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# taz.de -- Jugendzentrum Potse und Drugstore: Ultimatum für die Potse
> Stadtrat Schworck (SPD) hat einen Ersatzraum für Drugstore und Potse
> angeboten. Nimmt die besetzte Potse das Angebot nicht an, droht die
> Räumung.
Bild: Schöneberg, Januar 2019, die Frisur sitzt: Seit zwei Jahren hält die Po…
Berlin taz | Bahnt sich eine Lösung an im Konflikt um die drohende Räumung
des [1][autonomen Jugendzentrums Potse] in Schöneberg? Nach einem
gescheiterten Berufungsverfahren nach der bezirklichen Räumungsklage wartet
das selbstverwaltete Jugendkollektiv weiter auf einen Termin vom
Gerichtsvollzieher. Aber mittlerweile gibt es immerhin ein Angebot vom
Bezirk für einen 120 Quadratmeter großen Ersatzraum für Konzerte und
Bandproben. Die Suche nach einem Ort, der Jugendarbeit ermöglicht und an
dem auch gelärmt werden kann, lief seit Jahren erfolglos.
Obwohl man dort rund um die Uhr Lärm machen darf, ist der angebotene Raum
für das Potse-Kollektiv nicht ideal. Sprecher Paul sagt der taz: „Es ist
besser als alles bisher, aber ein Konzertraum ist nicht alles.“ Es fehle
viel im Vergleich zu den jetzigen Räumen: „Wir haben eine Werkstatt, Küche,
Räume für Plenas und brauchen bei Veranstaltungen einen Awareness-Raum,
falls unser Awareness-Team Übergriffe feststellt oder jemand eine Auszeit
braucht.“
All dies sei im vorgeschlagenen Raum nicht möglich, dem man sich zudem noch
mit dem im Exil befindlichen Jugendprojekt Drugstore teilen müsse. Deswegen
sei die Potse weiter auf der Suche nach besseren Räumen und für jeden
Hinweis dankbar.
So passten etwa leer stehende Räume in der Rathenower Straße 16 in Moabit
wesentlich besser, sagt Paul. In dem leerstehenden Gebäude gebe es mehr
Platz und das Kollektiv könnte autark agieren. Der Austausch dazu liefe
auch über das Jugendamt und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
„Gerade, wenn diese Pandemie irgendwann vorbei ist, braucht es
Jugendarbeit, um die sozialen Folgen abzufedern“, sagt Paul. Rot-Rot-Grün
solle sich gut überlegen, ob es vor der Wahl ein Jugendzentrum räumen will.
## Konzertsaal im Rockhaus Lichtenberg
Nach einem [2][Bericht im Neuen Deutschland] handelt es sich beim
Ersatzraum um den Konzertsaal des [3][Rockhauses Lichtenberg], das im
Besitz der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) ist. Und auch hier gibt
es Konflikte: Die Jugendprojekte würden einen Kioskbesitzer mit Musikbedarf
verdrängen, der dort seit zehn Jahren Material und Getränke an probende
Bands verkauft, Instrumente repariert und den Saal für Konzerte vermietet.
Für die gemeinnützige GSE hat ein soziales Projekt Vorrang, zumal die
Nutzung durch die Jugendkollektive absehbar vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg
bezahlt würde.
Das selbstverwaltete Jugendzentrum in Trägerschaft des Vereins Potse e. V.
ist eines der ältesten Jugendzentren Berlins. Es existiert seit 1979.
Anfang 2019 weigerte sich das Kollektiv, den Schlüssel für ihre Räume in
der Potsdamer Straße 180 herauszugeben. Die Räume hatte der Bezirk zuvor
von privat gemietet. Nachdem der Eigentümer allerdings eine höhere Miete
verlangte, lief der Mietvertrag aus. Der Bezirk klagte danach erfolgreich
auf Räumung.
Das bis 2019 nebenan befindliche und deutlich größere Jugendzentrum
Drugstore hatte damals die Schlüssel abgegeben mit der Aussicht auf
geeignete Ersatzräume. Diese sollten eigentlich bereits im Sommer 2019 in
der alten Post in der Potsdamer Straße 134/136 zur Verfügung stehen, sind
aber noch immer nicht bezugsfertig.
