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# taz.de -- Deutsche Corona-Impftermine: Der Impfskandal ist keiner
> Es ist der EU hoch anzurechnen, dass sie den Corona-Nationalismus ihrer
> Mitgliedsländer abgebremst hat. Alle fangen gleichzeitig mit dem Impfen
> an.
Bild: Die Impfampullen sind vorerst noch knapp
Es wirkt wie der perfekte Skandal: Deutschland hat den revolutionären
Impfstoff von Biontech/Pfizer mit 325 Millionen Euro gefördert – und
trotzdem wird hierzulande noch nicht geimpft. Andere Länder hingegen sind
längst vorgeprescht. In den [1][USA] und auch in [2][Großbritannien] wird
das Vakzin bereits massenhaft verabreicht, und extrem gefährliche
Nebenwirkungen sind bisher nicht zu erkennen.
Es entsteht der Eindruck, als würde Deutschland Kranke und Alte in einen
unsinnigen Tod schicken. Die Rechnung ist schnell aufgemacht: Wer geimpft
ist, kann nicht mehr an Corona sterben. Also bedeutet jeder Tag ohne
Impfung, dass Tote zu beklagen sind, die man eigentlich hätte retten
können. Warum also sind die Europäer so schnarchig?
Eine gängige Vermutung lautet, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur
(EMA) ein bürokratisches Monster sei, dessen Beamte Dienst nach Vorschrift
schieben. Doch dieser Vorwurf ist ungerecht, denn die EMA betritt Neuland.
Sie ist die erste Behörde weltweit, die eine „bedingte“ Zulassung erteilt.
Der Impfstoff wird also regulär überprüft, wofür Biontech/Pfizer
umfangreiche Daten über ihre Testergebnisse liefern mussten.
Die USA und Großbritannien hingegen haben Notfallgenehmigungen erteilt und
den Impfstoff weniger gründlich kontrolliert. Das birgt nicht nur Gefahren
für die Patienten – langfristig könnte es auch den Erfolg der Impfkampagne
torpedieren.
Das Coronavirus ist nur unter Kontrolle zu bekommen, wenn sich etwa 70
Prozent der Bevölkerung impfen lassen. Die Mehrheit der BürgerInnen muss
[3][dem Medikament vertrauen] – aber dieses Vertrauen könnte durch eine
überhastete Zulassung verloren gehen.
Zudem wäre es ein Missverständnis, zu glauben, dass man mehr Menschen
impfen könnte, je früher die Aktion beginnt. Denn Impfampullen sind vorerst
knapp, weil Biontech/Pfizer und andere Firmen gar nicht so schnell liefern
können, wie die Staaten impfen wollen. Bis zum Sommer können nur 60 Prozent
der Bevölkerung geschützt werden.
Die Impfungen sind also vorerst keine Wunderwaffe, sondern es bleibt
unbequem. Alle BürgerInnen müssen weiterhin ihre Kontakte reduzieren, wenn
es nicht zu immer neuen Corona-Ausbrüchen kommen soll. Die Impfungen
schützen zwar Einzelne, vor allem die Schwächsten, aber noch bieten sie
keine Vollkaskoversicherung für die gesamte Gesellschaft. Partys müssen
warten.
Doch oft geht es nicht um die platte Realität, sondern um Nationalismus. Es
wird zu einem Symbol patriotischen Stolzes, wer zuerst welchen Impfstoff
injiziert. Die USA und Großbritannien gerieren sich, als hätten sie das
Vakzin von Biontech/Pfizer erfunden.
Es ist der EU hoch anzurechnen, dass sie den Coronanationalismus ihrer
Mitgliedsländer abgebremst hat. Die Impfstoffe werden gerecht auf alle
EU-Staaten verteilt – und alle fangen gleichzeitig mit dem Impfen an. Auch
dafür steht die EMA: für ein geeintes Europa.
15 Dec 2020
## LINKS
[1] /Aktuelle-Entwicklungen-in-der-Coronakrise/!5737694
[2] /Coronavakzin-im-Vereinigten-Koenigreich-zugelassen/!5734737
[3] /Biochemiker-ueber-Sicherheit-von-Corona-Impfstoffen/!5727779
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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