| # taz.de -- Israels Premier Benjamin Netanjahu: Der Zauberer | |
| > Korruptionsvorwürfe, wachsende Armut, ein gespaltenes Land: Vieles | |
| > spricht gegen „Bibi“. Doch von vielen Israelis wird er angehimmelt. Wie | |
| > schafft er das? | |
| Beim ersten Mal habe ich mich noch gewundert, als mir ein Mann auf der | |
| Straße erklärte, warum er trotz allem zu Benjamin „Bibi“ Netanjahu halte. | |
| Als er mir vom tiefen Staat erzählte, von dem Putschversuch der Justiz, der | |
| Medien, der Polizei und der Linken. Die alle an einem Strang zögen, um sich | |
| eines unschuldigen Mannes zu entledigen – „nicht irgendeines Mannes“, sag… | |
| er: „Sondern Bibi, den Retter der Nation, den Beschützer des jüdischen | |
| Volkes, den größten Staatsmann der Welt.“ Der Gerichtsprozess gegen ihn sei | |
| eine widerliche Hexenjagd, fuhr er fort, und hörte nicht auf Netanjahu zu | |
| lobpreisen, bis sich zehn Minuten später am Zentralen Omnibusbahnhof von | |
| Tel Aviv unsere Wege trennten. | |
| Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass man sie überall antrifft, | |
| die Bibi-Fans, die trotz aller Skandale, Schlappen und Vorwürfe zu ihm | |
| halten. Dass der nette Besitzer des Schuhladens in der Allenby-Straße im | |
| Zentrum genauso wie jeder, aber auch wirklich jeder Taxifahrer, mit dem ich | |
| in Israel ins Gespräch gekommen bin, weiterhin Bibi wählt. | |
| Bibi, das ist der Mann, der in drei Korruptionsfällen [1][vor Gericht] | |
| steht, die vergangenen drei Male an einer Regierungsbildung gescheitert ist | |
| und derzeit möglicherweise ein viertes Mal scheitert. Der das Land als | |
| Ministerpräsident lenkt, das wochenlang die Tabelle der weltweit höchsten | |
| [2][Coronavirus-Infektionszahlen] angeführt hat, das sich in einer tiefen | |
| wirtschaftlichen Krise befindet – eine Zeitlang war von 1 Million | |
| Arbeitslosen bei 9 Millionen Einwohner*innen die Rede – wogegen seit | |
| fast einem Jahr Tausende und Zehntausende wöchentlich protestieren und | |
| seinen Rücktritt fordern. | |
| Doch ist Benjamin Netanjahu mit seinem Likud-Bündnis auch bei den Wahlen in | |
| der vergangenen Woche wieder zur [3][stärksten Kraft] gewählt worden. Unter | |
| seiner Regierung wurde Israel zum Impf-Weltmeister. Wie ist der israelische | |
| Regierungschef zu dem geworden, was er ist? Und wie kommt es, dass ihm | |
| trotz allem so viele Israelis treu sind? | |
| Seine Beliebtheit bei einem großen Teil der Israelis und der leichte | |
| Zugang, den er zu den Herzen seiner Wähler*innen hat, die vor allem aus | |
| unteren sozialen Schichten kommen, ist nicht ohne die Geschichte seines | |
| Vaters zu verstehen. | |
| ## Benzion Netanjahu, der Vater und Außenseiter | |
| Benzion Netanjahu, der in Warschau geboren als Zehnjähriger mit seiner | |
| Familie nach Palästina emigrierte, wurde dort als Historiker zwar Teil der | |
| intellektuellen Oberschicht, doch ihm, der zeitlebens ultrarechte | |
| Positionen vertrat, blieb in dem 1949 gegründeten Staat Israel eine | |
| akademische und politische Karriere verschlossen. Die damalige Elite wurde | |
| von Mapai, der Arbeitspartei, kontrolliert. Menschen mit rechter Ideologie | |
| blieb der Zugang zu den höchsten Kreisen verwehrt. Trotz seines | |
| intellektuellen Kapitals: Benzion Netanjahu blieb in dem jungen Staat ein | |
| Außenseiter. | |
| Die Wut seines Vaters auf dieses Außenseiterdasein, das glauben jedenfalls | |
| viele von Netanjahus Gegner*innen, treibt seinen Sohn Netanjahu noch heute | |
| an. Doch nicht nur das: Es gelingt dem 71-Jährigen Benjamin Netanjahu immer | |
| wieder, die Wut derer anzufachen, die sich auch heute von diesem Staat | |
