| # taz.de -- Neue Gewalt in Guinea: Tief im Wald | |
| > Guinea kommt auch nach Beginn der umstrittenen dritten Amtszeit des | |
| > Präsidenten Condé nicht zur Ruhe. Es gibt mehrere Tote in der Stadt | |
| > Macenta. | |
| Bild: Guineas Präsident Alpha Condé, hier im Februar | |
| Berlin taz | Über zwei Monate nach der umstrittenen Wiederwahl von Guineas | |
| Präsident Alpha Condé zu einer dritten Amtszeit wird das bitterarme Land | |
| erneut von Gewalt erschüttert. Mindestens elf Menschen starben nach | |
| offiziellen Angaben am Samstag und Sonntag bei schweren Unruhen in der | |
| Stadt Macenta, tief im Landesinneren nahe der Grenze zu Liberia. | |
| Lokale Berichte vermuten weitaus mehr Opfer. Die Armee wurde entsandt, um | |
| für Ordnung zu sorgen. Ein Großteil der Bevölkerung soll in die umliegenden | |
| Wälder geflohen sein. | |
| Die Gewalt in Macenta hat mit alten Streitigkeiten zwischen zwei ethnischen | |
| Gruppen über die Herrschaft in der Stadt zu tun und entflammte sich an der | |
| Amtseinführung eines Honoratioren. Sie zeugt allerdings auch vom | |
| Legitimitätsverlust eines schwachen Staatswesens, das nicht in der Lage | |
| ist, solche Konflikte zu lösen, bevor sie eskalieren. | |
| Seit dem [1][Verfassungsreferendum vom März], bei dem sich der seit 2010 | |
| regierende Condé das Recht auf eine dritte Amtszeit sicherte, kommt Guinea | |
| nicht zur Ruhe. | |
| ## Immer wieder Jugendproteste | |
| Macenta ist offiziellen Wahlergebnissen zufolge eine Hochburg von Condé und | |
| seiner Partei RPG (Sammlung des guineischen Volkes). Der Ort wählte bei | |
| den Parlamentswahlen im März die enge Condé-Vertraute und ehemalige | |
| Präfektin Marie Kenneth Guilavogui zu seiner Abgeordneten und stimmte bei | |
| der Präsidentenwahl im Oktober zu rund 75 Prozent für den Präsidenten. | |
| Doch zwischendurch gab es immer wieder massive Jugendproteste gegen | |
| staatliche Vernachlässigung in einer Stadt, in der schon das Teeren einer | |
| Straße Schlagzeilen macht. Ein Anführer dieser Proteste ist seit Anfang | |
| September spurlos verschwunden. Ein Wahlhelfer der Opposition starb, | |
| während er in einem Vorort an der Auszählung der Stimmen der | |
| Präsidentenwahl am 18. Oktober teilnahm. | |
| Condés Wiederwahl führte zu tagelangen [2][Protesten und Unruhen] in | |
| zahlreichen Städten Guineas, bei denen Oppositionshochburgen in der | |
| Hauptstadt Conakry Bürgerkriegszonen glichen. Mindestens 46 Menschen wurden | |
| nach Oppositionsangaben getötet, die Armee griff mit massiver Gewalt ein. | |
| Die Menschenrechtsorganisation [3][Amnesty International] sprach von | |
| „Sicherheitsoperationen, die wie Strafexpeditionen aussehen“. | |
| ## „Die Vergangenheit vergessen“ | |
| Das ist eine schlechte Bilanz für [4][den 82-jährigen Präsidenten Condé], | |
| der selbst lange [5][die Diktaturen Guineas bekämpft] hatte und 2010 als | |
| Reformer angetreten war. Dass er bei seiner Einführung in seine dritte | |
| Amtszeit am 15. Dezember die Menschen aufrief, sie sollten „die | |
| Vergangenheit vergessen“ und sich „einer Zukunft von Einheit und Hoffnung | |
| zuwenden“, kam gar nicht gut an. | |
| Oppositionsführer Cellou Dalein Diallo warf ihm im Gegenzug | |
| „Staatsterrorismus“ vor. Der Jugendführer von Diallos Partei UFDG (Union | |
| der Demokratische Kräfte Guineas), der 40-jährige Roger Bamba, starb einen | |
| Tag nach der Amtseinführung in der Haft; die Behörden sprach von | |
| „Leberzirrhose“, die Opposition von „Vergiftung“. | |
| Macenta, auch Massata genannt, liegt in einer unruhigen Region. Die beiden | |
| zerstrittenen, aber eng familiär verwobenen Volksgruppen der Loma und der | |
| Manian dort leben auch jenseits der nahen Grenze in Liberia, und beide | |
| haben Erfahrung in Liberias blutigem Bürgerkrieg (1990–2003) gesammelt. | |
| Manian kämpften in der Rebellenkoalition [6][LURD] (Vereinigte Liberianer | |
| für Versöhnung und Demokratie), die 2003 aus Guinea heraus den | |
| liberianischen Warlord und Diktator Charles Taylor stürzte und [7][in | |
| Macenta eine wichtige Basis] hatte. Loma kämpften schon 1990 auf Taylors | |
| Seite, als er noch Guerillaführer war. | |
| Die beiden Volksgruppen haben sich später feierlich versöhnt, doch die | |
| Wunden dieses Krieges sind noch frisch. | |
| 29 Dec 2020 | |
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| [1] /Referendum-in-Guinea/!5670314 | |
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| [4] /Wahl-in-Guinea/!5236997 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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