# taz.de -- ZDF-Mehrteiler „Tod von Freunden“: Idylle über Bord | |
> Der Mehrteiler „Tod von Freunden“ erzählt spannungsreich, wie eine | |
> deutsche und eine dänische Familie nach einem Segelunfall zu zerbrechen | |
> drohen. | |
Bild: Tragisches Ereignis: Jakob Jensen (Thure Lindhardt, r.) rettet Karl Küst… | |
Nachts fährt auf hoher See ein Segelboot. Von dieser Luftaufnahme aus ein | |
Schnitt zu einer unter Wasser gedrehten Einstellung, in der ein | |
menschlicher Körper ins Meer fällt und versinkt. Mit dieser kurzen Sequenz | |
beginnen alle acht Folgen der ZDF-Serie „Tod von Freunden“. Denn mit diesem | |
Sturz verändert sich alles für die zwei Familien, von denen der Regisseur | |
und Drehbuchautor Friedemann Fromm hier erzählt. | |
Mit Kjell, dem Sohn von Sabine und Bernd, geht auch die Utopie über Bord, | |
die diese acht Menschen bis dahin gelebt haben. Zwei Ehepaare mit jeweils | |
zwei halbwüchsigen Kindern haben sich auf einer kleinen Insel in der Ostsee | |
eine Idylle geschaffen. Zwei von ihnen wollen sich dort als Künstlerin und | |
Künstler verwirklichen: Sabine als Tänzerin und Jakob als Maler. Bernd und | |
Charlie verdienen das nötige Geld mit ihrem Architektenbüro auf dem | |
Festland. Ihre Kinder Cecile, Emile, Karl und Kjell sind zweisprachig in | |
dieser paradiesischen Isolation aufgewachsen. | |
Doch dann hat das dänische Paar Jakob und Charlie mit den vier Jugendlichen | |
einen nächtlichen Segeltörn gemacht. Sabine und Bernd hatten ihnen ihre | |
Kinder anvertraut, und was dann passierte, bleibt lange ein Rätsel. Alle | |
machen sich selber und den anderen Vorwürfe und die Situation entwickelt | |
sich noch dramatischer, weil Kjells Bruder Karl Autist ist und am meisten | |
unter dem Unfrieden leidet, der sich schleichend unter den | |
Bewohner*innen der Insel ausbreitet. | |
In acht jeweils einstündigen Episoden lotet Friedemann Fromm die Tiefen | |
seiner acht Protagonist*innen aus. Und um ihnen allen gerecht zu | |
werden, steht jede und jeder von ihnen im Mittelpunkt einer ganzen Folge. | |
Dabei erzählt Fromm jeweils weitgehend, aber nicht ausschließlich aus ihrer | |
Perspektive. Es werden auch Szenen gezeigt, in denen die jeweiligen | |
Handlungsträger*innen selber nicht anwesend sind und von denen sie | |
auch nicht wissen können. | |
Dies ist also keine Neuinterpretation des japanischen Spielfilms | |
„Rashomon“, des Klassikers des multiperspektivischen Erzählens. Hier wie | |
dort wiederholen sich viele Szenen in den verschiedenen Episoden und der | |
Kameramann Ralf Noack hat sie jeweils in anderen Bildern aufgenommen, die | |
dem Gemütszustand der Hauptfigur entsprechen. Doch das Familiendrama | |
fächert sich mit der Zeit in verschiedene Facetten auf und es gibt einen | |
dramaturgischen Hauptstrang, der chronologisch erzählt wird: Beim Anfang | |
jeder Episode geht es erst zwei Schritte zurück und dann wieder drei | |
Schritte nach vorne. | |
Das ist spannend inszeniert und mit jeder Episode beginnt auch ein neuer | |
Erzählstrang, durch den das Familiendrama noch komplexer und tragischer | |
wird. Die Jugendlichen sind in Drogengeschichten verwickelt, die beiden | |
Brotverdiener*innen sind so erfolgreich mit ihren Entwürfen, dass sie | |
in New York Karriere machen können und wollen. Und ein plötzlich | |
aufgetauchter Bruder von Jakob rührt an dunkle Geheimnisse aus der | |
gemeinsamen Vergangenheit der vier Freund*innen, die sie mit Schüssen auf | |
einen Polizisten in Deutschland in Verbindung bringen. Aber Fromm | |
