| # taz.de -- Verfolgung von Kriegsverbrechern: Weiterhin keine Immunität | |
| > Der Bundesgerichtshof erlaubt weiterhin deutsche Strafverfolgung von | |
| > ausländischen SoldatInnen. Der Fall hatte kurzzeitig für großes Aufsehen | |
| > gesorgt. | |
| Bild: Soldaten der afghanischen Armee nehmen an einer Militäroperation im Bezi… | |
| KARLSRUHE taz | „Deutschland ist auch weiterhin kein sicheres Zufluchtsland | |
| für Kriegsverbrecher“. So fasste Jürgen Schäfer, Vorsitzender Richter am | |
| Bundesgerichtshof (BGH), das Urteil zum Fall eines afghanischen | |
| Oberleutnants zusammen. Dieser habe keine „funktionelle Immunität“, stellte | |
| der BGH fest. „Dieses Urteil wird weltweit Beachtung finden“, kommentierte | |
| anschließend Christoph Barthe als Vertreter der Bundesanwaltschaft. | |
| Der Fall hatte kurzfristig für große Aufregung gesorgt. Zeitweise entstand | |
| der Eindruck, als stelle der BGH die Grundlage des gesamten | |
| [1][Völkerstrafrechts] in Frage. Wie sich jetzt gezeigt hat, diente die | |
| Spannungssteigerung aber wohl eher dazu, maximale Aufmerksamkeit für ein | |
| Urteil zu erzeugen, das vor allem auf die internationale Debatte abzielt: | |
| Das oberste deutsche Strafgericht schließt auch weiterhin Immunität für | |
| staatliche KriegsverbrecherInnen aus. | |
| Der Fall schien zunächst relativ unspektakulär. Ein junger Afghane kam als | |
| Flüchtling nach Deutschland. Aufnahmen auf seinem Handy zeigten, wie er als | |
| Oberleutnant der afghanischen Armee an der Misshandlung von drei gefangenen | |
| Taliban teilnahm. Außerdem hatte er einen toten Taliban-Kommandeur in | |
| entwürdigender Weise zur Schau gestellt. Das Oberlandesgericht München | |
| hatte den Afghanen deshalb 2019 zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren | |
| verurteilt. Der Afghane fand das zu hart, die Bundesanwaltschaft zu milde. | |
| Beide Seiten gingen zum BGH in die Revision. | |
| Erst am BGH kam erstmals das Thema Immunität zur Sprache – und zwar nicht | |
| von den überraschten Verteidigern, sondern von den BGH-Richtern. Bisher war | |
| in Deutschland völlig klar, dass zwar Staatsoberhäupter, | |
| RegierungschefInnen und AußenministerInnen persönliche Immunität genießen, | |
| nicht aber BeamtInnen, SoldatInnen und sonstige staatliche | |
| FunktionsträgerInnen. Es war völlig klar, dass solche staatlichen | |
| KriegsverbrecherInnen sich nicht auf eine so genannte „funktionelle | |
| Immunität“ berufen können. | |
| Verfassungsgericht bleibt außen vor | |
| Der BGH wies dann aber darauf hin, dass es auf internationaler Ebene | |
| durchaus Zweifel an dieser Position gebe. Es sei eben nicht so eindeutig, | |
| dass hier ein von fast allen Staaten als verbindlich erachtetes | |
| Gewohnheitsrecht vorliege. Vor allem in Russland, China und den USA wird | |
| durchaus auf Immunität der eigenen Bediensteten gepocht. | |
| Hätte sich der BGH diesen Zweifeln angeschlossen, dann hätte zum Beispiel | |
| der [2][Koblenzer Prozess gegen folternde syrische Geheimdienstler] sofort | |
| eingestellt werden müssen. Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch hätte nur | |
| noch gegen Rebellen und Terroristen angewandt werden können. | |
| Aber so kam es dann nicht. Der BGH bekräftigte an diesem Donnerstag die | |
| alte deutsche Sichtweise und legte den Fall nicht einmal dem | |
| Bundesverfassungsgericht vor. Richter Schäfer berief sich vor allem auf die | |
| Sichtweise anderer Gerichte. Vom Kriegsverbrecher-Tribunal der Allierten | |
| 1946 über den Jugoslawien-Gerichtshof bis zu Strafgerichten in Belgien, | |
| Spanien und Italien. | |
| Zwar hatte das Auswärtige Amt auf UN-Ebene eher missverständnlich agiert. | |
| Aber der BGH konnte sich auf Außenminister Heiko Maas und Bundespräsident | |
| Frank-Walter Steinmeier berufen. Diese hatten sich erst jüngst | |
| nachdrücklich zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechern bekannt. | |
| Während das Urteil sich vor allem auf die Immunitätsfragen konzentrierte, | |
| teilte Richter Schäfer eher am Rande noch mit, dass der Afghane zusätzlich | |
| wegen Folter verurteilt werden muss und nun wohl eine etwas härtere Strafe | |
| erhalten wird. Der BGH verwies den Fall an das OlG München zurück. | |
| 28 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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