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# taz.de -- Vor dem Schlachter gerettet: Goofy, ein Weihnachtsmärchen
> Eine Schülergruppe aus Hamburg wollte einen Ochsen großziehen und
> schlachten. Dann wurde der Protest zu groß. Wie konnte es dazu kommen?
Bild: Goofy auf seiner Hamburger Weide
Goofy, der Zillertaler Ochse, ist jetzt [1][fast weltweit bekannt]. Alle
reden über ihn, es ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Eine
Schulklasse aus Hamburg sah den Ochsen während einer Klassenfahrt ins
österreichische Zillertal, verliebte sich in ihn und nahm in schließlich
mit nach Hamburg. Als Lehrobjekt, einerseits. Andererseits aber auch als
Fleischlieferat. Denn nach der Unterrichtseinheit sollte Goofy geschlachtet
werden.
Als das bekannt wurde, regte sich wüster Protest. Tierschützer, Veganer –
das Walddörfer-Gymnasium wurde bestürmt und beinahe lahmgelegt vor
Beschimpfungen und flehentlichen Bitten, dem Tier das Leben zu lassen. Wie
überhaupt die Idee aufkam, den Ochsen mitzunehmen und was wirklich dahinter
steckt, enthüllen wir nun hier. An den Weihnachtstagen kann das Dramolett
auch im Familienkreis eingeübt und dargeboten werden.
Juni 2019, Zillertaler Alpen, Klassenfahrt der 8c des Walddörfer-Gymnasiums
aus Hamburg. Im Landschulheim. E, L, C, P und M sitzen in ihrem
Mehrbettzimmer, gerade sind sie von einer Wanderung zurückgekommen.
E: „Habt ihr gesehen? Aus dem süßen Kalb bei diesem Bauern könnte man gut
Schnitzel und so machen.“
L: „Ja, geil, Kalbfleisch. Sehr zart, und die Kutteln verkaufen wir an Tim
Mälzer, der macht was Leckeres draus …“
C: „… Hirn nimmt der auch.“
(Alle kichern)
P: „Aber wie kriegen wir das Kalb zu uns? Der Bauer will es doch bestimmt
selbst haben.“
M: „Wir müssen eine Geschichte erfinden. Heute läuft alles über Narrative.…
P: „Niemand darf wissen, dass wir es eigentlich nur schlachten wollen. Es
muss eine Liebesgeschichte sein.“
E: „Kinder so verliebt in ein Kälbchen, dass sie es vom Zillertal bis nach
Hamburg mitnehmen oder so.“
(In Gedanken fliegen Herzchen-Emojis umher)
Im Stall. Ein Esel steht da, im Futtertrog ein weißes Bündel. Jesus? Nein,
Reste einer Kraftfuttertüte. In einem Verschlag das Kälbchen. Sein Name:
Goofy.
Bauer: „Servus! Alles fit?“
P: „Leider schon bald Abreise.“
(E, C und M schmiegen sich ganz doll an Goofy, er schnauft.)
Bauer: „Jo, wos’n dös? Hobts ihr euch verliebt?“
E: „Dürfen wir ihn mit nach Hause nehmen?“
C: „Er wird es gut haben. Außerdem suchen wir noch einen Ochsen für unser
traditionelles Krippenspiel zu Weihnachten. Goofy wäre perfekt.“
Bauer: „Meinetwegen könnts den hobn. I würd ihn eh verkaufn; weil der keine
Milch gibt, konn i nix mit dem onfongn.“
(Leckerschmecker-Emojis fliegen umher, P postet einen Braten)
Im Landschulheim, der Lehrer wird eingeweiht.
Lehrer: „Super Idee, ich kenne ein tolles Rezept für Ossobuco.“
M: „Hä?“
L: „Knochen mit Loch. Kalbshaxe, Spezialität aus Mailand.“
Lehrer: „Es darf nur niemand wissen, was wir vorhaben. Die Veganisten
machen uns sonst die Hölle heiß. Zumal die denken, wir sind eine
Waldorfschule.“
Bei einem Bauerngröstel feilen sie an dem Plan.
Lehrer: „Die Lovestory ist gut, die vom Krippenspiel auch, aber es muss
noch eine zweite Ebene rein. Was Pädagogisches.“
C: „Ich hab’s! Wir sagen, wir wollen die Absurdität unseres Umgangs mit
Tieren erkunden. Wie wir erst verliebt waren in das süße Kälbchen und dann
nur sein Fleisch gesehen haben.“
Lehrer: „Sehr gut! So können wir so tun, als würden wir fächerübergreifend
am Beispiel von Goofy arbeiten. Ernährungslehre, Ethik, Biologie,
Wirtschaft, Umwelt, da ist alles drin.“
M: „Und am Ende gibt’s lecker Schnitzel.“
Alle: „Mmmmh!“
Ja, so fing es an mit Goofy. Eine [2][Petition] und ein [3][Shitstorm]
wütender Tierschützer haben dann verhindert, dass er geschlachtet wird. Er
soll nun bis ans Lebensende als Zugochse in einem Museumsdorf ackern. Als
Zugochse!
24 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/2020/53/hamburg-goofy-kalb-schulklasse-tierschutz-landw…
[2] https://www.change.org/p/goofy-braucht-unsere-hilfe-es-darf-nicht-sein-dass…
[3] https://www.sueddeutsche.de/panorama/hamburg-schule-projekt-kuh-goofy-1.514…
## AUTOREN
Felix Zimmermann
## TAGS
Clemens Tönnies
Veganismus
Fleisch
Volkswagen
Vegetarismus
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