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# taz.de -- Transatlantisches Verhältnis: Eine neue Härte
> Einen Neuanfang in den transatlantischen Beziehungen kann es nur geben,
> wenn sich Deutschland dabei als verlässlicher Partner erweist.
Bild: Hat der „New Deal“ der Außenminister Heiko Maas und Jean-Yves Le Dri…
Seit dem von Präsident Trump [1][angestachelten Sturm auf das Kapitol] ist
der Amtsantritt von Joe Biden am 20. Januar herbeigesehnt worden. Markiert
dieser Tag nun auch die Chance auf den vom deutschen Außenminister Maas und
seinem französischen Amtskollegen Le Drian vorgeschlagenen „New Deal“ in
den transatlantischen Beziehungen?
Schon jetzt dürfte feststehen: Die USA werden sich von ihrem
isolationistischen außenpolitischen Kurs verabschieden, Europa künftig als
Partner und nicht als Gegner betrachten und wieder mehr in das
Nato-Bündnis, den Multilateralismus und die Diplomatie investieren. Und
absehbar wird sich Europa über konkrete Schritte freuen können wie die
Verlängerung des NewSTART-Vertrags über bilaterale amerikanisch-russische
Begrenzungen der strategischen Nuklearwaffenpotenziale. Den Wiederbeitritt
zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) und zum Pariser Klimaabkommen hat
Biden bereits zugesagt. Die amerikanische Außenpolitik wird also in den
kommenden Jahren wieder ein anderes, freundlicheres Gesicht erhalten.
Gleichzeitig wird es jedoch kein Zurück in eine vertraute, kommode Zukunft
geben. Im Gegenteil: Das, was wir über [2][Bidens außenpolitisches Denken]
wissen, spricht – ebenso wie die inzwischen bekannt gewordenen
Nominierungen für zentrale Posten in der US-Administration – dafür, dass
Europa und insbesondere Deutschland durch eine neue selbstbewusste
amerikanische Außenpolitik vor neue Herausforderungen gestellt werden,
denen sie nicht einfach ausweichen können.
Ausgangspunkt für Bidens Außenpolitik ist die Forderung nach einem
Zusammenstehen der transatlantischen Partner als Wertegemeinschaft bei der
Verteidigung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten sowie einer
regelbasierten internationalen Ordnung. Damit einher geht die Forderung,
dass die EU und die USA nicht nur Herausforderungen wie den Klimawandel
gemeinsam annehmen, sondern auch gegenüber [3][China] und Russland wie aber
auch anderen Sicherheitsrisiken, wie etwa dem iranischen Nuklearprogramm,
eine „geschlossene Front“ bilden. Die neue US-Administration wird dabei
schon aus innenpolitischen Erwägungen den von ihr reklamierten Anspruch als
Führungsmacht der westlichen Welt unbedingte Geltung zu verschaffen suchen.
## Konfrontativer gegenüber Russland und China
Biden hat auch deutlich gemacht, dass er angesichts global zunehmender
autoritärer Tendenzen und der Verschärfung der Rivalität zwischen den
Großmächten noch stärker als zu Zeiten von Präsident Obama auf eine
konfrontative Politik des „Containment und Rollback“ setzen wird. Dies ist
auch aufgrund der innenpolitischen Situation in den USA naheliegend:
Ex-Präsident Trump hinterlässt ein politisches Erbe, das nachwirkt. So hat
sich nach den Auseinandersetzungen der letzten Jahre der Eindruck
verfestigt, dass sowohl China als auch Russland „Feinde“ der liberalen
Demokratien sind und ihrer aggressiven Politik nur mit Härte begegnet
werden kann. Biden wird sich über diese in der breiten amerikanischen
Öffentlichkeit vorherrschende Stimmung nicht hinwegsetzen können. Dies
gilt, zumal diese Stimmung beispielsweise durch chinesische und russische
Menschenrechtsverletzungen, Maßnahmen gegenüber Regimegegnern sowie
Cyberattacken weitere Nahrung erhält.
Deutschland und Europa werden sich also auf eine härtere, zumindest
teilweise an die Zeiten von George W. Bush erinnernde Politik aus
Washington einstellen müssen. Nach dem isolationistischen Präsidenten Trump
wird es dabei schwieriger werden, sich Bidens nachhaltigen Forderungen nach
Solidarität und Gefolgschaft zu verweigern.
Die deutsche Außenpolitik wird durch den konfrontativen, mit moralischem
Impetus begründeten Politikansatz Bidens vor besondere Probleme gestellt,
da sie traditionell – aus den bei der Überwindung des Kalten Kriegs
gemachten Erfahrungen – eine auch stark auf Dialog, Zusammenarbeit und
Entspannung ausgerichtete Politik verfolgt. Beispielsweise geht sie im
Verhältnis zu Russland von der realpolitischen Maxime aus, dass es trotz
der menschenverachtenden Politik Putins im deutschen Sicherheitsinteresse
liegt, die Konfrontationsspirale mit Moskau nicht außer Kontrolle geraten
zu lassen und Moskau nicht durch alleinige konfrontative Einhegung und
Ausgrenzung in die Arme Chinas zu treiben. Damit sind Konflikte mit den USA
vorprogrammiert. Allerdings wird die Bundesregierung diese mit Rücksicht
auf die angestrebte „Gesundung“ der transatlantischen Beziehungen scheuen.
Will Deutschland seine außenpolitische Handlungsfähigkeit ansatzweise
behalten und gleichzeitig Augenhöhe und Einfluss gegenüber dem
Bündnispartner USA ausbauen, dann muss es seine Stellung als Partner in der
Nordatlantischen Allianz stärken. Dazu gehört, schnellstmöglich die
eklatanten Mängel in Ausrüstung und Personalausstattung der Bundeswehr zu
beheben und das vereinbarte, von Präsident Biden bekräftigte
[4][2-Prozent-Ziel] für den Verteidigungshaushalt zu erreichen. Zudem
sollte die nukleare Teilhabe nicht in Frage gestellt werden. Dies
entspräche dem realpolitischen Grundsatz, dass gesicherte
Verteidigungsfähigkeit die Voraussetzung für die Bereitschaft zu Dialog und
Entspannung ist.
Daneben bleibt es unabdingbar, dass Europa – trotz der Vorbehalte in
Washington – weiterhin strategische Autonomie anstrebt. Strategische
Autonomie ist eine Stärkung des europäischen Pfeilers des transatlantischen
Bündnisses; sie ist aber auch eine unabdingbare Voraussetzung für die
europäische Selbstbehauptung in einer komplexen, multipolaren Welt.
Und schließlich ist sie auch eine notwendige Rückversicherung, sollte sich
die Präsidentschaft Trumps nicht als bloßes unseliges Intermezzo erweisen.
26 Jan 2021
## LINKS
[1] /Rechter-Sturm-auf-US-Kongress/!5738355
[2] /Bidens-Politik-nach-Amtsantritt/!5742160
[3] /Chinesische-Jets-in-Taiwans-Luftraum/!5743134
[4] /Deutscher-Friedensaktivist-ueber-Biden/!5745767
## AUTOREN
Rüdiger Lüdeking
## TAGS
US-Wahl 2024
Joe Biden
Nato
US-Außenpolitik
Europäische Union
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