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# taz.de -- Lehrerin über Schule und Corona: „Doppelt so viel Arbeit“
> Svenja Horn ist Lehrerin für Spanisch und Musik in Bremen. Der taz hat
> sie erzählt, wie ihre Arbeit in der Pandemie gelaufen ist. Ein Protokoll.
Bild: Digitale Lehre: Für Svenja Horn eignet sie sich nur als Übergangslösung
Seit August unterrichte ich in der sechsten und neunten Klasse Spanisch und
Musik an der Neuen Oberschule Gröpelingen. Es ist meine erste Stelle nach
dem Referendariat. Den Sommer über hat Corona im Alltag wenig Raum
eingenommen. Es hat sich ziemlich normal angefühlt. Das war gut für mich,
schließlich war ich an einer neuen Schule mit einem neuen Kollegium und
neuen Schüler*innen.
Vor den Herbstferien gab es dann den ersten Fall, ein Jahrgang musste in
Quarantäne. Es war keine meiner Klassen dabei, aber ich habe trotzdem
gemerkt, dass das Virus näher kommt. Mitte November fand der Unterricht an
zwei Tagen ausschließlich online statt, da zu viele Lehrkräfte in
Quarantäne waren.
Seitdem läuft der Unterricht in Halbgruppen. Jede Klasse wird in zwei
Gruppen geteilt: Gruppe A hat montags, mittwochs und freitags
Präsenzunterricht, Gruppe B dienstags und donnerstags. In der nächsten
Woche tauschen beide Gruppen die Präsenztage und so weiter.
Im Sinne des Infektionsgeschehens ist es schon wichtig, die Personenzahl zu
reduzieren. Die Räume sind dadurch deutlich ruhiger und leerer. Es ist
leichter, ausreichend Abstand zu halten, und das ist wiederum gut für das
Sicherheitsgefühl. Aber es fehlt an sozialer Dynamik und Interaktion. Viele
freundschaftliche Verbindungen sind getrennt in den Halbgruppen. Die
Schüler*innen vor Ort können gut betreut werden, aber es gibt schon
Probleme mit der digitalen Lehre. Inhaltlich und fachlich ist es nur eine
Übergangslösung.
Manche Schüler*innen sehe ich nur alle zwei Wochen. Da verliere ich
schneller den Kontakt und weiß nicht mehr immer so genau, ob die noch alle
mitkommen. Ich kann sie weniger beim Lernen begleiten. Musikpraxis
funktioniert nur, wenn man zusammen ist. Und in Spanisch wird momentan eher
die Schreibkompetenz gefördert als das Sprechen.
Die ersten Wochen im Halbgruppenunterricht waren die wohl
arbeitsintensivsten bislang. Ich hatte das Gefühl, doppelt so viel zu
arbeiten. Neben dem Unterricht für Gruppe A muss ich ja auch Gruppe B
Arbeitsaufträge online zukommen lassen. Und wenn die mir etwas schicken,
möchten sie natürlich auch Rückmeldungen dazu erhalten. Neben dem
Präsenzunterricht muss ich auch den digitalen vor- und nachbereiten. Da ist
es gar nicht so leicht, den Überblick zu bewahren.
Außerdem ist die digitale Lehre abhängig von der Internetverbindung und der
Lernplattform, die wir nutzen. Für eine Doppelstunde hatte ich
Arbeitsaufträge geschrieben und hochgeladen, und dann stellte sich heraus,
dass die Schüler*innen die Aufträge nicht öffnen konnten. Also musste ich
ihnen den Auftrag in einer Zoomkonferenz noch einmal erklären. Mein
Teamleiter sagt: Wir gehen neue Wege, es muss nicht immer alles klappen. Es
ist eine lehrreiche Zeit, aber ich hatte den Alltag aus August und
September lieber.
Prüfungen sind ein schwieriges Thema. In der ersten Woche der Halbgruppe
sollte ein Klassentermin für alle stattfinden. Dann hat in der ersten Woche
die erste Hälfte eine Arbeit geschrieben, und die zweite in der Woche
danach. Dazu musste ich natürlich eine zweite Arbeit entwerfen, und für
zwei Nachschreibtermine noch zwei.
Für diese Woche habe ich mir vorgenommen, nicht mehr zweigleisig zu fahren,
sondern den Unterricht um ein Projekt herum zu planen. Die versprochenen
Tablets sind nach den Herbstferien tatsächlich angekommen. Das ist gut,
denn jetzt ist gewährleistet, dass jede*r Schüler*in ein Endgerät hat. Ich
habe mir für den Spanischunterricht überlegt, dass sie zwei Wochen lang mit
Fotos und Videos zu einem Thema arbeiten. Sie sollen ihren Alltag
festhalten und auf Spanisch kommentieren. Das können sie in der Schule
machen, aber auch Zuhause. Und ich muss nicht jeden Schritt intensiv
begleiten. Für die Schüler*innen ist das ein cooles Projekt und für mich
eine spürbare Entlastung.
Die Tablets sind schon eine Bereicherung. Auch ich muss mich damit
beschäftigen und kreative Konzepte entwickeln. Als Berufseinsteigerin bin
ich da noch flexibel, für vieles habe ich noch kein Konzept. Neulich habe
ich mir den ganzen Tag Apps angeschaut und Videos gemacht. Das ist auch
Arbeit, hat aber Spaß gemacht. Meine Kolleg*innen sind relativ jung und
motiviert. Sie haben wenige Probleme im Umgang mit Technik. Und den
Schüler*innen muss ich sowieso nicht erklären, wie sie Videos machen und
Apps bedienen – das können die meisten besser als ich. Mir gefällt auch die
Kombination aus Praxis und Tablet. Es ist eine gute Vorbereitung auf das
spätere Leben, dass die Schüler*innen recherchieren lernen und Videos
drehen. Selbstständiges Lernen wird so gefördert. Die meisten kriegen es
gut hin.
Sowohl bei meinen Kolleg*innen als auch bei den Schüler*innen beobachte
ich, dass es einen großen Zusammenhalt gibt. Sie helfen sich gegenseitig
und berichten von Erfolgserlebnissen. Ich habe keinen Vergleich dazu, wie
es vor Corona war, aber es fällt mir positiv auf. Mein Grundgefühl ist
positiv, auch wenn ich den Berufsalltag derzeit als herausfordernd
empfinde.
29 Dec 2020
## AUTOREN
Sebastian Krüger
## TAGS
Bremen
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