| benachteiligt sehen. Er erreicht so Teile der Misrachim, also der aus den | |
| arabischen Ländern stammenden Jüdinnen und Juden, die in den 1950er und | |
| 1960er Jahren nach Israel einwanderten und denen damals bei ihrer Ankunft | |
| das Gefühl vermittelt wurde, der europäischen Elite, den Aschkenasim, | |
| untergeordnet zu sein. Netanjahu knüpft an diese Wut an, die genauso späte | |
| Einwanderer aus der Sowjetunion gefühlt haben mögen und nicht zuletzt auch | |
| an die der religiösen Ultraorthodoxen, die ohnehin Probleme mit dem | |
| Narrativ des zionistischen Staates haben. | |
| Sie alle, die den Eindruck gewonnen haben, vom Staat benachteiligt zu | |
| werden, stimmen nun ein in Netanjahus Ressentiments gegen die Eliten. | |
| „Dass das Land seit langer Zeit vom Likud regiert wird, dass Netanjahu | |
| selber zur aschkenasischen Elite gehört, dass seine Wählerschaft aufgrund | |
| seiner neoliberalen Politik verarmt ist, dass er darauf angewiesen ist, | |
| dass sie arm bleiben, weil sonst seine Politik nicht funktioniert würde – | |
| all das scheint seine Wähler nicht zu stören“, erklärt [4][Gayil Talshir]. | |
| Die Politikprofessorin an der Hebräischen Universität Jerusalem hat gerade | |
| ein Buch über den Ministerpräsidenten abgeschlossen. | |
| „Ist er nicht mehr an der Macht, hört Israel auf zu existieren“, mit dieser | |
| Erzählung ist Netanjahu nach Meinung von Talshir so mächtig geworden. So | |
| sehen es auch die Netanjahu-Unterstützer*innen. Ohne Bibi ist alles nichts. | |
| Wie konnte er zu dieser Figur werden? | |
| ## Der Bruder Yoni, in Entebbe getötet, ein Held | |
| Bei dem Versuch einer Antwort kommt man nicht an Yoni vorbei, Benjamin | |
| Netanjahus Bruder, der 1976 bei der legendären [5][Geiselbefreiung in | |
| Entebbe] in Uganda ums Leben gekommen ist. Für den heutigen Regierungschef | |
| war sein Tod ein schwerer Schlag, er soll seinem Bruder Yoni in seiner | |
| Kindheit und Jugend sehr nahe gestanden haben. Doch vielleicht wäre | |
| Benjamin Netanjahu Manager eine Möbelfirma in den USA geblieben, wenn der | |
| Tod Yonis ihm nicht dazu verholfen hätte, eine neue Legende aufzubauen. | |
| In der militärisch geprägten israelischen Gesellschaft ist es mit einem | |
| Ehrenstatus verbunden, einen Gefallenen in der Familie zu haben. Yoni war | |
| nicht irgendein Gefallener, er war als Kommandant der wichtigsten | |
| israelischen Eliteeinheit Sajeret Matkal in deren vielleicht bekanntester | |
| Operation gestorben. 1977 kommt der Film „Operation Thunderbolt“ in die | |
| Kinos. Die Familie Netanjahu wird Teil eines internationalen Blockbusters. | |
| Es entwickeln sich die ersten Schritte von Benjamin Netanjahu in die | |
| Öffentlichkeit. | |
| Punkten kann Netanjahu auch mit seiner Nähe zur Supermacht USA, dem | |
| wichtigsten Verbündeten Israels, und nicht zuletzt seinem geschliffenen | |
| Englisch. Geprägt vom des Außenseiterleben von Netanjahus Vater Benzion in | |
| Israel hatte die Familie in den Vereinigten Staaten ihr Glück versucht. Der | |
| 1949 geborene Benjamin wuchs in beiden Ländern auf, in den USA und in | |
| Israel. Nachdem er seinen Militärdienst in Israel absolviert hatte, kehrte | |
| er zum Studium in die USA zurück. Er war ein exzellenter Student. | |
| ## Karriereschritte in den USA | |
| Kurz nach seinem Einsatz im Jom-Kippur-Krieg von 1973, der den Ruf Israels | |
| international in Bedrängnis brachte, begann Netanjahu, sich an der | |
| Universität in Massachussetts in der Vereinigung israelischer Studenten zu | |
| engagieren. Zehn Jahre später, 1984, wurde er Israels Botschafter bei den | |
