# taz.de -- Festnahme nach Ibiza-Affäre: Berliner Justiz prüft Auslieferung | |
> In Berlin wurde der mutmaßliche Macher des Ibiza-Videos festgenommen. | |
> Sein Anwalt wehrt sich gegen eine Auslieferung nach Österreich. | |
Bild: In dieser Finca entstand 2017 das Ibiza-Video | |
BERLIN taz | Die Fahnder griffen in Berlin zu. Vor knapp zwei Wochen wurde | |
Julian H. im Stadtteil Pankow verhaftet, seitdem sitzt der Österreicher in | |
der JVA Moabit. Wenn es nach seinem Heimatland geht, aber nicht mehr lange: | |
Österreich will die Auslieferung des 40-Jährigen. Nun wird der Fall zum | |
Politikum. | |
Denn Julian H. soll einer der Macher des Ibiza-Videos sein, [1][das den | |
österreichischen Rechtsaußen-Politiker Heinz-Christian Strache 2019 zu Fall | |
brachte]. Mittels einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte wurde | |
der damalige Vizekanzler und FPÖ-Politiker 2017 in eine Finca auf Ibiza | |
gelockt, zusammen mit dem FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus. Vor versteckten | |
Kameras stellte Strache dort Großaufträge in Aussicht und plauderte über | |
verdeckte Großspenden. Als das Video vom Spiegel und der Süddeutschen | |
Zeitung veröffentlicht wurde, flog die österreichische Regierung | |
auseinander. | |
Julian H., ein früherer Privatdetektiv, war danach abgetaucht. Die | |
österreichischen Behörden ermittelten aber nicht nur gegen Strache, sondern | |
auch gegen den mutmaßlichen Fallensteller. Sie suchten ihn mit einem | |
europäischen Haftbefehl. Das Berliner Kammergericht kam dem nach und erließ | |
im Juli einen Auslieferungshaftbefehl. Nicht für die Anfertigung des | |
Videos, wohl aber, weil H. mit dem Video Strache angeblich über einen | |
Mittelsmann erpresst habe. Zudem soll er an mehrere Personen insgesamt rund | |
2,5 Kilo Kokain verkauft haben. | |
Die Ermittler brauchten aber eine Weile, um herauszufinden, wo genau sich | |
Julian H. aufhielt. Sein Anwalt Johannes Eisenberg kritisiert dessen | |
Festnahme am 10. Dezember scharf und hält die Vorwürfe für vorgeschoben. | |
Denn Gerichte hatten die Anfertigung und Verbreitung des Ibiza-Videos wegen | |
des öffentlichen Interesses für gerechtfertigt erklärt. | |
## „Fake-Vorwürfe“ | |
Mit der „orchestrierten Verdachtskonstruktion“ soll Julian H. nun aber doch | |
noch verfolgt werden, kritisiert Eisenberg, der auch die taz | |
presserechtlich vertritt. So basierten die Drogengeschäfte auf | |
widersprüchlichen Aussagen einer Frau und auf denen eines Mannes, der H. | |
bereits in anderer Sache falsch beschuldigte. Auch habe H. das Ibiza-Video | |
weder an Strache verkaufen wollen, noch spreche der Politiker selbst von | |
einer Erpressung. Auch dieser Vorwurf sei „längst widerlegt“. | |
Eisenberg spricht von „Fake-Vorwürfen“ wie sie autoritäre Staaten auch | |
gegen andere Whistleblower erheben würden. Julian H. sei ein | |
„Antifaschist“, der eine Regierungsbeteiligung der [2][rechtsradikalen FPÖ] | |
mit beendet habe. Zudem sei sein Mandant über ihn stets zu Auskünften an | |
die Behörden bereit gewesen. Er sei im November per Video gar als Zeuge in | |
einem österreichischen Prozess zugeschaltet worden. | |
Ob es tatsächlich zu einer Auslieferung kommt, liegt nun in den Händen der | |
Berliner Justiz. Laut einer Sprecherin des Kammergerichts berät die | |
Generalstaatsanwaltschaft momentan über eine Vorabbewilligungsentscheidung | |
zur Auslieferung. Danach entscheide final das Kammergericht. Sowohl das | |
Gericht als auch die Staatsanwaltschaft erklärten, eine Entscheidung sei | |
noch offen. | |
Die rot-rot-grüne Landesregierung hält sich in dem Fall bisher zurück. Es | |
gehe um eine „unabhängige richterliche Entscheidung“, erklärte ein Sprech… | |
von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Eine politische Einmischung wäre | |
„sehr ungewöhnlich“. Zudem sei Österreich kein Unrechtsstaat, sondern „… | |
funktionierende Demokratie“. | |
Anwalt Eisenberg sieht das anders. Die FPÖ sei in Österreich seit Jahren | |
Staatspartei, ihre Anhänger besetzten auch in der Justiz wichtige Posten. | |
Er habe „erhebliche Zweifel“, dass für Julian H. in dem Land eine wirksame | |
Verteidigung möglich sei. Beschließe die Berliner Justiz tatsächlich, ihn | |
auszuliefern, werde er eine Verfassungsbeschwerde prüfen – und einen | |
Asylantrag für H. in Deutschland. | |
22 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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