
Autorenkinos ermutigten Regiestars Rossellini, De Sica und Visconti, später
Fellini, Antonioni, Pasolini und Bertolucci werden in ihrer Entwicklung
vorgestellt, wobei Schenk jeden ihrer Filme auch stilistisch analysiert.
Etwas zu kurz kommt allerdings das Genrekino. Über den Italo-Western
schreibt Schenk gerade mal fünf Seiten. Bud Spencer und Terence Hill
erwähnt er in einem einzigen Satz. Und das, obwohl die beiden für eine vor
allem in Deutschland kommerziell erfolgreiche Welle des italienischen Films
stehen.
Die Don-Camillo-Filme der 1950er-Jahre kommen mit immerhin einem Absatz
etwas besser weg. Interessant ist, dass diese für das deutsche Publikum so
harmlos wirkenden Komödien in Italien politischer Sprengstoff waren. Denn
Giovannino Guareschi, Autor der literarischen Vorlagen, war strammer
Antikommunist, weshalb sich berühmte Filmemacher wie De Sica weigerten,
darin Regie zu führen.
Darüber hinaus Schenk weiß darum, dass viele Menschen – ZuschauerInnen wie
FilmwissenschaftlerInnen – den Film eher als Kunstwerk betrachten und
ausblenden, dass er auch Kulturindustrieprodukt ist. Dies versucht er am
Ende seines Buches zu korrigierten, indem er im letzten Kapitel „Rezeption
– Die Kassenerfolge“ statt ins Feuilleton auf die Kinokassen blickt und
zumindest versucht, den populären italienischen Filmen der letzten zehn
Jahre gerecht zu werden.
Wenn es einen Film gibt, der selber einen Panoramablick auf die
italienische Filmgeschichte bietet, dann ist dies übrigens „Cinema
Paradiso“ von Giuseppe Tornatore. Über keinen anderen Film schreibt Schenk
dann auch so überschwänglich. Den Filmtitel hat er – mit Fragezeichen
versehen – zum Untertitel seines Buchs gemacht.
8 Apr 2021
## LINKS
[1] /Kino-Geschichte/!5042859
[2] https://www.uni-bremen.de/film/filmkultur/filmsymposium
[3] https://www.city46.de/
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Film
Filmgeschichte
Bremen
Italien
italienisches Kino
Kino
Hollywood
Film
Ennio Morricone
Italien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Cinecittà-Göttin Sophia Loren wird 90: Mit Klischees, gegen Klischees
Die Schauspielerin Sophia Loren schaffte es meist, ihren Rollen als
weiblich-schwaches Objekt Stärke und Weisheit mitzugeben. Am Freitag wird
sie 90.
Auf den Spuren Pier Paolo Pasolinis: Ein Strand wie eine Festungsanlage
Vor über sechzig Jahren fuhr der Regisseur Pasolini die italienische Küste
ab. Filmemacher Pepe Danquart tut es ihm gleich in „Vor mir der Süden“.
Filmkomponist Ennio Morricone ist tot: Mut zur Maultrommel
Mit der Filmmusik zu „Spiel mir das Lied vom Tod“ wurde er weltberühmt. Nun
verstarb der Komponist Ennio Morricone im Alter von 91 Jahren.
Das italienische 20. Jahrhundert: Historische Rückversicherung
Italien spürt in einer Reihe von Ausstellungen seiner Vergangenheit nach.
In Florenz geht es um die Kunst der Nachkriegs-Avantgarde.
„Bella e perduta“ im Kino: Szenen tierischen Miteinanders
Im halbdokumentarischen Spielfilm „Bella e perduta – Eine Reise durch
Italien“ wird ein Büffel zur Allegorie auf das Italien von heute.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.