# taz.de -- Nato und Russland: Kalter Krieg 2.0 | |
> Nach den USA kündigt jetzt auch Russland das „Open Skies“-Abkommen über | |
> gegenseitige militärische Beobachtungsflüge. | |
Bild: Vorbei: Eine russische TU-214 über Offutt Air Force Base in Nebraska im … | |
BERLIN taz | Russland und die von den USA geführte NATO rutschen immer | |
weiter zurück in den einst als überwunden geglaubten Kalten Krieg. Am | |
Freitag verkündete die [1][Regierung in Moskau] den Ausstieg Russlands aus | |
dem „Open-Skies-Abkommen über gegenseitige militärische Beobachtungsflüge, | |
das die 34 Mitgliedsstaaten der NATO und der ehemaligen Warschauer | |
Vertragsorganisation (WVO) 1992 vereinbart hatten. Die Trump-Administration | |
in Washington hatte das Abkommen bereits im vergangenen Jahr wegen | |
angeblicher russischer Verstöße aufgekündigt. | |
Das 2002 in Kraft getretene Abkommen über „offene Himmel“ war neben dem | |
ebenfalls gefährdeten Abkommen über konventionelle Rüstungskontrolle in | |
Europa (KSE) die wichtigste vertrauensbildende Maßnahme, die die ehemaligen | |
Feindstaaten der Ost-West-Blockkonfrontation nach deren Ende vereinbart | |
hatten. Es erlaubt den 34 Vertragsstaaten militärische Beobachtungsflüge in | |
den jeweiligen anderen Lufträumen, um Informationen über Truppen sowie | |
militärische Einrichtungen und Aktivitäten zu gewinnen. | |
Die Idee eines solchen Vertrages war bereits 1955 vom damaligen | |
US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower der sowjetischen Führung während der | |
Genfer Vier-Mächte-Konferenz vorgeschlagen worden. Die Weiterverfolgung | |
scheiterte jedoch aufgrund sowjetischer Befürchtungen, dass die | |
Beobachtungsflüge zu Spionagezwecken genutzt werden könnten. | |
Im Mai 1989, ein halbes Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer, nahm der | |
damalige US-Präsidenten George Bush sen. die Idee wieder auf. Im Februar | |
1990 fassten die 35 Aussenminister der NATO und der damals noch bestehenden | |
WVO auf der „Open Skies“-Konferenz in Ottawa den Beschluß, entsprechende | |
Verhandlungen aufzunehmen. Nach dem Ende des WVO und dem anschließenden | |
Zerfall der Sowjetunion wurde im Rahmen der „Konferenz für Sicherheit- und | |
Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) verhandelt. | |
## Gleichgewicht gekippt | |
Rund 1.500 Beobachtungsflüge fanden bis zum [2][Ausstieg der USA], der nach | |
Ankündigung der Trump-Admininistration vom Mai 2020 im November vollzogen | |
wurde, statt. Zur Begründung führten die USA an, dass Russland der | |
US-Luftwaffe den Überflug über einige Gebiete verweigere, in denen | |
Washington atomare Mittelstreckenraketen vermutet. Zudem behindere Moskau | |
Aufklärungsflüge über die Ostsee vor Kaliningrad und Gebiete in der | |
Umgebung von Georgien. | |
Die USA seien unter „vorgeschobenen Anschuldigungen“ aus dem Vertrag | |
ausgestiegen, und ihr Rückzug habe „das Gleichgewicht der Interessen der | |
Signatarstaaten erheblich“ kippen lassen, erklärte das russische | |
Außenministerium am Freitag. Vorschläge Moskaus, das Abkommen am Leben zu | |
erhalten, seien bei den NATO-Verbündeten Washingtons „nicht auf Resonanz | |
gestoßen“. | |
Nach dem Ausstieg der USA im vergangenen November hatte Russlands | |
Außenminister Sergej Lawrow vergeblich eine schriftliche Verpflichtung der | |
europäischen Nato-Staaten und Kanadas verlangt, nach Beobachtungsflügen | |
über Russland keine Daten mehr an die USA weiterzugeben. | |
Zudem warnte Lawrow die Vertragspartner davor, auf Forderungen der USA | |
einzugehen, keine russischen Beobachtungsflüge über amerikanischen | |
Militärstützpunkte in Europa mehr zuzulassen. Das sei „eine grobe | |
Verletzung des Vertrages“. | |
## Bedauern und Kritik | |
Die Bundesregierung hatte die Ankündigung des Ausstiegs der USA durch die | |
Trump-Administration im Mai 2020 noch bedauert und kritisiert. | |
Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte damals:,„Wir sehen, dass es in den | |
letzten Jahren auf der Seite Russlands in der Tat Schwierigkeiten bei der | |
Umsetzung des Vertrags gab, aber dies rechtfertigt aus unserer Sicht keine | |
Kündigung.“ Der Vertrag trage zu Sicherheit und Frieden „auf praktisch der | |
gesamten Nordhalbkugel bei“, betonte Maas. | |
Der Außenminister kündigte an, Deutschland werde sich „zusammen mit unseren | |
gleichgesinnten Partnern intensiv dafür einsetzen, dass die US-Regierung | |
ihre Entscheidung noch einmal überdenkt.“ Zwischen den verbleibenden 32 | |
Vertragsstaaten besteht das Open-Skies-Abkommen zwar formal weiter. Aber | |
nach dem dem Austritt der USA und Russlands ist es praktisch Makulatur und | |
politisch tot. | |
15 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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