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# taz.de -- Corona-Impfungen in Frankreich: Piksen im Schneckentempo
> Paris gerät unter Druck, weil die Corona-Impfungen nur langsam
> vorangehen. Hat Präsident Macron erneut im Krisenmanagement versagt?
Bild: Am Montag ist laut Gesundheitsminister die Zahl von 2.000 Impfungen über…
Paris taz | „Warum nicht einfach impfen? Wie die Israelis, die Briten oder
die Deutschen?“ Rund 30 Mediziner:innen in Frankreich kritisieren in einem
[1][am Dienstag veröffentlichten offenen Brief einen „Wettlauf gegen die
Zeit“] und kritisieren etwa komplizierte Zustimmungsverfahren beim Impfen.
Sie schließen sich damit der heftigen Kritik am Impftempo in dem Land an.
Frankreich hatte wie viele andere Länder [2][für Ende Dezember den Beginn
der Massenimpfung gegen Covid-19] angekündigt. Zuerst sollten die besonders
gefährdeten Hochbetagten in den Altenheimen geimpft werden, danach
ebenfalls nach Risiko- und Alterskategorien das Pflegepersonal und alle
anderen über 65-Jährigen. Bei der Umsetzung der Strategie aber hapert es in
unverständlicher Weise: Hatten am 31. Dezember in Großbritannien bereits
Hunderttausende und in Deutschland immerhin Zehntausende ihre erste Dosis
injiziert bekommen, waren es in Frankreich 200. Und in diesem
Schneckentempo geht es seither weiter: Am Montag sei die Zahl von 2.000
Impfungen überschritten worden, sagte Gesundheitsminister Olivier Véran in
einem Interview.
Die Kritik aus ärztlichen Kreisen und seitens der politischen Opposition
wird derweil immer lauter und vehementer. Frankreich habe sich zum Gespött
der Nationen gemacht, heißt es. [3][Jean Rottner, der Vorsitzende der
Region Ostfrankreich (Elsass-Lothringen und Champagne-Ardennen) spricht von
einem „Staatsskandal“]: „Man führt eine Politik fort, die in der
Vergangenheit versagt hat: bei der Beschaffung der Masken, der Tests und
jetzt wieder bei der Impfung.“ Mitglieder der linken und rechten
Oppositionsparteien sprechen von skandalösen Organisationsproblemen.
Ein Mitarbeiter von Premierminister Jean Castex soll der Zeitung Le Figaro
bestätigt haben, dass aufgrund der mangelhaften Koordination 25 bis 30
Prozent der gelieferten 500.000 Impfstoffdosen (insgesamt 200 Millionen
wurden von Frankreich vorbestellt) ungenutzt weggeworfen werden müssten.
Bestellte Tiefkühlanlagen seien von den zuständigen Ämtern immer noch nicht
abgenommen und freigegeben worden.
## Vor allem im Osten steigt die Zahl der Neuinfektionen
In Frankreich sind seit März 2020 offiziell mehr als 65.000 Menschen an
Covid-19 gestorben. Vor allem im Osten des Landes steigt nach den Festtagen
die Zahl der Neuinfektionen in so bedenklicher Weise, dass für insgesamt 15
von 101 Départements die sonst geltende nächtliche Ausgangssperre von 20
auf 18 Uhr vorverlegt wurde.
Weiterhin herrscht überall eine Schutzmaskenpflicht und die für den 20.
Januar versprochene Wiedereröffnung der Restaurants und Cafés muss bis auf
Weiteres vertagt werden. In den Medien wird die bange Frage erörtert, ob
statt mit einer Lockerung auch in Frankreich mit einem dritten harten
Lockdown zu rechnen sei.
Die Regierung steht unter Druck, seitdem nun auch Staatspräsident Emmanuel
Macron zu einer Beschleunigung mahnt. Er schimpft öffentlich über eine
„nicht zu rechtfertigende Langsamkeit“ beim Impfen. Laut der
Sonntagszeitung [4][Journal du Dimanche] habe der Staatschef seinen
Untergeben den Marsch geblasen: „So geht das nicht. Das muss sich
schleunigst ändern, und das wird sich schleunigst ändern!“
Aber ist er nicht selber in erster Linie verantwortlich für die Mängel, die
er da anderen vorhält? „Ich führe Krieg, vormittags, mittags, abends und
nachts“, versichert Macron, der sich seit dem Beginn der Epidemie als
Oberbefehlshaber im Kampf gegen Corona fühlt.
## Nur noch 40 Prozent wollen sich impfen lassen
Die Impfkampagne war eine Chance für Macron und seine Regierung, um das
Vertrauen wiederherzustellen. Sie ist indes vielleicht bereits vertan, denn
laut jüngsten Umfragen wollen sich nur noch 40 Prozent der Franzosen und
Französinnen gegen Covid-19 impfen lassen – 10 Prozent weniger als Anfang
Dezember. Frankreich gilt ohnehin als Land mit dem höchsten Anteil an
kategorischen Impfgegner:innen.
Den Vorwurf mangelnder Transparenz wenigstens will der Präsident nicht
gelten lassen. Zum Beweis dafür möchte er die Impfstrategie von 35
ausgelosten Bürger:innen ab 16. Januar kontrollieren lassen. Diese Idee
allerdings hat erst recht Abgeordnete und Senatoren der Opposition erzürnt.
Sie erwidern, die Beaufsichtigung der Regierungstätigkeit sei doch die
ureigenste Aufgabe des Parlaments und nicht die eines improvisierten
Gremiums.
5 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.leparisien.fr/societe/sante/l-appel-des-medecins-pour-une-vacci…
[2] /Gemeinsame-Impfstrategie-der-EU/!5741262
[3] https://www.lefigaro.fr/politique/jean-rottner-on-est-la-honte-la-risee-du-…
[4] https://www.lejdd.fr/Politique/macron-a-des-proches-sur-la-campagne-de-vacc…
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Impfung
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