Und so verweilt das seit 1972 als Kollektiv bestehende Drugstore noch immer
verstreut im Exil. Jugendliche und Kollektivmitglieder von Potse und
Drugstore hatten nicht nur deswegen immer wieder auf fehlende Freiräume für
Jugendliche hingewiesen. Teilweise gab es auch versuchte [4][Besetzungen].
## „Wir sind komplett am Arsch“
Domi vom Drugstore sagt: „Wir wissen, dass es schwierig bis unmöglich ist,
unsere Angebote unter ein Dach zu bringen. Den nun vom Bezirksamt
angebotenen Raum für Konzertveranstaltungen könnten wir uns übergangsweise
gut vorstellen – auch um unsere Projekte und Kollektive zu schützen, müssen
wir das annehmen.“
Gleichzeitig wolle man aber niemanden verdrängen, sagt Domi: „Wir sind
absolut bereit und willens, mit jetzigen Nutzern gemeinsame Sache zu
machen. Probende Bands können dort gerne Konzerte veranstalten.“ Natürlich
könne aus ihrer Sicht auch der Kiosk bestehen bleiben. Langfristig wollen
Potse und Drugstore wieder in ihren Bezirk zurückkommen.
Während der Pandemie versuche das Kollektiv die Jugendlichen bei Laune zu
halten, indem man über soziale Medien erreichbar sei, Spiele-, Film- und
Tresenabende online organisiere. Das Exil und die noch immer nicht
bezugsfertigen Räume seien neben der Pandemie allerdings ein zusätzlicher
Dämpfer. Mittlerweile seien viele Kollektivmitglieder nur noch abgegessen.
Domi sagt: „Wir sind komplett am Arsch. Wir haben viele Tränen und Schweiß
seit der Kündigung 2015 vergossen.“
Tempelhof-Schönebergs Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD) hingegen ist
froh, überhaupt noch einen Ersatzraum gefunden zu haben. Es sei kurzfristig
möglich, dass man jetzt zugreife, sodass die Projekte dort als
Übergangslösung unterkommen könnten. Langfristig plant der Bezirk ein Haus
der Jugend inklusive geeigneter Räume für Potse und Drugstore. Dafür habe
man bereits ein Grundstück in der Schöneberger Straße im Auge und vor der
Sommerpause sollen die ersten Planungsschritte eingeleitet werden: „Ich bin
sehr zuversichtlich, dass wir bald konkret werden können, aber bis das Haus
steht, vergehen noch ein paar Jahre“, sagt Schworck.
Bis dahin sei die Zwischenlösung zwar nicht perfekt, aber es sei das beste
Angebot, das man bisher vorlegen konnte. Das Drugstore habe bereits
Bereitschaft signalisiert, die Potse habe sich Bedenkzeit erbeten. Den
Alternativvorschlag der Potse in der Rathenower Straße 16 hält Schworck
nicht für machbar, weil das Haus abgerissen werden soll. Nächste Woche soll
weiterverhandelt werden.
Mit dem Angebot drängt der SPD-Stadtrat auch darauf, dass das
Jugendkollektiv Potse seine Besetzung aufgibt: „Ich sage ganz klar, dieses
Angebot steht, ist aber damit verknüpft, dass die Potse aus den jetzigen
Räumen rausgeht. Wenn es zu einer Räumung kommen muss, gilt dieses Angebot
für die Potse später nicht mehr. Wir können nicht einerseits mit massiver
staatlicher Unterstützung Räume freiziehen und dann auf der anderen Seite
noch bei der Suche helfen“, sagt Schworck.
Gleichzeitig sei Schworck an einem Kompromiss interessiert: „Seit sechs
Jahren beschäftigt mich dieses Kapitel“, sagt er, „es ist außerordentlich
schwierig, Räume für Jugendarbeit zu finden. Dort braucht man immer
Möglichkeiten, auch mal eine Fete zu machen oder die Musik aufzudrehen.“
Die Lage sei berlinweit dramatisch.
20 Jan 2021
## LINKS
[1] /Potse/!t5568367
[2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1147209.potse-und-drugstore-subkul…
[3] /Rockhaus-in-Lichtenberg/!5595032
[4] /Besetzung-des-Dragoner-Areals/!5693215
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Potse
Jugendarbeit
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