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# taz.de -- Abgeordnetenhaus debattiert über Corona: Ladenschluss schon vor We…
> Auch verkaufsoffener Sonntag am 4. Advent soll weg: Gesundheit sei
> wichtiger als Shoppingerlebnis. Ex-AfD-Abgeordneter: Brauche kein
> Intensivbett.
Bild: Ärgert sich sehr über Shopping-Gedränge in Pandemiezeiten: Regierungsc…
Es ist eine interessante Strategie, die Michael Müller am Rednerpult wählt,
jedenfalls an diesem Donnerstagmorgen im Abgeordnetenhaus. Minutenlang
führt der Regierende Bürgermeister von der SPD in die sich zuspitzende
Coronalage ein, wird auch emotional, wenn auch bei Weitem nicht so wie die
Kanzlerin tags zuvor im Bundestag. Was in einem Zeitungstext oder in den
Radionachrichten zuerst käme, hebt Müller bis zum Schluss auf: die
Ankündigung, dass in Berlin schon vor Weihnachten Läden schließen, ab dem
20. oder 23. Dezember, und wie Schulen bis zum 10. Januar nicht wieder
öffnen dürfen. Auch den geplanten verkaufsoffenen Sonntag am 4. Advent soll
es nicht geben.
Corona prägt an diesem Vormittag erneut die Plenarsitzung des
Landesparlaments, ist Thema der zentralen Debatte der „Aktuellen Stunde“.
Grob zusammengefasst verteidigen die Koalitionsfraktionen den bisherigen
Shutdown und weitergehende Maßnahmen, ruft die CDU nach ihrer konsequenten
Umsetzung, während die FDP Müller vorwirft, den Berlinern ihr
Familienweihnachten zu nehmen. „Sie stehlen den Menschen einen Teil ihres
Lebens“, ist wiederum von der AfD zu den Coronamaßnahmen zu hören.
Beschließen lassen will Müller die Laden- und Schulschließungen am Dienstag
im Senat. Mit seinen Ankündigungen an diesem Vormittag greift er erneuten
Beratungen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin voraus, die offenbar
für das Wochenende vorgesehen sind. Sachsen hat bereits einen
weitreichenden Shutdown beschlossen, der Montag starten soll. Müller betont
ausdrücklich, dass Berlin sich mit Brandenburg abstimmen will – alles
andere würde zwangsweise zu großen Einkaufstouren ins jeweilige Nachbarland
führen.
Nach eher nüchterner Bestandsaufnahme wird Müller persönlicher, berichtet
von zwei an Corona gestorbenen Bekannten und kontert Kritik, gerade
kleinere Geschäfte mit dem Shutdown in den Ruin zu schicken. „Mir muss
keiner erzählen, wie es kleinen Selbstständigen und Handwerkern geht“, sagt
der Regierungschef – er hat mit seinem Vater früher einen Druckereibetrieb
geführt. In Richtung derer, denen die Maßnahmen zu weit gehen, sagt er: Wie
viele Tote sei einem denn ein Shoppingerlebnis wert? – „Ich will das
konkret jetzt mal hören.“
## „Es geht so nicht“
Deshalb soll es auch den geplanten erneuten verkaufsoffenen Sonntag am 4.
Advent wegen des befürchteten Gedränges nicht geben. Er habe sich das
selbst am vergangenen Wochenende zwischen Ku’damm und Wittenbergplatz
angeschaut, sagt Müller – „Es geht so nicht.“ Der Einzelhandelsverband w…
dem wenig später gegenüber der Deutschen Presse-Agentur widersprechen: „Die
Frequenz war bei Weitem nicht vergleichbar mit einem normalen
Adventssonntag.“ Teilweise habe es nur halb so viele Kunden gegeben.
Müllers SPD-Fraktionschef Saleh hat zuvor die für den Jahreswechsel
geplante Demonstration von Kritikern der Coronamaßnahmen kritisiert: Es
ärgert mich, wenn „einige 1.000 Betonköpfe“ dazu quer durch Deutschland
anreisen würden – „Das ist unanständig“. Salehs Botschaft: „Ihr seid …
Silvester in Berlin nicht willkommen.“
Während vor allem Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel vor großen Treffen an
Weihnachten warnt und dazu aufruft, zu Hause zu bleiben und nicht zu
Familie und Freunden zu reisen, hat FDP-Gesundheitsexperte Florian Kluckert
dafür kein Verständnis. „Hartherzig“ nennt er den Beschluss von Müllers
Senat, dass sich an den Feiertagen nicht wie anderswo in Deutschland zehn
statt fünf Menschen treffen dürfen. Weihnachten sei „nicht das Fest, wo der
Senat sich einzumischen hat, wie die Leute es feiern sollen“, sagt er.
Kluckert sieht auch keinen Anlass dafür, dass der Senat sich für bisherige
Schritte gegen Corona lobe: „80 Impfkabinen mit einem Kühlschrank in eine
leere Halle zu schieben ist kein Erfolg.“
Die persönlich möglicherweise folgenreichste Aussage kommt an diesem
Vormittag vom fraktionslosen 57-jährigen Ex-AfD-Abgeordneten Andreas Wild.
Nachdem der die Coronagefahr geleugnet und nahegelegt hat, in den
Leichentransportern vom März in Bergamo seien gar keine Toten gewesen,
fragt ihn die Grüne Antje Kapek, ob er angesichts dessen auf ein
Intensivbett verzichten würde. Wilds Antwort: „Ich brauche keinen Platz auf
der Intensivstation.“
10 Dec 2020
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Michael Müller
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Ramona Pop
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