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# taz.de -- Report zum Wert der Biodiversität: Ka-tsching, Planet!
> Eine britische Studie beziffert Natur und deren Zerstörung mit einer
> Preisliste. Das ist eine absurde kapitalistische Logik – aber vielleicht
> zweckmäßig.
Bild: Viel mehr als ein Pflanzen bestäubender Wirtschaftsfaktor: Die Honigbiene
„Wir alle sind Vermögensverwalter.“ Das steht in einem aktuellen
Biodiversitätsbericht der Universität Cambridge. Das Vermögen, so die Idee,
sei die Vielfalt des Lebens auf dem Planeten. Und wir sind die Sparfüchse.
Oder sollten uns als solche begreifen. Eine ziemlich kapitalistische
Herangehensweise an den Naturschutz, die der Autor der Studie, der
renommierte Ökonom Partha Dasgupta, da verfolgt.
Der Bericht wurde von dem britischen Finanzministerium beauftragt, das
erklärt das Ganze vielleicht. Dieser sogenannte [1][Dasgupta-Report] ist am
Dienstag erschienen und fordert einen wirtschaftlichen Paradigmenwechsel,
um den Ökokollaps zu verhindern – und dafür berechnet er den „Geldwert“…
Natur. [2][Ist das nicht absurd?]
„Wir sind vollkommen abhängig von der natürlichen Welt“, schreibt der
berühmte Naturforscher und Dokumentarfilmer David Attenborough im Vorwort
des Berichts. Und auch Prinz Charles und Premier Boris Johnson sparten
nicht mit Superlativaussagen. „Die Regeneration der Natur ist keine
Luxusoption, sondern eine Notwendigkeit für unser Überleben“, sagte der
Thronfolger des Vereinigten Königreichs.
Nach Dasguptas Berechnungen stecken die Staaten der Welt jedes Jahr rund
500 Milliarden US-Dollar in naturzerstörende Dinge wie fossile Kraftstoffe,
Fischerei oder Düngemittel. Dadurch entstünden, wenn man die ökologischen
Folgen mit einkalkuliert, Schäden im Wert von 4 bis 6 Billionen US-Dollar.
Für Naturschutz hingegen flössen jährlich nur 78 bis 143 Milliarden Dollar,
also lediglich 0,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
## Immer weniger „Naturkapital“
In der Bilanz gehen Gewinne also zulasten des langfristigen Werts der
Natur: Zwischen 1992 und 2014 habe sich das „Naturkapital“ um 40 Prozent
reduziert. So einfach kann Wirtschaft sein. Diese Idee, die Natur
wirtschaftlich zu quantifizieren, ist nicht neu. Und erst einmal ist es ja
einleuchtend: Wir sollten mehr in unsere Umwelt investieren.
Langfristig, so das Argument, lohnt sich die Zerstörung unserer
Lebensgrundlage eben auch ökonomisch nicht. Dasgupta fordert, das
Bruttosozialprodukt als Indikator für Wirtschaftserfolg abzuschaffen –
zugunsten einer ökologischen Bilanz mit ehrlich verzeichneten ökologischen
Kosten, [3][verbindlichen Zielen für Investitionen in Ökosysteme] und
vielem mehr.
Aber geht man nicht einem alten Trick des Kapitalismus auf den Leim, wenn
man allem seine Logik aufdrückt? Die Vielfalt des Lebens auf der Erde ist
so endlos komplex, dass es anmaßend ist, es in Geldsummen auszudrücken –
diese Kategorie ergibt bei über Jahrmillionen entstandenen Ökosystemen,
Arten und ihrer genetischen Diversität keinen Sinn.
## Grundproblem Kapitalismus
Das Grundproblem bleibt das kapitalistische Verhältnis zur Natur selbst.
Wir sind nicht nur abhängig von, sondern Teil der Natur. Das steht zwar
auch im Report, aber der Dualismus bleibt weitgehend: Hier der
zerstörerische Mensch, dort vermeintlich unberührte Natur. Ein
technokratischer Blick, der globale Zusammenhänge ausblendet –
beispielsweise Klassen- und Geschlechterverhältnisse und koloniale
Ungerechtigkeit.
Heraus kommen also auch bei Dasgupta teils Lösungsansätze, die den Status
quo kaum hinterfragen: Präzisionslandwirtschaft, Gentechnik. Dabei müsste
man die Wirtschaft als ökologische Angelegenheit begreifen, nicht
andersherum. Und doch: Die Denkanstöße sind richtig. Die politischen
Impulse des Reports sollten – da sich der Kapitalismus bis 2030 wohl kaum
erledigt haben wird – in den [4][laufenden Verhandlungen für ein neues
internationales Biodiversitätsabkommen] unbedingt aufgegriffen werden.
3 Feb 2021
## LINKS
[1] https://www.gov.uk/government/publications/final-report-the-economics-of-bi…
[2] /Studie-zum-Artensterben/!5699465
[3] /Schutz-der-biologischen-Vielfalt/!5742712
[4] /Abgesagtes-Jahr-der-Biodiversitaet/!5677431
## AUTOREN
Andrew Müller
## TAGS
Biodiversität
Kapitalismus
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