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# taz.de -- Manga über japanische Heimkinder: Die Starkids und der alte Sunny
> Taiyo Matsumoto hat mit „Sunny“ eine außergewöhnliche Manga-Reihe
> geschaffen. Die Serie erzählt einfühlsam vom Leben japanischer Kinder in
> Heimen.
Bild: Die Farbe steigert das melancholische Grundgefühl: Taiyo Matsumotos „S…
Wer traurig ist, darf in den Sunny. Und die Sternkinder aus dem Kinderheim
sind regelmäßig traurig. Sie alle suchen von Zeit zu Zeit Zuflucht in dem
alten Nissan-Pkw Sunny, der auf dem Gelände des Kinderheims steht. Taiyo
Matsumos „Sunny“ ist eine ganz außergewöhnliche Manga-Serie. Wer nicht
häufig [1][Mangas] liest und sie nur als kunterbunte Erzeugnisse in
Bahnhofsbuchhandlungen kennt, der wird von Stil und Inhalt dieses Mangas
überrascht sein. „Sunny“ ist erzählerisch wie visuell sehr anspruchsvoll
umgesetzt.
Matsumo folgt in seiner Erzählung den Geschichten von Kindern, die nicht im
eigentlichen Sinne verwaist sind. Ihre Eltern sind keineswegs verstorben.
Sie haben sich vielmehr von ihren Kindern getrennt. Sie sind überfordert,
verarmt oder alkoholabhängig. Die Eltern tragen ihr Päckchen, und die
Kinder werden ihnen zur untragbaren Last.
Mit ihren traumatischen Erfahrungen gehen die Kinder auf sehr
unterschiedliche Weise um. Matsumos „Sunny-Bände“ – zwei sind bereits auf
Deutsch erschienen, Band 3 folgt im Sommer – stellen eine Sammlung von
Episoden rund um die Sternkinder dar; in jeder der Geschichten steht ein
anderes Kind im Fokus. Die Kinder unterscheiden sich nicht nur deutlich
psychologisch, jeder hat auch charakteristische Marotten und visuelle
Marker.
## Die Mutter kam nie wieder
Junsuke hat eine ewige Rotznase und hasst es, seine Nägel zu schneiden
(seine langen Nägel und sein buschiges Haar erinnern ein wenig an Bob
Dylan). Sei, der kleine Junge mit der großen schwarzen Kastenbrille, ist
traurig und fatalistisch. Seine Mutter hat ihn vor Jahren im Kinderheim
abgegeben mit dem Versprechen, ihn bald wieder abzuholen. Sie kam nie
wieder.
Kenji ist ein fast erwachsener junger Mann, dessen Vater schwer
alkoholabhängig ist. Er betrachtet ihn mit einer Mischung aus Mitleid und
Verachtung. Die vorlaute Kiko flüchtet sich in eine Fantasiewelt, mal ist
sie das Opfer des bösen Wolfs, mal spielt sie die Möglichkeiten der Dame
von Welt durch. Und im Sunny darf jeder sein, was er will.
Das Pflegeheim der Kinder und Jugendlichen ist ein Ort mit festen
Strukturen und Regeln. Die Erzieher sind bemüht, aber natürlich können sie
den fundamentalen Vertrauensverlust in die Welt nicht ausgleichen. Wie
biologische Geschwister zanken sich auch die Sternkinder untereinander.
## Sanfte Komik
Und trotzdem gibt es Momente überraschender Solidarität. Beispielsweise
wenn die ansonsten eher brave Megumu Kiko mit einer Notlüge beispringt, als
eine ihrer Geschichten als Lüge enttarnt zu werden droht. Erstaunlich ist
nicht nur die psychologische Tiefe der Figurenzeichnung oder die Art, wie
es Matsumoto gelingt, Geschichten zwischen sanfter Komik und ausgeprägter
Melancholie zu erzählen. Auch Matsumotos grafischer Stil ist kraftvoll und
subtil zugleich.
Einige Szenen sind in ruppigen Tuschestrichen gehalten. Dann wieder taucht
verdünnte Tusche die ganze Szenerie in ein weiches Sfumato. Eingestreut
sind einige farbige Darstellungen, in den dominierenden Farben Ocker und
Braun mit eingelegtem Gelb und Orangetönen wirken sie keineswegs fröhlich,
sondern steigern das melancholische Grundgefühl noch einmal.
Und auch haptisch sind die Bände der deutschen Ausgabe ein Ereignis, der
dicke Cover-Karton und das glatte feste Papier der Seiten unterstützen auf
sensorischer Ebene den visuellen Eindruck.
## Mehr als ein klassischer Manga
Der Schutzumschlag kennzeichnet Sunny als Graphic Novel. Sunny basiert zwar
auf dem klassischen Manga-Lesemuster – für europäische Augen also von
hinten nach vorne, von rechts oben nach unten links –, aber er
überschreitet sichtlich die Grenzen der klassischen Manga-Form.
Autor Taiyo Matsumoto übrigens wuchs selbst in einem Kinderheim auf. Sunny
ist der gelungene Versuch, das biografisch Erlebte künstlerisch zu
verarbeiten.
10 Mar 2021
## LINKS
[1] /Japanischer-Comic-Grossmeister/!5686863
## AUTOREN
Marlen Hobrack
## TAGS
Comic
Manga
Graphic Novel
Heimkinder
Japan
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