# taz.de -- Übergangsregierung für Libyen: Per Votum raus aus dem Krieg | |
> An einem geheimen Schweizer Ort versuchen die libyschen Kriegsparteien, | |
> eine Übergangsregierung zu wählen. Darauf folgen soll eine richtige Wahl. | |
Bild: Die Kandidaten – und eine Kandidatin – stellen sich den Delegierten d… | |
TUNIS taz/dpa | Ein von den Vereinten Nationen (UN) in die Schweiz | |
geladenes „Forum für politischen Dialog“ soll Libyen kurz vor dem | |
[1][zehnten Jahrestag des Aufstands gegen Muammar al-Gaddafi] Frieden | |
bringen. Vertreter der libyschen Kriegsparteien versuchen seit Montag, eine | |
Übergangsregierung zu wählen. Stephanie Williams, Leiterin der UN-Mission | |
für Libyen (Unsmil), hatte Ende Januar eine [2][Namensliste] vorgestellt, | |
über die nun an einem unbekannten Ort bei Genf abgestimmt wird. | |
Die neue Übergangsregierung soll aus einem dreiköpfigen Präsidialrat und | |
einem Ministerpräsidenten bestehen. Bei einer ersten Abstimmung am Dienstag | |
erhielt kein Kandidat für den Präsidialrat das nötige Quorum von 70 | |
Prozent. Am Freitag wollen die 75 aus Zivilgesellschaft, Politik und von | |
Milizen ausgewählten Wahlfrauen und -männer den Premierminister wählen. | |
Der Schritt soll das Bürgerkriegsland auf die für den 24. Dezember | |
geplanten Neuwahlen vorbereiten. Bevor die dann gewählte Regierung ihre | |
vierjährige Amtszeit antritt, soll zudem über eine neue Verfassung | |
abgestimmt werden. Sollte der Plan der Unsmil-Diplomaten aufgehen, hätte | |
Libyen erstmals seit 2011 eine verfassungsgemäße Regierung. | |
Unter Leitung der Unsmil-Mission hatten in den letzten Monaten in Tunis und | |
Kairo mehrere Treffen von Personen aus Politik und Zivilgesellschaft | |
stattgefunden, die sich laut Williams auf „den bestmöglichen Kompromiss“ | |
geeinigt haben. Die Kandidaten für die Übergangsregierung stellen sich bis | |
Freitag per Videoschalte vor. Die 75 libyschen Forumsteilnehmer waren von | |
der Libyen-Mission nach regionalem Proporz ausgewählt worden. | |
Das Fundament für den möglichen Durchbruch wurde vor einem Jahr in Berlin | |
gelegt. Auf einer Libyenkonferenz hatten sich die internationalen Partner | |
der Kriegsparteien [3][auf 55 Punkte geeinigt], die bisher allerdings nicht | |
eingehalten wurden – etwa ein Waffenembargo gegen das Land. | |
## West- und Ostlibyen vereinen | |
Auf das Dreierpräsidium und den Regierungschef warten kaum lösbare | |
Aufgaben: Sie müssen das tief gespaltene Land wieder zusammenführen. | |
Ministerien, Zentralbank und die nationale Ölgesellschaft sind in östliche | |
und westliche Fraktionen gespalten. Dutzende konkurrierende westlibysche | |
Milizen müssen mit der ostlibyschen Armee unter Chalifa Haftar vereint oder | |
von einer friedlichen Koexistenz überzeugt werden. Doch sowohl Haftar als | |
auch das Milizenkartell in der Hauptstadt Tripolis verdienen mit der | |
Kontrolle von Banken und der indirekten Kontrolle zahlreicher staatlicher | |
Firmen am jetzigen Chaos mit. | |
Für einen Posten im Präsidialrat treten 24 Kandidaten an, darunter der | |
Präsident des Abgeordnetenhauses im Osten, Aguila Saleh, und der Chef des | |
Obersten Staatsrats der Regierung in Tripolis, Khaled al-Meschri. Auch der | |
oberste Richter von Libyen, Mohammed al-Hafi, will im Rat sitzen. | |
Ministerpräsident wollen unter anderem der Innenminister in Tripolis, | |
Fathi Baschaga, und der Vize-Ministerpräsident der Regierung dort, Ahmed | |
Meitig, werden. Insgesamt gibt es 21 Kandidaten für das Amt. | |
Weder Haftar noch der Chef der Regierung in Tripolis, Fajis al-Sarradsch, | |
tauchen auf der Genfer Kandidatenliste auf, denn alle jetzigen Bewerber | |
dürfen bei der Wahl der ersten verfassungsgemäßen Regierung im Dezember | |
nicht mehr antreten. | |
Ein Unsicherheitsfaktor bleibt die Präsenz von bis zu 20.000 ausländischen | |
Söldnern in Libyen, die nicht – wie im November in Tunis beschlossen – am | |
23. Januar abgezogen wurden. Unsmil-Chefin Williams ließ sich bisher aber | |
nicht von ihrem Weg abbringen. | |
Nach Aussagen von Konferenzteilnehmern ist es der ehemaligen | |
US-Botschafterin in Libyen zu verdanken, dass ein Waffenstillstand hält und | |
Libyen erstmals seit 2014 wieder eine Chance auf Frieden hat. Williams | |
wirbt für den Fall des Gelingens der Genfer Gespräche für eine europäische | |
Beteiligung an einer Überwachungsmission des Waffenstillstands. | |
3 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Zehn-Jahre-Arabischer-Fruehling/!5737510 | |
[2] https://unsmil.unmissions.org/unsmil-announces-list-candidates-presidency-c… | |
[3] /Libyen-Konferenz-in-Berlin/!5657669 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Libyenkrieg | |
Libyen | |
Chalifa Haftar | |
Libyen | |
Schwerpunkt Libyenkrieg | |
Zehn Jahre Arabischer Frühling | |
Ägypten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Europa und der Friedensprozess in Libyen: Viele Stolpersteine | |
Die Kriegsparteien in Libyen haben sich auf eine Übergangsregierung | |
geeinigt. Ob ein Friedensprozess gelingt, hängt auch von den Europäern ab. | |
Abdul Dbaiba wird Premierminister: Regierung für Libyen gewählt | |
Ein Jahr nach der Berliner Libyen-Konferenz ist der Krieg beendet. In Genf | |
wurde auf dem „Dialog Forum“ eine Einheitsregierung gewählt. | |
Experte über EU und arabische Staaten: „Europa braucht Hard Power“ | |
Mehr europäisches Militär? Daran kommt nicht vorbei, wer die Lehren aus dem | |
Arabischen Frühling ernst nimmt, meint Asiem El Difraoui. | |
Zehn Jahre Arabischer Frühling: Ins Rollen gekommen | |
Im arabischen Raum sind Autokraten und Herrschereliten unter Druck geraten. | |
Viele stürzten, andere bekämpften die Bevölkerung. Ein Überblick. |