| Vereinten Nationen in New York. | |
| In seiner Zeit in Amerika, als Student und als Botschafter, knüpfte er die | |
| Kontakte, die ihm später so wichtig geworden sind, etwa zu Mitt Romney oder | |
| Fred Trump. Die enge Beziehung zu dessen Sohn Donald, dem ehemaligen | |
| Präsidenten der USA, haben die Anerkennung unter seinen Bewunder*innen | |
| und sein Image des Staatsmanns noch weiter erhöht. | |
| Und Benjamin Netanjahu erwies sich als weitsichtig: Sein 1986 | |
| veröffentlichtes Buch „Terrorism: How the West can win“ brachte viele Jahre | |
| vor dem 9/11-Anschlag in New York und Washington,. D. C., das Thema auf den | |
| Tisch. Es etablierte ihn in Israel, wo Sicherheit das Thema Nummer eins | |
| ist, als Sicherheitsexperten. | |
| Als Netanjahu 1988 aus den USA nach Israel zurückkehrt und für den Likud | |
| als Abgeordneter in die Knesset einzieht, hat er neoliberale Ideen im | |
| Gepäck, die er einige Jahre später, von 1996 bis 1999, als | |
| Ministerpräsident umsetzen wird. Als Vertreter von Marktwirtschaft und | |
| Privatisierung sinkt unter seiner Führung die hohe Inflationsrate | |
| beträchtlich. 1999 wird Netanjahu bei den Wahlen von [6][Ehud Barak] | |
| geschlagen und hält sich anschließend politisch zurück – auch wegen einiger | |
| Skandale und Korruptionsvorwürfe. | |
| Doch 2003 steigt er unter Ariel Scharon als Finanzminister wieder in die | |
| Politik ein. Seitdem ist Benjamin Netanjahu in den Augen der Rechten | |
| derjenige, der Israel seinen fulminanten ökonomischen Aufschwung beschert | |
| hat. Er kürzt die Sozialausgaben und reduziert die Beteiligung des Staats | |
| an Unternehmen. Die Arbeitslosigkeit verringert sich, ausländische | |
| Investitionen kehren zurück. Der IT-Bereich boomt. Dass gleichzeitig auch | |
| die Schere zwischen Reich und Arm so groß geworden ist wie nie zuvor in der | |
| Geschichte Israels, steht auf einem anderen Blatt. | |
| ## Die bösen Gerüchte um Sara | |
| Will man Netanjahu verstehen, so sagen es zumindest seine Gegner*innen, | |
| muss man [7][Netanjahus Ehefrau Sara] mit ins Bild bringen. Die 62-Jährige | |
| kontrolliere das Haus – und das Land, so behaupten sie. Gerüchten zufolge | |
| soll es gar einen Vertrag zwischen den Eheleuten geben, der Sara ein | |
| Vetorecht bei der Ernennung von wichtigen Staatsämtern einräumt, etwa bei | |
| der Ernennung des Chefs des Mossads. Sie soll bei hochgeheimen | |
| Besprechungen dabei gewesen sein. Man munkelt, sie habe etwas in der Hand, | |
| mit dem sie ihren Ehemann zu Fall bringen könnte. | |
| Sara Netanjahus Anwesenheit bei geheimen Versammlungen und andere | |
| Merkwürdigkeiten rund um die Ernennung des letzten Mossad-Chefs lassen es | |
| möglich erscheinen, dass solch ein Vertrag tatsächlich existieren könnte. | |
| Sara, so lautet die Erzählung, bringe Benjamin in Bedrängnis und habe ihn | |
| gleichzeitig fest in der Hand. Zudem fällt die Gattin regelmäßig mit | |
| Aussetzern gegenüber ihren Hausangestellten und ihrem luxuriösen Lebensstil | |
| auf Staatskosten auf. | |
| Und doch: Keinem gelingt es wie Benjamin Netanjahu, sich über alle Skandale | |
| und Skandälchen zu erheben. 1993 hätte ihn die Affäre um ein angeblich | |
| existierendes Tonband, das Netanjahu als untreuen Ehemann zeigen soll, | |
| beinahe den Sieg bei den Vorwahlen des Likud um den Posten des Vorsitzenden | |
| gekostet. Ein anonymer Anrufer forderte damals von Netanjahu, aus dem | |
| Likud-Rennen auszusteigen, sonst würde das Band veröffentlicht. | |
| Netanjahu erklärte sich zu einem Exklusivinterview bereit, um seine | |
