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# taz.de -- Agrarreform in Indien: Traktorenkorso heizt Regierung ein
> Tausende Bauern stoßen am Tag der Republik mit der Polizei zusammen. Seit
> Wochen demonstrieren sie gegen die Deregulierung der Landwirtschaft.
Bild: Durch die Polizeibarrikade: Indiens Bauern verschärfen ihren Protest geg…
Delhi taz | Sie sitzen auf Tausenden Traktoren vorn, an den Seiten und
hinten: [1][demonstrierende Bauern], viele mit Turban, was darauf
hindeutet, dass es sich um Angehörige der Sikh handelt. Andere tragen
Mützen gegen die Kälte. Am Dienstagmorgen haben die ersten Landwirte mit
ihrem Traktorkorso die Barrikaden der Polizei an der Grenze zwischen
Indiens Hauptstadt Delhi und den umliegenden Bundesstaaten durchbrochen und
sind von der ursprünglich genehmigten Route abgewichen.
Von Haryana aus startete auch der Student Firoz Alam mit einer ganzen
Gruppe. Die bullige Zugmaschine, auf der er sitzt, wird von der 20-jährigen
Sheetal Anitil gesteuert. Sie hat ihn am Morgen am Grenzpunkt Singhu
mitgenommen und rattert samt Mutter und Oma zum knapp 30 Kilometer
entfernten Roten Fort in der Altstadt.
Am frühen Abend erreichen sie den Ort, an dem zuvor die offizielle Parade
mit Motivwagen der Bundesstaaten zum Tag der indischen Republik stattfand.
Der Feiertag hatte mit einem Besuch des [2][hindunationalistischen
Premierministers Narendra Modi] am Kriegsdenkmal begann. Doch in diesem
Jahr müssen sich die herausgeputzten Soldat:innen und die donnernden
Kampfjets die Liveschalten auf den TV-Bildschirmen mit den vielen
protestierenden Bauern teilen.
„Es lebe die Einheit der Bauern und Arbeiter“, tönt es aus dem Traktorkorso
immer wieder und „Inquilab Zindabad“ („Lang lebe die Revolution“), eine
noch aus der indischen Unabhängigkeitsbewegung stammende Parole. Denn darum
geht es an diesem Tag, an dem im Jahr 1950 die indische Verfassung in Kraft
trat.
## Bauern fürchten um Einkommen
„Heute ist der Tag des Volkes“, sagt Student Alam. Deshalb haben sich die
Bauern genau diesen Feiertag aufgesucht, um zu unterstreichen, dass sie
keine der neuen Agrargesetze der Regierung akzeptieren. Seit über 60 Tagen
demonstrieren die Bauern nun schon. Sie fürchten, an Einkommen zu
verlieren, wenn die Landwirtschaft dereguliert wird.
Schon seit November kampieren Tausende protestierende Bauern vor den Toren
Delhis, da ihnen bisher der Zugang in die Stadt verwehrt wurde. Auch am
Dienstag gerieten sie wieder mit der Polizei und Paramilitärs aneinander,
was einen Schatten auf die offiziellen Feierlichkeiten warf. Videos zeigen
den Einsatz von Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern. Ein Demonstrant
soll zu Tode gekommen sein, mehrere Polizisten wurden verletzt.
Der Politiker und Bauernführer Yogendra Yadav verurteilte wie die
Vereinigte Bauernfront, dass sich „einige Organisationen und Einzelpersonen
verwerflichen Handlungen hingaben“. Denn Frieden sei die größte Stärke. F�…
Alam ist es der erste Protest dieser Größe. Er kommt wie Sheetal aus einer
Bauernfamilie. Während sie sich in eine lange Traktorschlange einreihten,
genoss die Bäuerin Sheetal das Gefühl, in der großen Gruppe nicht
ohnmächtig zu sein.
Doch wissen beide um die verzwickte Lage. Zahlreiche Gespräche zwischen
Bauern und Regierung sind bereits gescheitert. Zwar stoppte das Oberste
Gericht die von der Regierung beschlossene Deregulierung der Landwirtschaft
Mitte Januar und rief eine Kommission ein, um den Konflikt zu klären. Doch
viele Bauern bezweifeln die Neutralität der Kommission, da dessen
Mitglieder schon zuvor positiv über die umstrittenen Gesetze geäußert
hatten. Die Regierung bot den Bauern bisher an, die Reformen um eineinhalb
Jahre zu verschieben.
Gibt die Modi-Regierung stärker nach, könnte das für Unzufriedene aus
anderen Bereichen als Einladung für Proteste verstanden werden. Bisher
bleiben die Bauern hartnäckig. Ihr massiver und bereits seit Wochen
anhaltender Protest entwickelt sich zur bislang größten Herausforderung für
Modi.
26 Jan 2021
## LINKS
[1] /Generalstreik-in-Indien/!5737145
[2] /Gewalt-in-Indien/!5667003
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
Landwirtschaft
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