# taz.de -- Menschenrechte in Saudi-Arabien: Haftstrafe für Frauenaktivistin | |
> Ein Gericht für Terrorismusdelikte verurteilt Ludschain al-Hathlul zu | |
> fast sechs Jahren Haft. Auch die Bundesregierung kritisiert die | |
> Verurteilung. | |
Bild: Zählt zu den international bekanntesten Aktivist*innen in Saudi-Arabien:… | |
RIAD dpa/ap | Ein Gericht in [1][Saudi-Arabien] hat die bekannte Aktivistin | |
und Frauenrechtlerin Ludschain al-Hathlul nach Angaben ihrer Unterstützer | |
zu fünf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Die Hälfte davon – die | |
zwei Jahre und zehn Monate, die Al-Hathlul bereits im Gefängnis verbrachte | |
– sei in eine Bewährungsstrafe umgewandelt worden, teilte ihre Familie am | |
Montag mit. Damit könnte die 31-Jährige im Februar oder März freigelassen | |
werden. Zudem wurde ein Reiseverbot von fünf Jahren verhängt. | |
Al-Hathlul habe eine „ausländische Agenda innerhalb des Königreichs mit dem | |
Internet umsetzen“ und die öffentliche Ordnung stören wollen, hieß es laut | |
einem Bericht der Nachrichtenseite Sabq in dem am Montag verkündeten | |
Urteil. Sie habe das Herrschaftssystem des autoritär regierten Staates | |
kippen wollen. Al-Hathlul wurde von einem speziellen Gericht für | |
Terrorismusdelikte verurteilt, nachdem ein Strafgericht den Fall dorthin | |
verwiesen hatte. Das Urteil ist 30 Tage lang anfechtbar. | |
Eine weitere saudische Frauenrechtlerin, Maja'a al-Sahrani, wurde nach | |
örtlichen Medienberichten vom Montag wegen ähnlicher Vorwürfe vom | |
Spezialisierten Strafgericht zur selben Strafe verurteilt. Der Gerichtshof | |
befasst sich mit Terrorfällen. Auch Al-Sahrani kann binnen 30 Tagen | |
Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. | |
Nach Aussagen des Richters hat Al-Hathlul die Straftaten gestanden. Ihre | |
Geständnisse habe sie freiwillig und ohne äußeren Zwang gemacht. Ihre | |
Familie hatte dagegen erklärt, dass Ludschain gefoltert worden sei, unter | |
anderem durch simuliertes Ertränken („Waterboarding“), Auspeitschen und mit | |
Elektroschocks. Al-Hathlul war zweimal in Hungerstreik gegangen, um gegen | |
die Bedingungen ihrer Haft zu protestieren. Die Vorwürfe der Folter hatte | |
das Gericht vergangene Woche zurückgewiesen. | |
## Übermäßige Härte | |
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, | |
kritisierte die Verurteilung. „Ihr Fall ist einer von vielen, der zeigt, | |
dass die saudischen Behörden mit übermäßiger Härte gegen Menschen- und | |
Bürgerrechtsaktivisten vorgehen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine | |
Menschenrechtsaktivistin unter Anti-Terrorismusgesetzen verurteilt wird“, | |
sagte Kofler. Es sei kein strafwürdiges Verhalten bei Frau Al-Hathlul zu | |
erkennen gewesen. „Im Gegenteil: Sie hat sich mit großem Mut für mehr | |
Selbstbestimmung und Rechte für saudische Frauen stark gemacht.“ | |
Das UN-Menschenrechtsbüro sprach von einem „zutiefst beunruhigenden“ | |
Urteil. Al-Hathlul sei zweieinhalb Jahre willkürlich festgehalten worden. | |
Das Büro unterstütze eine vorzeitige Freilassung im Rahmen der | |
Bewährungsstrafe nachdrücklich als „dringliche Angelegenheit“, schrieb das | |
Büro mit Sitz in Genf bei Twitter. | |
Al-Hathluls Schwester kritisierte das Urteil scharf. „Ludschain und meine | |
Eltern (die als ihre Anwälte auftreten) wurde kaum Zeit zur Vorbereitung | |
gegeben, deshalb kann dieser Prozess kaum als fair verstanden werden.“ | |
Ludschain sei „keine Terroristin, sondern eine Aktivistin“. Die | |
Verurteilung für Reformen, die Kronprinz Mohammed bin Salman und das | |
Königreich selbst propagierten, sei „ultimative Heuchelei“. Die Familie sei | |
„erschüttert“, dass Ludschain auch nur einen weiteren Tag im Gefängnis | |
verbringen müsse. | |
## Höchststrafe gefordert | |
Al-Hathlul zählt zu den international bekanntesten Aktivisten in der in | |
d[2][er streng islamischen Monarchie Saudi-Arabien] und wurde vor allem | |
durch die Kampagne für ein Ende des Autofahrverbots für Frauen bekannt. Sie | |
wurde im Mai 2018 festgenommen – kurz bevor das Fahrverbot aufgehoben | |
wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte die Höchststrafe von 20 Jahren Haft | |
gefordert. | |
Die Zeit der Bewährung wird aufgehoben, wenn Al-Hathlul in den kommenden | |
drei Jahren eine Straftat begeht. „Sie könnte für jede als illegal | |
wahrgenommene Handlung festgenommen werden“, teilten ihre Unterstützer mit. | |
29 Dec 2020 | |
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