| # taz.de -- Nur keine Kreativität verschwenden: Die schlechteste Hausfrau und … | |
| > Ich stelle mir Gemüse vor und denke: Ja. Ich stelle mir vor, es | |
| > zuzubereiten, zu schälen, Töpfe hervorzuholen … Nein, denke ich, keinen | |
| > Bock. | |
| Bild: Kochen muss man auch erst mal mögen | |
| Ich schreibe wieder einen Roman. Meinen dritten. Es fühlt sich so leicht | |
| und selbstverständlich an, dass ich denke, vielleicht kann man | |
| Romanschreiben tatsächlich auch lernen. Wie Fahrradfahren oder Kochen. | |
| Im Moment koche ich gar nicht. Nicht mal am Wochenende. Etwas hemmt mich. | |
| Ich stehe in der Küche vorm Kühlschrank. Ich habe Hunger. Ich öffne den | |
| Kühlschrank und betrachte Joghurt, Butter, Käse, Möhren, Porree, Pastinake, | |
| Paprika. Ich stelle mir das Gemüse gekocht vor, gedünstet und denke: Ja. | |
| Ich stelle mir vor, es zuzubereiten, zu schälen, klein zu schneiden, Töpfe | |
| und Pfannen hervorzuholen … Nein, denke ich, keinen Bock, und schließe den | |
| Kühlschrank wieder. Ich betrachte das Fingermal-Kunstwerk, das mit Magnet | |
| an den Kühlschrank gepinnt ist. Gelbes Geschmiere auf lila Bastelkarton. | |
| „Ein Daschenk“ meines Sohns zum Frauentag. Weil man es gibt und sagt: „Da! | |
| Schenk!“ | |
| ## Ätzendes Wort: Kreativität | |
| Ich will nicht kochen, um meine Kreativität nicht zu verschwenden. Ätzendes | |
| Wort: Kreativität. Als würde ich irgendwas aus mir selbst erschaffen. Ich | |
| sehe mich als Sieb, durch das die Eindrücke durchgestampft werden, um auf | |
| der anderen Seite als Text rauszukommen. Ich bin ein Gebrauchsgegenstand | |
| mit begrenztem Gebrauchswert. Wenn ich jetzt koche, mache ich heute nichts | |
| anderes mehr. Belohnungssystem, Amygdala, ihr wisst schon: Der Teil vom | |
| Gehirn, der anspringt, wenn man Sex hat. Oder Candy Crush spielt. | |
| Meine Freundin Jacinta Nandi hat ein neues Buch geschrieben. Es heißt „Die | |
| schlechteste Hausfrau der Welt“. Es ist wahnsinnig komisch und tut beim | |
| Lesen weh. | |
| Jacinta sieht die Welt von unten. Das hat nicht viel mit ihrer Körpergröße | |
| zu tun, sondern mit ihrer Herkunft (East-London, indische Wurzeln) und mit | |
| dem Scheiß, den die Autorin und zweifache Mutter schon so durch hat. | |
| Von Jacinta habe ich den Satz gelernt: „Alle meine Geschichten sind zu 300 | |
| Prozent autobiografisch.“ Die ganze Wahrheit, aber dreimal so geil. Geniale | |
| Definition von Literatur. | |
| ## Von unten eben | |
| Jacinta schreibt über dieselben Dinge wie wir alle. Frauenrechte und | |
| Self-care und Mental Load und weeß icke. Aber sie tut es ohne | |
| Selbstmitleid, mit einem Auge english working class. Von unten eben. | |
| „Ich liebe Baby Leos Kita, ich mag es, dass sie so altmodisch und groß und | |
| DDR-mäßig ist, genau wie ich Shoppingcenter und Ärztehäuser und | |
| Kettenrestaurants Boutiquen und Einzelarztpraxen und Geheimtippimbissen | |
| vorziehe. Ich finde, Intimität ist für weiße Deutsche; wenn du eine | |
| nichtweiße Ausländerin bist, willst du verloren gehen in der Menge, du | |
| kriegst sowieso nie guten Service, es ist also besser, du kannst ein | |
| bisschen Anonymität genießen. Mein großer Sohn geht sogar zu einem | |
| Kettenzahnarzt!“ | |
| Man fühlt sich pausenlos ertappt, wenn man ihr zuhört. Jacinta führt mir | |
| meine Privilegiertheit vor Augen. Sogar mehrfach, wenn ich folgende Passage | |
| lese: | |
| „MITHELFEN: 1) ein sexistischer Begriff, denn warum HELFEN Männer MIT, wo | |
| sie doch auch in diesem Haushalt wohnen? 2) eine unrealistische | |
| Sexfantasie, die nie in einer heterosexuellen Beziehung stattfinden wird – | |
| es ist wahrscheinlicher, dass man stirbt, wiederbelebt wird, nochmal | |
| stirbt, wieder wiederbelebt wird, auf dem Weg nach Hause ein Lottoticket | |
| kauft und, wow!, im Lotto gewinnt, von einem Blitz getroffen wird, auch | |
| diesmal nicht stirbt, sondern für drei Monate ins Koma fällt, auf dem Weg | |
| nach Hause August Diehl trifft und ihm 3 Millionen Euro zahlt, um dein | |
| Sexsklave zu sein, ALS DASS MAN EINEN MANN FINDET, DER GERNE IM HAUSHALT | |
| MITHILFT!“ | |
| Es ist voll krass, aber ich hab so einen. Der macht tatsächlich die Hälfte. | |
| Wenn nicht sogar mehr. 13 Jahre sind wir zusammen, seit 12 Jahren habe ich | |
| keinen Staubsauger mehr angefasst. Da hat der Mann noch nicht mal hier | |
| gewohnt! Es war ihm einfach zu dreckig in meiner Wohnung. | |
| ## Kind und Haushalt | |
| Manchmal werde ich gefragt, wie ich das hingekriegt habe, mit dem letzten | |
| Roman mit Baby; und ich glaube, die Leute erwarten dann so mütterliche | |
| Superheldinnengeschichten. Aber das stimmt nicht. Mein Mann hat geholfen. | |
| Er hat ein Jahr Elternzeit genommen und sich Vollzeit um das Kind und den | |
| Haushalt gekümmert, während meine Schreibblockade und ich hinter | |
| verschlossener Tür im Arbeitszimmer saßen. | |
| „Ich habe einen Job, meine Frau hat eine Karriere“, hat er mal zu jemandem | |
| gesagt. Ich hab kurz gebraucht, um zu merken, dass er über mich redet. | |
| Ja, ich weiß, ich hab echt Glück. Und diesen Sonntag hat das Glück | |
| Geburtstag. Happy birthday, my love! | |
| (Ich hab Essen bestellt, was sonst? Indisch natürlich, für Jacinta, ich | |
| kolonialistische superior bitch.) | |
| 13 Mar 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Lea Streisand | |
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