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# taz.de -- Menschenrechtsverletzungen in China: Australiens Uiguren-Enthüller
> Der 23-jährige Nathan Ruser hat maßgeblich dazu beigetragen, das System
> geheimer Umerziehungslager für Muslime in Xinjiang aufzudecken.
Bild: Die Satellitenbilder zeigen Uiguren-Lager in China, hat die Denkfabrik As…
Canberra taz | Am Anfang waren es dünne Striche in der Wüste: Pfade, die
zeigen, wo Nutzer der bekannten Fitness-App Strava rennen. Nathan Ruser,
Student der Sicherheitspolitik in Canberra, begann sie zu sammeln. Schicht
um Schicht legte er die Streckenberechnungen übereinander, und bald ergab
sich ein Bild. Ruser, damals fast noch ein Teenager, hatte anhand der Daten
verschwitzter Elitesoldaten geheime Stützpunkte US-amerikanischer Truppen
in Syrien und Afghanistan identifiziert.
Das Pentagon war nicht begeistert. Es verbot den Kämpfern die Nutzung des
Programms. „Viele andere Leute nutzen sie immer noch“, sagt Ruser im
Gespräch mit der taz. „Und sie ist noch immer eine wichtige Quelle für
Informationen.“
Inzwischen ist der Australier 23 Jahre alt. Sein Hobby von damals ist heute
sein Beruf: Für die Denkfabrik Australian Strategic Policy Institute (ASPI)
analysiert er Satellitenbilder. Ihm ist es zu verdanken, dass die Welt bis
ins Detail erfährt, wie China Hunderttausende Uiguren in
Internierungslagern einsperrt, wie Peking [1][in der Provinz Xinjiang] die
muslimische Minderheit systematisch unterdrückt.
„Seit 2017 sind mindestens 300 Internierungslager errichtet oder ausgebaut
worden“, erzählt Ruser. Zwei Drittel der Moscheen in der Provinz seien
beschädigt worden. „Das bedeutet Entislamisierung oder komplette
Zerstörung.“ In den Umerziehungslagern in Xinjiang, oder
„Indoktrinierungslagern“, wie Ruser sie nennt, sollen bis zu einer Million
Uiguren gefangengehalten sein – eine Zahl, die China bestreitet.
## Akribische Suche
Für seine Recherchen arbeitet Ruser fast nur mit frei verfügbaren
Informationsquellen wie Google Earth und Google Maps. Auf von Satelliten
oder Flugzeugen aufgenommenen Bildern sucht er akribisch nach Veränderungen
der Landschaft, nach Neubauten, nach Umbauten. Neue, große Anlagen mit
Wachtürmen seien typisch für Lager.
Er und sein Team sichten auch Nachtbilder: Scheinwerfer, die hohe Mauern
und Zäune beleuchten, seien ein anderes Indiz. Er glaube zwar Chinas
Regierung, wenn sie behauptet, in jüngster Zeit [2][Uiguren aus der
Internierung entlassen zu haben]. Trotzdem habe er eine Verschärfung
festgestellt: „Leute aus Niedrigsicherheitsgefängnissen sind in
Hochsicherheitsanlagen umgesiedelt worden.“
Ruser nutzt auch Bilder, die von europäischen Satelliten aufgenommen wurden
oder sogar von chinesischen. Es sei bemerkenswert, dass alle Fotos auch im
Detailvergleich „dieselbe Geschichte erzählen“, wie Ruser meint. Es gäbe
keine Anzeichen dafür, „dass sie jemand mit Photoshop verändert hat“.
Der Analyst sieht sich nicht als Instrument des immer lauter werdenden
Verbalkrieges zwischen dem Westen und China. Gerade sein Heimatland
Australien liegt seit Monaten in einem eskalierenden Streit mit Peking.
## Scharfe diplomatische Noten
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, war Canberras
Forderung nach einer Untersuchung des Ursprungs des Coronavirus. Peking
fühlte sich brüskiert, beschuldigt. Es folgten Handelsboykotte, die vor
allem Australiens Kohleexporte nach China treffen, und scharfe
diplomatische Noten.
Chinesische Minister weigern sich inzwischen, einen Anruf ihres
australischen Gegenübers anzunehmen. „Ich liefere nur die Informationen“,
sagt Ruser. „Was die Politiker damit machen, ist nicht mehr meine Sorge.“
Er erkennt an, dass seine Arbeit schon dazu genutzt wurde, „um China zu
treten“. Die Verletzung der Menschenrechte aber würde ihre eigene Sprache
sprechen. „Sie muss nicht Teil einer größeren Geschichte sein“, sagt Ruse…
Zwar sei er von China nie bedroht worden. „Sie haben zwar meine
Beobachtungen analysiert, aber nie einen Fehler gefunden.“ Das bestätige
ihm die Qualität seiner Arbeit. Er sehe jedenfalls keinen Grund, verdeckt
zu arbeiten.
Zum Erstaunen vieler nutzt Ruser ein mit dem Betriebssystem Android
betriebenes, vergleichsweise unsicheres Mobiltelefon. Auch ist er auf
Facebook aktiv und auf Twitter. Zwar denke er darüber nach, sich wenigstens
digital besser zu schützen. „Aber ich bin noch immer der Meinung, dass sich
nicht verstecken muss, wer nichts verbrochen hat.“
Bald will er seine Arbeit ausdehnen. Über Satelliten will er entdecken, wo
Ökosysteme geschändet und die Natur durch Unternehmen oder Regierungen
vandalisiert werden. Eine weitere Aufgabe, die ihm bestimmt nicht nur
Freunde bringen wird.
30 Dec 2020
## LINKS
[1] /Verfolgte-Uiguren-in-China/!5644320
[2] /Minderheiten-in-China/!5661414
## AUTOREN
Urs Wälterlin
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