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# taz.de -- Private Coronatestzentren: Im Schutzanzug auf der Tanzfläche
> Weihnachten zur Familie oder allein? Private Testzentren wollen
> Entscheidungshilfen sein. Um Freifahrtsscheine geht es ihnen nicht.
Bild: Auch auf dem Gelände des KitKat-Clubs in Berlin werden auf eigene Kosten…
Leipzig taz | Im Institut für Zukunft läuft in den Tagen vor Weihnachten
wieder Musik, wenn auch nur leise im Hintergrund. In normalen Zeiten würden
in den Hallen im Leipziger Süden härtere Bässe pumpen: Der Club ist über
die Stadt hinaus bekannt für seine Technopartys. Jetzt kleben hier
Abstandmarkierungen auf dem Boden, medizinisches Personal in Schutzanzügen
läuft geschäftig umher. Das IFZ, das nun schon seit einem Dreivierteljahr
geschlossen bleiben muss, hat sich in den Tagen vor Weihnachten in ein
Coronaschnelltestzentrum verwandelt.
Vor dem Eingang steht am Dienstag vor Weihnachten Janne Müller, die in
Wirklichkeit anders heißt. Die 27-Jährige ist eigentlich für die
Social-Media-Arbeit des Clubs zuständig. „Wie man viele Menschen möglichst
geordnet durch diese Räume bekommt, wissen wir ja“, sagt sie. Im
Hintergrund meldet ihr Walkie-Talkie: „Teststation eins und drei sind
frei.“ Sechs Tage hat das Team durchgearbeitet, um den Raum an die
medizinischen Anforderungen anzupassen.
Jetzt ist alles genau getaktet: Wer getestet werden will, braucht einen
Termin, zehn Minuten sind dafür eingeplant. Zuspätkommer dürfen nicht mehr
rein. „Wir wollten auf keinen Fall, dass es sich hier staut“, sagt Müller.
800 Termine konnte die Teststation anbieten, zu 35 Euro das Stück. Sie
waren innerhalb weniger Stunden ausgebucht – Einlassstopp im IFZ, das gab
es lange nicht mehr.
Am Check-in wird nun neben dem Personalausweis der Termin geprüft, dann
geht es die Treppe hinunter. Auf der früheren Tanzfläche trennen Bauzäune
drei Teststationen voneinander. Die Zäune sind mit Klarsichtfolie
abgedichtet und mit schwarzem Isolierband beklebt, sie sollen einen
Aerosol- und Sichtschutz bieten. Zwei Minuten dauert der Nasenabstrich, das
Stäbchen wird danach in eine Lösung getaucht und die wird auf den
Schnelltest gestrichen. Damit sich die Getesteten nicht lange im Raum
aufhalten, bekommen sie ihr Ergebnis einige Minuten später per Mail,
zusammen mit einem Leitfaden.
## Alles ehrenamtlich beim IFZ
In vielen Städten haben meist private Anbieter in den Tagen vor Weihnachten
Schnellteststationen eröffnet. [1][Finanzierung, Organisation und Tests
sind unterschiedlich] – mal braucht man einen Termin, mal muss man sich
stundenlang in die Schlange stellen. Die Preise schwanken in etwa zwischen
25 und 70 Euro.
Bei manchen Anbietern kümmern sich Agenturen um Aufbau, Bürokratie und
Anwerbung von Personal. Dafür streichen sie oft etwa die Hälfte des Erlöses
ein. Im IFZ dagegen arbeiten alle ehrenamtlich mit, auch die
Mediziner*innen. So finanziert das Team pro verkauftem Schnelltest einen
weiteren Test für Leipziger Wohnungslose.
Die Idee, auch das IFZ in ein Testzentrum zu verwandeln, hatte Jasmin
Mehnert. Die 22-Jährige arbeitet eigentlich bei einem Start-up in Berlin,
ein Freund hatte dort und in Hamburg schon Testzentren in Clubs
organisiert. „Ich hatte mit dem IFZ vorher eigentlich nichts zu tun, außer
dass ich meine Nächte hier verbracht habe“, sagt Mehnert. Sie brachte ihre
Idee vor, das Clubteam sagte zu, gemeinsam wurde organisiert, auch die
komplizierte Kommunikation mit dem überlasteten Gesundheitsamt.
Die Kassenärztliche Vereinigung des Bundes ist vorsichtig damit, private
Teststationen pauschal zu begrüßen oder abzulehnen. „Wer einen Schnelltest
auf eigene Kosten machen möchte, sollte bei einem privaten Zentrum darauf
achten, dass der Test von Ärzten, mindestens von geschultem medizinischen
Personal durchgeführt wird“, sagt Sprecher Roland Stahl.
## Empfehlung: Auch bei negativem Test zu Hause bleiben
Er verweist auch auf die [2][geringere Zuverlässigkeit von Schnelltests].
Denn im Vergleich zum PCR-Test, der ins Labor geschickt wird, haben
Schnelltests eine deutliche Fehlerquote. Zudem erkennen die
Antigen-Schnelltest eine Infektion nur in der ansteckenden Phase. „Zunächst
einmal sollte jeder wirklich prüfen, ob er zu Weihnachten nicht einfach zu
Hause bleibt“, mahnt Stahl.
Die Tests im IFZ führen Medizinstudierende und Ärztinnen durch. Alle haben
vorher noch einmal eine Schulung zur Testdurchführung bekommen. Die Ärztin
Charlotte Fries steht im Schutzanzug auf der Tanzfläche. Die 33-Jährige
tritt erst im Januar ihren neuen Job in Bonn an, vorher hat sie an der
Leipziger Uniklinik gearbeitet. „Ich habe also gerade frei, und da wollte
ich was beitragen“, sagt sie. Zu ihrer Familie fährt sie über Weihnachten
nicht, so wie das ganze Team.
Den Freiwilligen ist wichtig, dass auch ein negativer Test kein
Freifahrtschein ist. „Es geht nicht darum, jemanden freizutesten. Der Test
soll nur der Entscheidungsfindung dienen“, betont Müller. Sie erhoffen sich
von der Aktion, dass wenigstens die akut ansteckenden Fälle erkannt werden
und sich dann einem PCR-Test unterziehen, statt an Weihnachten zur Familie
zu fahren. Die Isolation empfehlen sie aber allen – auch bei negativem
Test.
23 Dec 2020
## LINKS
[1] /Teststrategie-in-der-Pandemie/!5739799
[2] /Corona-Schnelltest-im-Check/!5731121
## AUTOREN
Helke Ellersiek
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