| Perspektive darzulegen. Zahlreiche Berater*innen rieten davon ab. Doch | |
| der bedrängte Netanjahu ging ins Studio und drehte kurzerhand den Spieß um. | |
| Aus sich, dem untreuen Ehemann, machte er das Opfer in einer „nationalen | |
| Krise“. Als die Moderatoren ihn fragen, wie seine Frau reagiert habe, sagte | |
| er: „Wenn wir diesem Phänomen nicht jetzt begegnen, von seinen Wurzeln her, | |
| werde ich nur der Erste sein“, und fuhr fort: „Hier geht es nicht um | |
| Benjamin Netanjahu, sondern um die Natur der israelischen Demokratie. Wenn | |
| es erst einmal begonnen hat, wird sich das Krebsgeschwür in unserer | |
| Gesellschaft ausbreiten.“ | |
| Gelernt hat er seine glänzenden Medienauftritte bei der berühmten | |
| Kommunikationsberater Lilyan Wilder, die schon Oprah Winfrey und George W. | |
| Bush coachte. Keiner erreicht seine Zuhörer*innen so wie Netanjahu. Er | |
| dribbelt mit Fußballfans in Stadien und beweist seine Volksnähe an | |
| Imbissbuden, wo er gekonnt mit der Pita den Hummus aufwischt – dies aber | |
| stets, ohne dabei seine Amtswürde zu verlieren. | |
| Darin sieht die Netanjahu-Expertin Gayil Talshir auch einen der Gründe für | |
| seinen großen Erfolg: „Der größte Unterschied zwischen Netanjahu und | |
| anderen Politikern ist“, sagt Talshir: „dass er sich von seinem ersten Tag | |
| in der Öffentlichkeit an als öffentliche Figur entworfen hat.“ | |
| Manche Israelis bezeichnen den Regierungschef als größten Staatsmann der | |
| Welt, der sich für Israel aufopfert; andere nennen ihn einen korrupten | |
| Verbrecher und Egomanen – und einen Zauberer, der es wie kein Zweiter | |
| versteht, sich aus jeder Bedrängnis zu befreien. Und dabei noch ein | |
| unverschämtes Glück habe. Talshir aber glaubt nicht an Glück. „Er weiß | |
| einfach, wie er die Realität für sich nutzen kann.“ | |
| ## Die Kunst des Verschwindens und Wiederauftauchens | |
| Dazu zählt, wie er durch geschicktes Verschwinden und Wiederauftauchen die | |
| Wahrnehmung lenkt. Auf dem Höhepunkt der Proteste gegen ihn, als | |
| Zehntausende mehrmals wöchentlich lautstark seinen Rücktritt fordern, duckt | |
| Netanjahu sich weg. Als die Corona-Infektionszahlen in die Höhe schnellen | |
| und der Ärger wegen des Missmanagements der Krise immer größer wird, kommt | |
| kein Wort von ihm. Keine der von ihm so heiß geliebten Fernsehansprachen. | |
| Kein Ton aus seiner Residenz in der Balfour-Straße in Jerusalem. | |
| Netanjahu taucht erst dann wieder wie eine Lichtfigur aus der Dunkelheit | |
| hervor, als die Rettung naht: die Impfkampagne. Seitdem wird er nicht müde | |
| zu behaupten, dass er persönlich mit zahllosen Anrufen bei Pfizer-Chef | |
| Albert Bourla dafür gesorgt hat, dass Israel als erstes Land der Welt seine | |
| Bevölkerung nahezu [8][komplett geimpft] hat. Rechtzeitig zu der Wahl | |
| sinken die Pandemie-Zahlen auf beeindruckende Art und Weise. | |
| Fußballstadien, Cafés und Schwimmbäder können gerade noch geöffnet werden. | |
| Benjamin Netanjahu versteht es eben wie kein anderer, günstige Umstände zu | |
| nutzen und sie auf seinem Konto zu verbuchen. | |
| Selbst den Frieden, wenn auch nicht den mit den Palästinenser*innen, hat | |
| der Falke dem Friedenslager abgeluchst. Netanjahu beginnt seine erste | |
| Amtszeit als Ministerpräsident 1996 als erklärter Gegner des Osloer | |
| Friedensprozesses. Im Oktober 1995 füllt eine Massendemonstration | |
| zahlreiche Straßen rund um Jerusalems Zion-Platz. Netanjahu wettert gegen | |
| den Friedensprozess. Die Demonstrant*innen jubeln ihm entgegen und | |
| skandieren „Rabin den Tod“. Auf ihren Bannern sieht man den damaligen | |
| Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin in Nazi-Uniform. | |
| Kurz danach, im November 1995 wird Rabin von einem jüdischen Extremisten | |
| erschossen. Kritiker*innen werfen Netanjahu vor, die gespannte | |
| Atmosphäre im Land noch angeheizt zu haben. | |
| Doch nun, 25 Jahre später, schreibt sich eben dieser Netanjahu den Frieden | |
| auf seine Fahnen. Mit den Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten | |
| Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko, ausgehandelt von Donald Trump, | |
| hat Netanjahu seine eigene Version von Frieden etabliert. Die lässt zwar | |
| die Palästinenser*innen außen vor, aber sie macht es doch selbst | |
| seinen schärfsten Kritiker*innen schwer, diesen Prozess auf einfach | |
| verständliche Weise zu kritisieren. | |
| Ohnehin tut sich die Linke seit der ersten und zweiten Intifada in den | |
| Palästinensergebieten zwischen 1987 und 2005 schwer damit, eine für | |
| Wähler*innen überzeugende Erzählung zu kreieren. Netanjahu macht es | |
| ihnen nicht leichter. Es gebe keinen Partner für Frieden, so lautet | |
| Netanjahus Mantra, dem sich selbst viele aus dem Mitte-Links-Lager nicht | |
| entziehen können. | |
| In den Neunziger Jahren hat Netanjahu, angeregt von seinem Berater Arthur | |
| J. Finkelstein, eine Erzählung konstruiert, um Linke und Liberale zu | |
| delegitimieren. Und zwar, so erklärt es Gayil Talshir, indem er die | |
| Doppelbezeichnung von Israel als „jüdisch-demokratisch“ zu einem jüdischen | |
| Staat verkürzt. Damit habe er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen | |
| können: Er hat die Ultraorthodoxen mit im Boot und kann im gleichen Atemzug | |
| die linken Kräfte als antijüdisch und verräterisch brandmarken. | |
| ## Die Gefahr droht von seinen Widersachern | |
| Benjamin Netanjahu gilt als ein Machtmensch, ein Opportunist, der seine | |
| Hand zu denen ausstreckt, die er gerade braucht. Doch er wird von seinen | |
| vielen Gegnern auch als ein skrupelloser Spalter und Lügner dargestellt. | |
| Und genau dies könnte ihn letztendlich zu Fall bringen. Denn unter seinen | |
| Widersachern befinden sich ja nicht nur Linke und Liberale, sondern auch | |
| eine lange Reihe von einstigen Verbündeten, die er im Laufe seiner Karriere | |
| ausgetrickst und erniedrigt hat: Avigdor Lieberman, Gideon Sa’ar, Yair | |
| Lapid und Benny Gantz sind nur einige von ihnen. Um weiter regieren zu | |
| können, ist er nun auf die Hilfe zumindest von einigen von ihnen | |
| angewiesen. | |
| Am Tag nach den Wahlen bin ich wieder mit dem Taxi gefahren. Was er von den | |
| Wahlen halte, habe ich den Fahrer gefragt. Er sei Likudnik, hat der | |
| geantwortet, aber von Bibi halte er nichts: „Bibi, go home!“ Wen er dann | |
| gewählt habe? Er war verwundert über meine Frage. „Likud“, antwortete er | |
| und zuckte mit den Schultern, als sei die Antwort klar. | |
| Es scheint, das Land komme nicht mehr wirklich mit seinem Zauberer zurecht. | |
| Aber ganz von ihm los kommt es auch noch nicht. | |
| 30 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Netanjahu-sieht-sich-schuldlos/!5746644/ | |
| [2] /Corona-in-Israel/!5709600 | |
| [3] /Israel-vor-schwieriger-Regierungsbildung/!5761544 | |
| [4] https://en.politics.huji.ac.il/people/gayil-talshir | |
| [5] https://www.dw.com/de/gedenken-an-geiselbefreiung-in-entebbe/a-19377563 | |
| [6] /Kommentar-Ehud-Barak/!5078615 | |
| [7] /Israels-Premier-vor-dem-Staatsanwalt/!5630799 | |
| [8] /Israel-nach-dem-Lockdown/!5754807 | |
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| Judith Poppe | |
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