# taz.de -- Filme im Stream: Sachen schaffen noch kein Zuhause | |
> In Nanni Morettis und Petri Luukkainens Filmen wird das Private | |
> politisch. Das National Film Center in Tokyo zeigt Animes aus den | |
> 30er-Jahren. | |
Bild: Filmischer Selbstversuch: „My Stuff – Was brauchst Du wirklich?“ (2… | |
Der italienische Regisseur [1][Nanni Moretti] hat in seinen Filmen das | |
Private, das Berufliche und die Politik stets zusammengedacht. Ein wenig | |
heitere Selbstbespiegelung steckt darin, aber auch viel ernste | |
Selbstbefragung. Das Drama „[2][Mia madre]“ (2015) ist von den Erfahrungen | |
mit dem Tod seiner eigenen Mutter inspiriert, als Alter Ego dient ihm dabei | |
die Regisseurin Margherita (Margherita Buy), die gerade mit den | |
Dreharbeiten zu einem neuen politischen Film beschäftigt ist. | |
Doch die laufen gerade ebenso aus dem Ruder wie ihr Privatleben, in dem vor | |
allem ein Ereignis herausragt: Ihre herzkranke Mutter ist ins Krankenhaus | |
gekommen und wird es nicht mehr lebend verlassen. Moretti schickt | |
Margherita in ein sorgsam verwobenes Geflecht aus Realität, Träumen, | |
Fantasien und Erinnerungen, aus denen sich immer wieder dieselbe Frage | |
herauskristallisiert: Habe ich mir genügend Zeit genommen und mich genügend | |
gekümmert? „Mia madre“ verdeutlicht eindringlich das Gefühl des Verlustes | |
von Gewissheiten, das letztlich nur mit den Gedanken an die Zukunft | |
verscheucht werden kann (Stream bei Chili: [3][www.chili.com]). | |
## Es geht auch ohne | |
Wie so viele Menschen fragt sich auch der finnische Filmemacher Petri | |
Luukkainen, was ihn glücklich macht. Könnte es etwas von den vielen | |
materiellen Dingen sein, die er besitzt? Petri wagt den in „[4][My Stuff – | |
Was brauchst Du wirklich?]“ (2013) dokumentierten Selbstversuch: Er lagert | |
all seine Habseligkeiten ein und verspricht sich und der Welt, ein Jahr | |
lang pro Tag nur jeweils einen Gegenstand wieder zurückzuholen. | |
Schon nach ein paar Tagen holt Petri tatsächlich nur noch alle paar Tage | |
irgendwelche Sachen: Offenbar kann man ganz gut ohne materielle Dinge | |
klarkommen. Dafür treten nun zwischenmenschliche Aspekte in Gestalt einer | |
neuen Freundin in den Mittelpunkt, welche die Antworten auf die eingangs | |
formulierte Frage geben. | |
Dazu hätte es allerdings nicht unbedingt eines Experiments bedurft, sondern | |
nur den Gesprächen mit seiner lebensklugen Oma: „Sachen schaffen noch kein | |
Zuhause. Das muss woanders herkommen.“(Stream bei Joyn plus: | |
[5][www.joyn.de]). | |
Ein persönliches Steckenpferd von mir sind japanische Trickfilme. Wer sich | |
jenseits aktueller Animes für die Anfänge dieser Kunst interessiert, ist | |
auf einer glücklicherweise auf Englisch einsehbaren Seite des National Film | |
Archive of Japan an der richtigen (Web-)Adresse: „[6][Japanese Animated | |
Classics]“ zeigt Filme aus der Sammlung des National Film Center, Tokyo – | |
überwiegend aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. | |
Interessant ist dabei vor allem, wie sehr manche Filme ihren amerikanischen | |
Gegenstücken aus den 20ern ähneln – ein Stop-Motion-Werk um den Kater Felix | |
(der auch tatsächlich so heißt) hätte in heutiger Zeit wohl so einige | |
Rechtsanwälte beschäftigt. | |
## Legenden, Fabeln, Propaganda | |
Doch es gibt thematisch auch andere Ansätze wie Legenden, Fabeln oder | |
Propaganda für das aggressive Kaiserreich, sowie abstrakte Filme von | |
Shigeji Ogino, die mit ihren bewegten geometrischen Formen der deutschen | |
Avantgarde der Zeit ähnelt (Streams: [7][www.animation.filmarchives.jp]). | |
25 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Tragikomoedie-Mia-Madre/!5249794 | |
[2] https://de.chili.com/content/mia-madre-2015/c14d954e-b921-48f8-9060-28ee114… | |
[3] https://de.chili.com/content/mia-madre-2015/c14d954e-b921-48f8-9060-28ee114… | |
[4] https://www.joyn.de/filme/my-stuff-was-brauchst-du-wirklich | |
[5] https://www.joyn.de/filme/my-stuff-was-brauchst-du-wirklich | |
[6] https://animation.filmarchives.jp/en/index.html | |
[7] https://animation.filmarchives.jp/en/index.html | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kolumne Frisch gesichtet | |
Filmrezension | |
taz Plan | |
taz Plan | |
Tempelhof-Schöneberg | |
taz Plan | |
taz Plan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Filme im Stream: Der andere Blick | |
Unser Autor empfiehlt Kenneth Branaghs düstere Version von „Henry V.“ und | |
Olivier Meyrous' „Celebration“ über das Verschwinden eines Star-Schneiders. | |
Filme im Stream: Das Original ist besser | |
Unser Autor empfielt die Vorlage des Remakes „Vanilla Sky“ und Lustiges | |
gegen Langeweile: Adam McKays Komödie „Ricky Bobby – König der Rennfahrer… | |
Kino in Friedenau: Fantasy im Cosima | |
Das alte Kino sollte geschlossen, sein Betreiber vor die Tür gesetzt | |
werden. Die SPD ist empört, doch dann wird klar: Die Geschichte ist ganz | |
anders. | |
Filmtipps der Woche: Bildkomplexe Dokus | |
Die University of Arizona stellt mit dem AIFG ein neues Filmarchiv zu | |
Native American Life online. Eine Doku zu Max Beckmann folgt dem Maler ins | |
Exil. | |
Deutschsprachige Exilfilme: Aus der Ferne zurück geschaut | |
Eines von drei Highlights der Woche: Die Retrospektive „Der andere Wiener | |
Film“ präsentiert Exilproduktionen jüdischer Filmschaffender 1934-1936. | |
Tragikomödie „Mia Madre“: Abschied von der Mutter | |
Nanni Moretti zeigt in „Mia Madre“ eine Regisseurin zwischen bedrückenden | |
Krankenhausbesuchen und grotesken Dreharbeiten. |