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# taz.de -- Coronamythen und Fakten: Forschungsstand ist keine Meinung
> Die Pandemie als Kommunikationsproblem: Ein wenig Mythenglaube müssen wir
> meist tolerieren. Doch Maskentragen ist keine Privatsache.
Bild: Corona-Verharmloser am 18.11. in Berlin: Mythenglaube sprießt an unerwar…
Völlig unerfahren sind wir dieses Jahr nicht nur in die Pandemie, sondern
auch in die Pandemiekommunikation hineingeschlittert. Und je länger das
öffentliche, insbesondere aber das private Coronagespräch dauerte, desto
deutlicher wurde die Notwendigkeit zu unterscheiden: zwischen denen, die
mit Argumenten ohnehin nicht zu erreichen sind – und jenen, mit denen der
Austausch noch fruchtbar ist.
Der Punkt für diese Unterscheidung liegt irgendwo auf der Skala von „Corona
gibt’s gar nicht“ bis „Die Maßnahmen der Bundesregierung taugen nicht“…
„Corona gibt’s gar nicht“ mag schon seit dem Frühjahr niemand mehr
ansetzen. Über „Die Maßnahmen der Bundesregierung taugen nicht“ lässt si…
zweifellos diskutieren. Die Sache ist allerdings erstens zu ernst und
zweitens zu naturwissenschaftlich, um hier nach ideologischen Positionen zu
suchen – nach dem Motto: Was die sonst so sagen, gefällt mir auch, da
schließ ich mich mal an.
Corona ist deshalb solch ein Kommunikationsproblem, weil es hier eben
gerade nicht um ideologische, also im Kern moralische Fragen geht. Mit
denen hat die demokratische Öffentlichkeit umzugehen gelernt, darüber
streiten wir gerade dann besonders gern, wenn uns Positionen als
„alternativlos“ vorgestellt werden. Pandemiebekämpfung aber fordert erst
einmal Einsicht in die Hoheit der Fakten, der Wissenschaft.
Und es stellt sich heraus, dass sich daraus schon eine ganze Menge
Handlungserfordernisse ableiten. Insofern stimmt die Beschwerde darüber,
dass die Wissenschaft neuerdings Politik mache: Wer akzeptiert, wie
gefährlich das Virus ist, muss seine Politik daran ausrichten. Als
Handlungsspielraum bleibt die Abwägung, wem am besten wie zu helfen sei.
## Privatsache wird zum Skandalon
Ansonsten ist ein Stand der Forschung eben alternativlos, denn es ist der
international anerkannte, nach hohen Standards ermittelte Pegel einer
Erkenntnis. Die Falsifikation, der mögliche Irrtum also, ist darin schon
eingepreist – wenn morgen die gut gemachte Studie kommt, die alles über den
Haufen wirft: okay. Aber heute gehen wir von diesem Stand aus.
Allzu günstige Polemik von der Art „Glaube keiner Statistik, die …“ oder
„Zwei Wissenschaftler, drei Meinungen“ verbietet sich im Fall Corona. Die
demokratische Öffentlichkeit hat in diesem Jahr viel darüber gelernt, wie
transparent die wissenschaftliche Öffentlichkeit ist. Man kann hier live
beobachten, wie die virologische und epidemiologische Gemeinde sich
kurzschließt, in einem rasenden, von Veröffentlichungseitelkeiten
ausnahmsweise kaum getrübten Austausch über das Virus.
Dahinter zurück fallen aber ebenjene, die entweder generell keinen Wert auf
Erkenntnis legen – oder die zwischen naturwissenschaftlichem
Erkenntnisstand und Ideologie keinen Unterschied erkennen. Was
jahrzehntelang gar kein Problem war – dass ein Bekenntnis zu den Werten der
Aufklärung durchaus quasi-religiöse Einsprengsel einschloss –, wird in der
Pandemiediskussion zum Skandalon, zu dem Faktor, der Freundschaften
beendet, Familien spaltet.
Wo der Mythenglaube sprießt
Bisher galt: Dass der Vater, nüchterner Finanzbeamter, an Horoskope glaubt
– sei’s drum. Dass die Freundin, langzeitstudierte Historikerin, kein
homöopathisches Kügelchen auslässt – bitte schön. Vorbei. „Wie hast du�…
mit der Wissenschaft?“, das ist die Frage der Pandemie, sie ist
unausweichlich, wenn man über Corona, also unser aller Alltag reden möchte.
Irgendwann einmal war der Alltag willkommener Ablenkungsgegenstand, wenn
die Rede über Politik oder Religion plötzlich anstrengend wurde. Auch das –
vorbei.
Es heißt, in den USA hätten viele Leute eine regelrechte Meisterschaft
darin entwickelt, selbst an langen Abenden nicht über Politik zu reden, um
den sonst unausweichlichen Streit über Donald Trump zu vermeiden.
Vielleicht muss man das in der Pandemie auch lernen: Dass in der
vermeintlich vollends aufgeklärten Welt ein Gutteil Mythenglaube an Stellen
sprießt, wo man ihn nicht erwartet – und wo man ihn nicht mit einem
mild-zivilisierten „Nun, Religion ist Privatsache“ wegfächeln kann.
Gleichzeitig müssen diejenigen, die den Forschungsstand für eine Meinung
halten, mindestens das akzeptieren: Sie werden weiterhin deutlichen
Widerspruch ernten.
Und sie dürfen niemanden gefährden. Diskutieren – ja, unbedingt. Aber nur
mit Maske.
17 Dec 2020
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Wissenschaft
Verschwörungsmythen und Corona
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