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# taz.de -- Politikwissenschaftler über Venezuela: „Maduro sitzt fest im Sat…
> Die Venezolaner stimmen über ihr Parlament ab. Die Opposition könnte ihre
> letzte Bastion verlieren, sagt Politikwissenschaftler Andrés Cañizalez.
Bild: Guacara, Venezuela: Ein Graffiti zeigt Nicolás Maduro, den Präsidenten
taz: Herr Cañizalez, am Sonntag finden in Venezuela Parlamentswahlen statt.
Was bewegt die Menschen im Moment?
Andrés Cañizalez: Wir sind jetzt seit acht Monaten in Coronaquarantäne, das
hat die wirtschaftliche und soziale Situation nochmal verschlechtert. Die
meisten Menschen sind nur damit beschäftigt, für ihr Überleben zu sorgen.
Was esse ich morgen? Wo bekomme ich Gas, Wasser oder Benzin? Der
Mindestlohn beträgt umgerechnet 1 US-Dollar, eine Monatsrente im Schnitt
rund 0,50 US-Dollar. Es gibt [1][kaum funktionierende Krankenhäuser], auch
die staatlichen Essenspakete werden seltener und mit weniger Lebensmittel
ausgeliefert. Die Politik kümmert die meisten im Moment nicht, der Staat
kann die Bedürfnisse der Menschen nicht mehr erfüllen. Hinzukommt, dass es
keine Präsidentschafts-, sondern „nur“ Parlamentswahlen sind. Umfragen
rechnen mit einer Wahlbeteiligung von 30 Prozent bei normalerweise rund 50
Prozent.
Bei den Parlamentswahlen 2015 haben die Oppositionsparteien die Mehrheit
errungen. Der Vorsitzende des gewählten – und von Nicolás Maduro danach
entmachteten – Parlaments, [2][Juan Guaidó, hat sich zum Gegenpräsidenten]
ausgerufen. Wo steht die Opposition heute?
Es war damals der wichtigste Wahlsieg der Opposition in den letzten 20
Jahren. Die Oppositionsparteien waren in der „Mesa de Unidad Democratica“
vereint und haben die Wahlen sehr klar gewonnen. Die Protagonisten werden
aber [3][bei dieser Wahl nicht antreten]. Auf dem Wahlzettel werden zwar
eine Menge Parteien stehen, aber die wurden vom obersten Gericht
gleichgeschaltet oder es sind kleinere Parteien, die zwar in Opposition
sind, die aber keinen Wechsel anstreben, sondern ihre eigenen Pfründe
verteidigen wollen.
Und wie steht es um die bekannten Oppositionsfiguren?
Keiner von ihnen wird an den Wahlen teilnehmen. Guaidó und das Präsidium
des jetzigen Parlamentes werden eine Volksbefragung per Internet
durchführen, in der sich die Bürger auch dazu äußern sollen, ob sie gegen
die Wahlen sind. Diese Befragung ist schlecht organisiert und wird meiner
Meinung nach keine große Wirkung haben – 40 Prozent der Venezolaner haben
gar kein Internet. Leopoldo López, der Vorsitzende der Partei Voluntad
Popular, zu der auch Guaidó gehört, ist nach Jahren der Haft und des
Hausarrests ins Exil nach Spanien gegangen. Auch Enrique Capriles von
Primero Justicia hat sich zurückgezogen.
Was steht dann überhaupt auf dem Spiel am Sonntag?
Ich denke, die Regierung möchte das Parlament kontrollieren, auch wenn es
nur eine hohle Schale sein wird. Sie vernichtet damit die letzte Bastion
der Opposition. Wahrscheinlich gibt es auch einen ganz praktischen Grund:
Die befreundeten Länder China, Russland und Türkei können Venezuela dann
wieder Kredite geben. Denn laut venezolanischer Verfassung, muss jede
Staatsverschuldung vom Parlament abgesegnet werden.
Was wird nach den Wahlen geschehen?
Die große Frage ist, was mit Guaidó passiert, denn das Parlament war sein
einziger legitimer Rückhalt. Es ist nicht klar, wie sich die internationale
Gemeinschaft verhalten wird. Bisher hat nur die USA angekündigt, [4][Guaidó
weiterhin anzuerkennen]. Aber die Regierung Trump wird im Januar abgelöst.
Die Regierung Maduro sitzt fest im Sattel und sie ist sich ihrer Macht so
sicher, dass es ihr egal ist, ob irgendjemand die Wahlen anerkennt.
Wie könnte sich trotzdem etwas ändern?
Wenn es so weit ist für einen Wechsel, dann wird der wohl aus dem Chavismus
selbst kommen. Auch dort gibt es verschiedene Strömungen, die
Kommunistische Partei Venezuelas etwa hat sich von den Chavisten getrennt.
Die Kommunisten sind zwar eine sehr kleine Partei, aber bisher standen sie
immer an der Seite der Regierung. Die meisten Venezolaner lehnen Maduro ab.
Aber bisher kanalisiert niemand diese Ablehnung.
5 Dec 2020
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## AUTOREN
Hildegard Willer
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