# taz.de -- Heinrich-Böll-Stiftung in Sarajevo: Die, die keine Konflikte scheut | |
> Marion Kraske verlässt den Posten als Leiterin der Böll-Stiftung in | |
> Sarajevo. Sie hinterlässt Spuren wie nur wenige in internationalen | |
> Organisationen. | |
Bild: Marion Kraske war als Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Sarajevo fa… | |
SARAJEVO taz | „Mit denen werde ich mich doch nicht anlegen“ ist eine | |
Position, die internationale Diplomaten in Sarajevo seit Jahren hinter | |
vorgehaltener Hand äußern. Mit „denen“ meinen sie die Ethno-Nationalisten, | |
die im Namen „ihrer“ Nation nicht zögern, auch Gewalt gegen ihre Gegner | |
auszuüben. Diplomaten scheuen sich, Konflikte einzugehen, die ihrer | |
Karriere schaden könnten, sie neigen dazu, ihre Zeit möglichst geräusch- | |
und konfliktlos über die Bühne zu bringen, obwohl sie in Bosnien über | |
erheblichen Einfluss verfügen. | |
Nicht so Marion Kraske. Sie war als Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in | |
Sarajevo fast sechs Jahre vor Ort. Diese Position ist zwar im Konzert der | |
Diplomaten nicht besonders machtvoll, aber die 51-jährige Journalistin hat | |
wie nur wenige Akteure der internationalen Organisationen in dieser Stadt | |
und der Region nie den Konflikt gescheut. Die Autorin, Feministin und | |
Umweltaktivistin war auch für Albanien, und Nordmazedonien zuständig. | |
So engagierte sie sich in der Organisation der von allen | |
Religionsgemeinschaften bekämpften LGBT-Gruppen, bei der Unterstützung von | |
Frauenprojekten und Umweltinitiativen, bei der Hilfe für eine sehr populäre | |
Luftverschmutzungs-App (in Sarajevo „[1][eko akcija“]), sie analysierte die | |
politischen Verhältnisse und ging stets in die kritische Diskussion mit | |
Diplomaten und Journalisten. | |
Die in Iserlohn geborene Kraske verfügt über bosnisch-kroatische Wurzeln – | |
ihre Mutter stammt aus der zentralbosnischen Region um Kreševo. Es ist ihr | |
deutlich anzumerken, dass sie nationalistische Positionen einfach nicht | |
ertragen kann. Weil der bosnisch-kroatische Nationalistenführer Dragan | |
Covic und der starke Mann des serbischen Teilstaates Milorad Dodik die | |
ethnische Aufspaltung der Gesellschaft immer weiter vorantreiben wollen, | |
forderte sie vor allem von der EU und auch von Deutschland vehement | |
Konsequenzen. | |
## Bürgerbewegungen bedauern ihren Abgang | |
Ihr Vorwurf, dass die EU nicht in der Lage sei, europäische Grundwerte | |
gegenüber den Ethnonationalisten in Bosnien und Herzegowina zu verteidigen, | |
hat jene Diplomaten, die lieber mit den Nationalisten kungeln, durchaus | |
verstört. Akteure der nichtnationalistischen Parteien und Bürgerbewegungen | |
dagegen bedauern ihren Abgang. | |
Ihre Position ist über ihre Ausbildung und ihre Kenntnisse über | |
Südosteuropa schon vor ihrem Engagement in Sarajevo gereift. Sie studierte | |
in den frühen 90er-Jahren in Münster Politikwissenschaften und Slawistik. | |
Sie ging in den Journalismus, arbeitete zuerst von 1995 bis 1997 bei der | |
Deutschen Presseagentur. Als Redakteurin war sie von 1997 bis 2000 bei der | |
ARD-Tagesschau, um dann zum Spiegel zu wechseln, erst online, dann ab 2005 | |
als Redaktionsvertretung des Blattes in Wien mit Schwerpunkt | |
Südosteuropa-Berichterstattung. | |
2006 heiratete sie ihren Mann Björn in Südafrika. Sie gründeten eine | |
Familie, Kraske gebar ihre Tochter, das Paar adoptierte einen Jungen aus | |
Russland. Nun hat die Politikwissenschaftlerin Sarajevo schweren Herzens | |
verlassen – wegen der schulischen Ausbildung der Kinder zog sie zurück nach | |
Deutschland und lebt jetzt in der Umgebung Hamburgs. Aber sicher ist: Als | |
menschenrechtlich geprägte Balkanexpertin wird weiterhin von ihr zu hören | |
sein. | |
17 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Achtung-Atmen-gefaehrdet-Ihre-Gesundheit-Frische-Luft-gibts-nur-bei-den-Re… | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Heinrich-Böll-Stiftung | |
Bosnien und Herzegowina | |
Sarajevo | |
Bosnien-Herzegowina | |
Bosnien und Herzegowina | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Bosnien und Herzegowina | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sarajevos neue Bürgermeisterin: Ein neues Gesicht | |
Die 30-jährige Sozialdemokratin Benjamina Karić steht für ein junges, | |
weibliches und multiethnisches Sarajevo. Das hilft auch ihrer Partei. | |
Corona-Impfungen in Bosnien: Zahlen steigen, die Leute warten | |
In Bosnien und Herzegowina steht der Start der Impfkampagne noch bevor. | |
Trotzdem sind Cafés, Restaurants und Skipisten geöffnet. | |
Reformen in Bosnien und Herzegowina: Neuer Anlauf | |
Deutschland und die USA wollen den Balkanstaat wieder auf die politische | |
Agenda setzen. Das heißt auch mehr Macht für den Hohen Repräsentanten. | |
Geflüchtete in Bosnien: Ein Leben im Elend von Bihać | |
Der Afghane Mohamad Khan sitzt seit 16 Monaten fest. Das Camp, wo er lebte, | |
ist abgebrannt. Die Grenzer lassen ihn nicht nach Europa. |