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# taz.de -- Doku über Heimat: Nichts ohne Leberwurst
> König Bansah von Ghana arbeitet in Ludwigshafen als Automechaniker. Seine
> Tochter ist in Deutschland geboren und aufgewachsen.
Bild: In der deutschen Provinz: Die Regierungsgeschäfte erledigt König Bansah…
Okay, Meghan und Harry sind lieber nach Kalifornien gegangen. Aber davon
abgesehen, scheint sich Deutschland als Aufenthaltsort bei Royals großer
Beliebtheit zu erfreuen. Man denke nur an den [1][thailändischen König mit
seiner Bayern-Obsession]. Und ganz besonders beliebt scheint Deutschland
offenbar bei ghanaischen Royals zu sein.
Ein Blick in die Presse: Gerade am Samstag in der Süddeutschen Zeitung ein
ganzseitiges Interview mit der (in Deutschland geborenen und
aufgewachsenen) Königsenkelin Nana Oforiatta-Ayim. Und dann die Artikel
über die Hamburgerin Cornelia, die Sauerländerin Bettina, die Kölnerin
Sonja: alle Königinnen in Ghana. Und das ist die Erklärung: in Ghana, nicht
von Ghana.
Es gibt da nicht einen König, sondern einige. Und das wiederum hat ganz
wesentlich mit der willkürlichen, auf Ethnien und deren Verbreitung keine
Rücksicht nehmenden Grenzziehung durch die europäischen Kolonialherren zu
tun. So lebt etwa das Volk der Ewe sowohl in Ghana als auch im benachbarten
Togo.
Man sieht das buchstäblich in dem Film „König Bansah und seine Tochter“,
wenn der in Deutschland lebende Ewe-König gemeinsam mit seiner biodeutschen
Frau und seiner in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Tochter von
einem westafrikanischen Land in das andere fährt, zu den Wurzeln seines
Volks, und die Kolonialpolitik und deren Folgen beklagt. Insgesamt beklagt
er sich aber wenig. Dass das nicht allein auf sein verbindliches Wesen
zurückzuführen, sondern auch Strategie ist, räumt er ein, nennt es
„Chamäleon spielen“.
## Es nicht jedem recht machen
Die Regierungsgeschäfte erledigt er nach Feierabend am Handy. Im Haupt-,
nein, im Brotberuf ist er Automechaniker in Ludwigshafen-Mundenheim. Da
steht er im Blaumann in der eigenen Werkstatt. Da hängt an der Wand hinter
ihm ein Porträtfoto, das ihn im vollen Königsornat zeigt, mit viel
Goldschmuck – rechts und links davon hängen seine beiden Meisterbriefe. Und
ganz links, ebenfalls gerahmt, die „Wir sind Papst!“-Titelseite der
Bild-Zeitung. „Wenn ich nach Ghana fliege … Ohne Leberwurst geht gar nix!�…
sagt er verbindlich lachend in die Kamera, während er die Wurstdosen in
seinen Koffer packt.
Die erste Hälfte des Films von Agnes Lisa Wegner begleitet ihn in
Ludwigshafen, die zweite nach Ghana und Togo, das er meint, wenn er
„Zuhause“ sagt. Wo seine erwachsene Tochter seit neun Jahren nicht gewesen
ist. Wo sie, wenn es nach ihrem Bruder geht („Wir müssen mal ’n bisschen
was ändern jetzt. Es ist jetzt einfach Zeit für ’ne Königin“) eines Tages
die Nachfolge ihres 70-jährigen Vaters antreten soll.
Dem Vorgartenidyll mit sorgfältig gestutztem Rasen und der deutlich
kurpfälzisch eingefärbten Sprache nach könnten seine Kinder deutscher kaum
sein. „Ich bin Katharina“, sagt sie: „Ich bin halb deutsch. [2][Ich gehör
nicht dazu. Das ist dann halt das, was du spürst]. Obwohl du hier
aufgewachsen bist mit allem: Deutsche Weinstraße, Helmut Kohl, alles…
Leberwurst… was dazugehört!“ Mit ihrer Hautfarbe fällt sie in Ghana genau…
auf wie in Deutschland.
In Ghana erfährt sie und erfahren wir Zuschauer: König sein heißt, mit
Ansprüchen konfrontiert zu sein. Die Sorgen und Bitten der Untertanen sind
vor allem materieller Natur. „König Bansah, ich weiß noch! Du hast
versprochen, dass du unserem Verein nächstes Jahr einen neuen Bus kaufen
wirst. Wir glauben fest daran“, erinnert ihn ein Mann. Ein anderer benötigt
Werkzeug für seine Werkstatt. Eine Frau bittet ihn, ihr einen Kühlschrank
aus Deutschland zu schicken, eine weitere fragt nach dem Schulgeld für
ihren Neffen.
Der König, der schon eine Brücke gebaut (damit nie wieder ein Kind auf
seinem Schulweg einem Krokodil zum Opfer fällt) und neue Brunnen hat bohren
lassen, sagt nie: „Nein.“ Bansah ist ein Royal, der die Last der
Verantwortung auf seinen Schultern spürt – und bereit ist, sie zu tragen.
Und den Rassismus in Deutschland – den er so nicht nennt – zu ertragen.
Seine Tochter sagt, sie habe eine andere Persönlichkeit, sie müsse es nicht
jedem recht machen.
Beide sagen es auch mit den T-Shirts, die sie tragen. Er: Anton aus Tirol.
Sie: Neneh Cherry.
28 Mar 2021
## LINKS
[1] /Thailands-Monarch-in-Bayern/!5675208
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## AUTOREN
Jens Müller
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Schwerpunkt Rassismus
Familie
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Ghana
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