# taz.de -- AstraZeneca in Deutschland: Schnell prüfen und fortsetzen | |
> Es ist wichtig, das Vertrauen in den Impfstoff zu erhalten. Doch die | |
> bisherigen Fälle reichen nicht, um AstraZeneca aus dem Verkehr zu ziehen. | |
Bild: Ein positives Image des AstraZeneca-Wirkstoffs sollte aufrecht erhalten w… | |
BERLIN taz | Die Art des [1][Problems mit dem AstraZeneca-Impfstoff] bringt | |
die Entscheider*innen in der Politik in Bedrängnis – und zwar gerade, | |
weil die Lage unklar ist. Die mögliche Nebenwirkung – eine | |
Hirnvenenthrombose – ist so selten, dass auch eine Fortführung der | |
Impfungen gerechtfertigt wäre. Sie ist andererseits aber auch hinreichend | |
häufig, um sie nicht ignorieren zu können. Gerade wenn die Mitarbeit der | |
Bevölkerung mittelfristig am wichtigsten ist, kann die politische Führung | |
es sich nicht leisten, Vertrauen zu verspielen. | |
[2][Ein Impfstopp] tut daher vermutlich auch viel Gutes. Es signalisiert, | |
dass Impfen kein Selbstzweck ist und der Gesundheitsschutz im Vordergrund | |
steht. [3][Dem Image des AstraZeneca-Wirkstoffs] nützt es zudem nichts, | |
einfach gegen vorhandene Zweifel anzuimpfen. Sie müssen bewertet und wenn | |
möglich ausgeräumt werden. | |
Andererseits bedeutet ein Monat Verzögerung auch einen Verlust von | |
Menschenleben und eine entsprechende Verlängerung der Lockdown-Folgen. | |
Leider wird sich die Unklarheit jedoch kaum in einem so kurzen Zeitrahmen | |
beseitigen lassen. Die Venenthrombose ist mit rund 1.000 Fällen pro Jahr | |
auf eine Million Einwohner*innen eine häufige Kreislauferkrankung. Sie | |
kommt jedoch normalerweise nur sehr selten in der Hirnvene vor. Der | |
Zusammenhang von Ursache und Wirkung ist aber gerade in der Medizin nur | |
schwer greifbar. | |
Statistiker*innen hadern seit dem Anbruch des wissenschaftlichen | |
Zeitalters damit, Zufälle von echten Wirkungen zu unterscheiden. Der | |
Goldstandard ist hier das kontrollierte, klug angelegte Experiment. | |
Physiker*innen haben es hier einfacher als Mediziner – es lassen sich | |
meist recht einfach eindeutige Laborbedingungen herstellen. Doch ein | |
Phänomen, das überhaupt nur in 0,001 Prozent der Testpersonen auftritt, | |
lässt sich kaum fassen. In freier Wildbahn treten viele Störfaktoren auf. | |
## AstraZeneca-Impfungen sollten fortgeführt werden | |
Auch Covid-19 löst Gerinnungsstörungen aus. Haben sich die Betroffenen | |
vielleicht im zeitlichen Umfeld der Impfung infiziert? Den genauen | |
Mechanismus zu entschlüsseln, mit dem der Vektor-Impfstoff ein | |
Blutgerinnsel ausgerechnet in der Hirnvene auslösen soll, erfordert | |
Detektivarbeit und kann Jahre dauern. | |
Dennoch: Die Impfungen gegen die Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts | |
(PEI) fortzuführen, hätte für Jens Spahn schon sehr gute Nerven erfordert. | |
Schließlich wollen wir den Expert*innen am PEI auch dann glauben, wenn | |
sie versichern, ein Impfstoff sei sicher. Wenn die gleichen Expert*innen | |
vorsichtshalber zu einer Aussetzung raten, sollten wir das ebenso ernst | |
nehmen. Doch selbst wenn sich ein Zusammenhang nachweisen ließe – wäre das | |
ein Grund, auf den Impfstoff von AstraZeneca zu verzichten? Vermutlich | |
nicht. | |
Die Impfung ist ohnehin freiwillig. Bei den auftretenden Fallzahlen gilt | |
ein Impfstoff mit diesen Eigenschaften immer noch als sicher. Wenn die | |
Impflinge gewarnt sind, können die Ärzt*innen auf Symptome einer | |
Thrombose schnell mit Blutverdünnern reagieren. In früheren Jahrzehnten lag | |
die Messlatte für die Akzeptanz eines Impfstoffs sogar noch deutlich | |
niedriger. Der Pockenimpfstoff, mit dem von 1967 bis 1977 praktisch die | |
gesamte Weltbevölkerung geimpft wurde, hatte bei bis zu 50 von einer | |
Million Geimpften lebensbedrohliche Folgen wie Gehirnhautentzündung. | |
Auch die einst gebräuchliche Schluckimpfung gegen Kinderlähmung hat in | |
einem von einer Million Fällen die Krankheit ausgelöst, die sie eigentlich | |
verhindern sollte. Heute würden diese Impfstoffe vermutlich keine Zulassung | |
mehr erhalten, damals galt das Risiko als akzeptabel. Die Ansprüche sind | |
heute zu Recht höher. Doch auch nach der derzeit gebräuchlichen | |
Grippeimpfung werden Blutgerinnsel beobachtet. Sie scheint zudem eine | |
seltene Entzündung der Nervenwurzeln zu begünstigen, das | |
Guillain-Barré-Syndrom. Es tritt nach Angaben des PEI bei sechs von einer | |
Million Geimpften auf. Das entspricht von der Größenordnung her der | |
Häufigkeit, mit der jetzt in Deutschland die Blutgerinnsel nach der | |
AstraZeneca-Impfung beobachtet wurden. | |
Solche Wahrscheinlichkeiten sind für den Einzelnen als Risiko nicht | |
relevant. Die Annahme liegt also nahe, dass die Verwendung des Impfstoffs | |
auf jeden Fall fortgesetzt wird – egal, ob es einen Zusammenhang gibt oder | |
nicht. Alles andere wäre auch ein Desaster für die Pandemiebekämpfung. | |
16 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Finn Mayer-Kuckuk | |
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