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# taz.de -- Waldbrandsaison in Australien: Wenn sogar die Bäume sterben
> Die Flammen bedrohen das einzigartige Biotop auf der Insel Fraser.
> Wissenschaftler warnen vor einem neuen Horrorsommer.
Bild: Mutter-Koala und Kind-Koala auf einem Eukalyptusbaum in Australien
Canberrra taz | Für europäische Touristen ist die Insel Fraser vor der
Ostküste Australiens ein Paradies. Doch derzeit gleicht das größte
Sandeiland der Welt einer Hölle. Seit sechs Wochen fressen sich Flammen
durch die Natur. Die 1.655 Quadratkilometer große Insel steht wegen ihrer
einzigartigen Landschaft, Flora und Fauna als Weltnaturerbe unter dem
Schutz der Unesco. Hier leben die einzigen noch reinrassigen Dingos.
Welche Zukunft diese australischen Wildhunde und andere Tiere nach den
Bränden haben werden, ist unklar. Schon am Dienstag hatten Behörden
Besitzer, Mitarbeiter und Gäste des bekannten Wildnishotels Kingfisher Bay
dazu aufgerufen, sich „zum Verlassen vorzubereiten“. Auch andere Bewohner
der Insel und Touristen sollen zusehen, dass sie wegkommen. Laut der
Wetterbehörde könnten starke Winde und steigende Temperaturen die Lage in
den kommenden Tagen noch verschärfen.
Das Feuer auf Fraser ist eines von Dutzenden, mit denen australische
Einsatzkräfte im gegenwärtigen Frühsommer zu kämpfen haben. Auch in den
Bundesstaaten New South Wales waren zuletzt Feuerwehren im Einsatz, als die
Tagestemperaturen auf Höchstwerte kletterten. In manchen Teilen wurden fast
45 Grad erreicht. Für November meldete Sydney eine nächtliche
Durchschnittstemperatur von 25,3 Grad Celsius, die höchste seit Beginn der
Messungen vor über 100 Jahren.
Viele Australier sehen sich beim Anblick der Fernsehbilder an den letzten
Sommer erinnert, als gigantische Buschfeuer riesige Landstriche
verwüsteten. Mindestens 12 Millionen Hektar Wälder, Felder und Agrarland
fielen den Flammen zum Opfer. 33 Menschen starben.
## Nicht nur Koalas starben
Laut der Biologin Karen Ford von der australischen Nationaluniversität
[1][kamen bis zu 3 Milliarden Tiere um]. Während verbrannte Koalas in den
Fernsehberichten die meisten Sympathien auslösten, seien „viele andere
Tiere betroffen, die nicht so süß und knuddelig sind', unter ihnen
ökologisch sehr wichtige wirbellose Tiere, Vögel, Reptilien und Insekten,
sagte Ford der taz.
Wissenschaftler können nur spekulieren, wie lange es dauern wird, bis sich
die Gebiete wieder erholen. Dabei gehören Feuer zum natürlichen Ablauf in
Australien. Pflanzen erholen sich normalerweise innerhalb weniger Wochen.
Aus der verkohlten Rinde schlagen neue grüne Zweige. „Die Brände vom
letzten Sommer waren aber heißer und zerstörerischer als frühere“, sagt
Ford. Viele Bäume hätten die Hitze nicht überlebt. In einigen Wäldern
herrscht auch ein Jahr später noch Totenstille.
Kein Vogelgezwitscher, kein Insektengebrumm. Tiere, die die Flammen
überlebten, sind verhungert. Wie die meisten Expertinnen macht Ford die
globale Erwärmung für die Katastrophe verantwortlich. Obwohl kein anderer
Industriestaat bereits so stark unter den Folgen von Klimaveränderung
leidet wie Australien, zeigt das Land wenig Willen, den Ausstoß von
Treibhausgasen zu reduzieren. Nicht nur produziert es pro Kopf mehr CO2 als
andere westlichen Länder. [2][2019 führte es Kohle im Wert von etwa 50
Milliarden US Dollar aus und war damit weltgrößter Exporteur des
klimaschädlichen Brennstoffs].
## Canberra isoliert sich mit seiner Kohlepolitik
Das soll auch so bleiben, fordert die konservative Regierung von
Premierminister Scott Morrison; die sozialdemokratische Opposition stimmt
ihr zu. Morrison kündigte vor Kurzem an, die durch Corona ausgelöste
wirtschaftliche Krise mit einem Ausbau der Erdgasindustrie lösen zu wollen.
Milliarden Dollar sollen in die Erschließung neuer Gasfelder gesteckt
werden. Beim Abbau dieses kaum klimafreundlicheren Rohstoffs verwendet
Australien auch Fracking. Die Rohstoffindustrie unterstützt die großen
Parteien finanziell. Viele Mitarbeiter und Politiker der Regierung haben
enge Beziehungen zur Kohle- und Gaswirtschaft. Beim Ausbau der Erneuerbaren
hinkt Australien deshalb hinterher. Dabei gilt das Land als eines der
sonnigsten und windigsten Staaten der Welt und könnte einen Großteil seines
Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen decken.
[3][Auf internationaler Ebene ist Australien deshalb in der Kritik.] Die
einstige oberste UN-Klimadiplomatin Christiana Figueres hat den Ansatz in
der Klimapolitik diese Woche angesichts der eskalierenden Brände als
„selbstmörderisch“ bezeichnet. Die Welt warte „ungeduldig“ darauf, dass
Australien ein starkes politisches Rahmenwerk zum Klimawandel aufbaut,
sagte sie.
Den Vorschlag der Regierung Morrison, die Pariser Ziele mithilfe von
Übertragungsgutschriften leichter zu erreichen, wies sie zurück: Im Rahmen
des Kioto-Klimaabkommens, das von 2008 bis 2020 galt, hatte Australien
seine CO2-Reduktionsziele um 459 Millionen Tonnen übertroffen. Die
Regierung Morrison würde diese Menge nun gern für ihr Ziel mitverrechnen,
die Emissionen bis 2030 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 zu
senken. In der EU gibt es längst Stimmen, die Strafmaßnahmen gegen Canberra
nicht ausschließen, sollte Australien nicht bald mit glaubwürdigem
Klimaschutz beginnen.
4 Dec 2020
## LINKS
[1] /Artensterben-in-Australien/!5715863
[2] /Protest-gegen-klimaschaedliche-Banken/!5724430
[3] /Archiv-Suche/!5715860&s=australien&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Urs Wälterlin
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