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# taz.de -- Referendum in Liberia: Eigentor für Liberias Präsident
> Mit einem Verfassungsreferendum wollte der ehemalige Fußballstar und
> Staatschef George Weah die Politik reformieren. Dabei ging einiges
> schief.
Bild: Präsident Weah 2017 auf dem Weg zur Wahlurne – seitdem regiert er mit …
Monrovia taz | Ab und zu sieht man an den Straßen Monrovias noch Plakate in
Blau, Rot und Weiß, mit Werbung für das Referendum am 8. Dezember. Die
Botschaften klingen nach mehr Demokratie und weniger Macht für
Spitzenpolitiker – seit 2018 ist der einstige Weltfußballer George Weah
Präsident. Seine Amtszeit soll von sechs auf fünf Jahre schrumpfen, die
Legislaturperioden der beiden Parlamentskammern von neun auf sieben
beziehungsweise sechs auf fünf. Insgesamt wurde über acht Fragen
abgestimmt. Seitdem wird gezählt.
Zwei Wochen später hat die Wahlkommission nur Teilergebnisse verkündet. Zu
schaffen macht die astronomische Zahl der ungültigen Stimmen. Im
Verwaltungsbezirk Bong etwa gaben 74.729 Wähler*innen ihre Stimme zu der
Frage ab, ob der Wahltag künftig von Oktober in den November verlegt werden
soll. 49.405 Stimmzettel waren ungültig.
Zeitungen nennen das Referendum schon jetzt einen „großen Flop“. Selbst
wenn vielerorts die Ja-Stimmen überwiegen – Ausnahmen gibt es im
Hauptstadtbezirk Montserrado, wo der oppositionelle Senatskandidat Abraham
Darius Dillon die absolute Mehrheit geholt hat –, dürfte keine
Referendumsfrage die notwendige Zweidrittelmehrheit erhalten.
Aktivist Samuel Kpartor, der in Liberia [1][das Netzwerk #FollowTheMoney]
leitet und sich im Kampf gegen Korruption engagiert, sieht den Grund bei
der unzureichenden Aufklärungsarbeit der Wahlkommission. Schon 2011
scheiterte eine geplante Verfassungsänderung, da die Fragen offenbar unklar
waren. „Ich bin zu 99 Prozent sicher, dass das Referendum nicht erfolgreich
ist“, so Kpartor.
## Keine Jobs, kein Strom
Besonders umstritten war die Frage nach der Zulassung der doppelten
Staatsbürgerschaft. Dahinter steckt die Idee, das knapp fünf Millionen
Einwohner*innen zählende Land – das im 19. Jahrhundert als US-Kolonie
entstanden war und bis heute enge Beziehungen zu den USA unterhält – für
die liberianische Diaspora attraktiv zu machen und Investitionen ins Land
zu holen.
Die hat Liberia bitter nötig. Zwar hat es in den vergangenen Jahren
wichtige Infrastrukturmaßnahmen gegeben, wie die neue Straße von der
Hauptstadt Monrovia bis nach Ganta an der Grenze zu Guinea. Doch
Stromversorgung gilt als enorme Herausforderung. Auch gibt es kaum Jobs.
Im Oktober waberte eine Umfrage durch soziale Netzwerke, laut der 80
Prozent der Befragten für die doppelte Staatsbürgerschaft seien. Die
Organisation, die diese durchgeführt haben will, ist nicht bekannt. Samuel
Kpartor erlebt Vorbehalte gegen das Projekt. „Es kann passieren, dass
Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft bei der Vergabe von
Arbeitsplätzen bevorzugt werden. Man kann argumentieren, dass sie
beispielsweise in den USA eine bessere Ausbildung erhalten haben. Das macht
Angst.“
## Schlechte Bilanz für Präsident Weah
Die Abstimmung birgt noch ein weiteres Risiko. Wenn eine
Verfassungsänderung durchkommt, hat Liberia eine neue Verfassung. Präsident
Weah, der 2017 die Friedensnobelpreisträgerin Ellen Johnson-Sirleaf an der
Macht ablöste, könnte dann auf die Idee kommen, zwei weitere Male zu
kandidieren, da die laufende Amtszeit unter der alten Verfassung dann nicht
mitzählt.
Wie das funktioniert, haben gerade [2][die Präsidenten Alpha Condé] und
Alassane Ouattara in den Nachbarländern Guinea und Elfenbeinküste
vorgemacht, bei [3][Wahlen mit jeweils Dutzenden Toten]. Weah hat dieses
Ansinnen stets von sich gewiesen.
Seine Halbzeitbilanz fällt nicht gut aus. Schon Anfang des Jahres gab es
Straßenproteste wegen der schwächelnden Wirtschaft, gegen die Tränengas
eingesetzt wurde. In Monrovia wird immer wieder darüber gespottet, wie sehr
die Regierung in Geldnöten sei. Eine schriftliche Quittung ist das Ergebnis
der Senatorenwahl, die gleichzeitig stattfand und schon fast komplett
ausgezählt ist. Weahs CDC (Kongress für den demokratischen Wandel) hat nur
3 der 15 zur Wahl stehenden Bezirke geholt.
23 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Liberia
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