verzettelt sich nicht in diesen vielen Nebengeschichten und so bleibt immer | |
die Kernfrage im Fokus: Was ist mit Kjell passiert? | |
Friedemann Fromm ist selber leidenschaftlicher Segler und macht mit seinen | |
Kindern und deren Freund*innen oft Segelausflüge auf der Ostsee. Da liegt | |
das „Was wäre wenn?“ nah, das ihn zu seinem Drehbuch inspiriert hat. Und | |
weil er sich in beide Rollen so gut einfühlen kann – in jenen, der für die | |
Kinder anderer verantwortlich ist, wie auch in jenen, der sich um seine | |
Kinder sorgt –, wirken die Konflikte, die er die Figuren durchleiden lässt, | |
immer nachvollziehbar und glaubwürdig. | |
Auf einer anderen Ebene erzählt er hier aber auch von dem dänisch-deutschen | |
Verhältnis an der gemeinsamen Grenze, das er ein „Paradebeispiel für | |
europäische Versöhnung“ nennt. Lange war diese Grenze offen und die | |
dänische Minderheit in Schleswig-Holstein war perfekt integriert. Doch dann | |
veränderte die sogenannte Flüchtlingskrise alles und sehr schnell gab es | |
wieder Kontrollen an der Grenze. | |
Der Spannungsbogen der immerhin acht Stunden langen Serie hält auch deshalb | |
so lange, weil Regisseur Friedemann Fromm deren Mikrokosmos sehr | |
authentisch und vital gestaltet hat. Das Leben auf der Insel stellt er | |
detailreich und ohne Klischees dar. Gedreht wurde auf einer der | |
Ochseninseln in der Flensburger Förde, die kurz nach den Dreharbeiten | |
renaturiert wurde, sodass dort die alten verlassenen Gebäude, Bootsanleger | |
und andere Anlagen genutzt und umgebaut werden konnten. Und die | |
Darsteller*innen mussten zum Teil hart trainieren, um glaubhaft die | |
Tätigkeiten auszuüben, durch die ihre Figuren definiert werden. | |
So hat Katharina Schüttler, die in der Rolle der Sabine als Choreografin | |
arbeitet, für diese Rolle professionell tanzen gelernt. Und Jan Josef | |
Liefers, der als Bernd ein Kajakpoloteam trainiert, musste so gut mit dem | |
Kajak umgehen können, dass er vor der Kamera in einer ungeschnittenen | |
Einstellung eine Eskimorolle machen konnte, er also auf der einen Seite | |
unter- und auf der anderen wieder auftauchte. | |
Für die Rolle des autistischen Karl hat der damals 15-jährige Anton Petzold | |
sich durch Gespräche mit einer Therapeutin vorbereitet, und er konnte viele | |
Gesten und Zwangshandlungen bei einem autistischen Freund abschauen. Das | |
dänische Paar spielen die bekannten dänischen Filmstars Lene Maria | |
Christensen und Thure Lindhardt. Und natürlich wurde zweisprachig gedreht. | |
Wer da mit wem jeweils deutsch oder dänisch spricht, wann zwischen den | |
Sprachen gewechselt wird und warum es etwa auf eine Frage in der einen | |
Sprache eine Antwort in der anderen gibt, wurde von Fromm präzise | |
inszeniert, so bekommt die Serie eine subtile zusätzliche Dimension. | |
Doch Fernsehredakteur*innen hassen Untertitel, und so wird die Serie | |
vom ZDF im linearen Fernsehen in Doppelfolgen an vier Sonntagen in einer | |
platt-synchronisierten Fassung gesendet. In der ZDF-Mediathek sind dann | |
alle acht Folgen in den Originalversionen zu sehen. All jene, die es | |
gewohnt sind, am Sonntagabend kurz nach 22 Uhr ihren Krimi im ZDF zu sehen, | |
sollen nicht durch Untertitel irritiert werden – während den | |
Nutzer*innen der ZDF-Mediathek ein etwas anspruchsvollerer Medienumgang | |
zugemutet wird. | |
10 Feb 2021 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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