# taz.de -- Veteranin der türkischen Frauenbewegung: Auszeichnung für langen … | |
> Seit den 80ern setzt sich Cânân Arın für Frauenrechte ein. Dafür wird die | |
> Juristin mit dem Anne-Klein-Frauenpreis geehrt. | |
Bild: Die türkische Juristin und Frauenrechtlerin Cânân Arın erhält den An… | |
ISTANBUL taz | Cânân Arın ist so etwas wie die Veteranin der modernen | |
türkischen Frauenbewegung – nicht so umstritten wie Alice Schwarzer in | |
Deutschland, aber genauso wichtig in der Türkei. Am Donnerstag gab die | |
Heinrich-Böll-Stiftung bekannt, dass die 1942 geborene Feministin den | |
Anne-Klein-Frauenpreis 2021 zugesprochen bekommt. Das ist eine schöne | |
Anerkennung für eine Frau, die seit den 80er Jahren zu den prägenden | |
Figuren der türkischen Frauenbewegung gehört. | |
Arın kommt aus einer kemalistischen Beamtenfamilie in Ankara, für die die | |
Gleichberechtigung der Frau quasi zur Staatsdoktrin gehörte. Wie ihre | |
beiden Brüder konnte sie studieren und promovierte in Jura und | |
Politikwissenschaften in London. Danach kehrte sie in die Türkei zurück und | |
gründete eine Anwaltskanzlei, die sich gezielt um Frauen kümmerte, die von | |
ihren Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern unterdrückt wurden oder | |
gar physischer Gewalt ausgesetzt waren. | |
Aus diesen Erfahrungen heraus beteiligte sie sich Anfang der 80er Jahre an | |
einer Initiative zur Gründung unabhängiger Frauenhäuser, in denen bedrohte | |
Frauen Zuflucht suchen konnten. Nach Jahren des Kampfs um Geld und die | |
rechtliche Anerkennung als Verein wurde 1990 das erste Frauenhaus der | |
Stiftung Mor Çatı (Lila Dach) gegründet. Etliche weitere in anderen Städten | |
folgten. | |
Doch Arın gab sich nicht damit zufrieden. Knapp zehn Jahre später entstand | |
auf ihre Initiative ein Zentrum für Frauenförderung innerhalb der | |
Istanbuler Anwaltskammer, um Frauen gezielt in Studium und Beruf zu | |
unterstützen. Zu dem Zeitpunkt war sie bereits eine international | |
anerkannte Expertin für Frauenrechte, die bei diversen Kommissionen der UNO | |
und dem Europarat mitarbeitete. | |
2012 landete sie fast im Knast | |
Anfangs unterstützte sie noch die neue islamisch-konservative Regierung der | |
AKP und beteiligte sich an der Erarbeitung einer Strafrechtsreform, die | |
unter anderem die Gleichberechtigung von Frauen bei Scheidungsverfahren zum | |
Ziel hatte. Aber die Unterstützung wandelte sich schnell in massive Kritik, | |
als klar wurde, dass deren starker Mann [1][Recep Tayyip Erdoğan] das | |
Patriarchat für die einzig mögliche Gesellschaftsform hält. | |
Während einer Kampagne gegen die Zulassung von Kinderbräuten landete sie | |
2012 fast im Knast, weil sie die Frau des Propheten Mohammed und die | |
Ehefrau des damaligen Präsidenten Abdullah Gül als Beispiele angab. Beide | |
waren mit 14 verheiratet worden. | |
Doch Arın machte unverdrossen weiter. Sie beteiligte sich an der | |
Organisation KaDer, die sich für mehr weibliche Abgeordnete im Parlament | |
einsetzt. Zuletzt engagierte sie sich trotz ihres hohen Alters bei einer | |
Kampagne, die verhindern will, dass die AKP aus der 2003 ratifizierten | |
Istanbul-Konvention des Europarats austritt. In dem internationalen Vertrag | |
sind Frauenrechte völkerrechtsverbindlich festgeschrieben. Bis heute hat | |
sie sich trotz Rückschritten, wie etwa der [2][steigenden Zahl von | |
Feminiziden], nicht entmutigen lassen. | |
11 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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