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# taz.de -- Fußballklub Uerdingen ohne Geldgeber: Der hohe Preis des Investors
> Der Mäzen Mikhail Ponomarev kündigt seinen Rückzug beim
> Fußball-Drittligisten KFC Uerdingen an. Sein Erbe: ein kaputter Verein.
Bild: „Emotional müde geworden“: Investor Ponomarev ist für seine Kurzsch…
Als sich der Fußball-Drittligaverein KFC Uerdingen Ende November mit Kevin
Großkreutz vor dem Krefelder Arbeitsgericht traf, war Mikhail Ponomarev
nicht vor Ort. Was kaum jemanden wunderte, denn der Investor des
Fußball-Drittligisten wird bei derlei unappetitlichen Terminen selten
vorstellig. Diese Angelegenheiten erledigen seine Anwälte, die gut
beschäftigt sind. [1][Denn die Anzahl der Verfahren], die der KFC in den
vergangenen Jahren allein gegen nicht mehr willkommene Spieler und Trainer
führte, sind schon lange nicht mehr an zwei Händen abzählbar.
Meistens verliert der KFC die Prozesse. Wie auch den gegen Großkreutz, den
Weltmeister von 2014. Dem war Anfang Oktober fristlos gekündigt worden,
gleichzeitig waren die Gehaltszahlungen eingestellt worden. Großkreutz
hatte aber noch einen Vertrag bis Juni 2021. Und das Gericht entschied: Der
KFC muss dem Spieler ausstehende Gehälter und eine Abfindung zahlen. Von
insgesamt über 440.000 Euro war die Rede.
Ähnlich gingen die Dinge jüngst bei den Aussortierten Patrick Pflücke,
Alexander Bittrof, Tom Boere, Rene Vollath, Selim Gündüz und Dennis Daube
aus. Überall musste der zahlungsunwillige Verein im Nachhinein das
Portemonnaie doch noch öffnen. Auch der Ex-Kölner Dominik Maroh erstritt
vor Gericht noch einmal 150.000 Euro. Welche enormen Summen beim KFC
offenbar selbst in der Dritten Liga über den Tisch gehen, erscheint
mitunter schwindelerregend.
Doch der außerordentlich gute Verdienst in Krefeld könnte auch eine Art
Schmerzensgeld für die Spieler sein, wie zuletzt der aussortierte Selim
Gündüz in einem RevierSport-Interview erklärte: „Ich habe nirgendwo zuvor
so eine fehlende Menschlichkeit erlebt wie beim KFC Uerdingen. Ich bin mir
sicher, dass es das kein zweites Mal in Fußball-Deutschland gibt“, sagte
der jetzige Profi des Ligarivalen Hallescher FC. „Ich habe in Siegen,
Bochum, Darmstadt oder jetzt in Halle gespielt. Überall herrschen
professionelle Bedingungen, Strukturen vor. Beim KFC ist das nicht der
Fall. Ich würde niemandem raten, zum KFC Uerdingen zu wechseln – für kein
Geld der Welt.“
Investition von vielen Millionen Euro
Was man mit derlei Vereinspolitik erreicht? Nun, zumindest keine
Kontinuität. Spieler und Trainer geben sich ja gewissermaßen die Klinke in
die Hand. Man verliert leicht den Überblick, wie viele Trainer der KFC
allein seit 2016 geholt und wieder entlassen hat. Oder soll man besser
sagen: den Ponomarev geholt und wieder entlassen hat? Seit seinem Einstieg
2016 als Investor hält er 97,5 Prozent an der aus dem Verein
ausgegliederten KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH. Und investierte seither
viele Millionen Euro in das Team.
Für sein finanzielles Engagement forderte Ponomarev allerdings
Narrenfreiheit im Umgang mit seinem Personal ein. Der 46-Jährige
entscheidet alles – und zwar ganz allein nach Gutsherrenart. Seine
Wutausbrüche in der Mannschaftskabine sind legendär. Seine Rausschmisse
nach Kurzschlussreaktionen ebenso. Seit 2016 wurden Spieler und Trainer –
sehr gern einstige Bundesligahelden – zu Dutzenden geholt und wieder
weggeschickt.
Große Namen haben es dem Klubchef dabei angetan – [2][sogar Stefan
Effenberg war 2019 mal ein halbes Jahr lang als Manager dabei.] Momentan
sitzt mit Stefan Krämer seit März diesem Jahr ein Coach auf der Bank, den
Ponomarev im Januar 2019 schon einmal geschasst hatte. Allein zwischen
Krämers beiden Engagements, also zwischen Januar 2019 und März 2020, haben
sechs verschiedene Trainer beim KFC das Sagen gehabt.
Was das alles mit Fußball zu tun hat? Offensichtlich nur noch wenig, denn
die sportlichen Schlagzeilen des Drittligisten waren in der Ponomarev-Ära
vergleichsweise eher bescheiden. Zwar stieg der Verein nach Ponomarevs
Einstieg als Investor im Sommer 2016 in der Folge zweimal nacheinander auf,
danach stagnierte die Entwicklung aber.
Angesichts dieser erneut miesen Aussicht scheint der KFC-Investor nun die
Lust an seinem Engagement verloren zu haben. „Spätestens im Sommer 2021
steige ich aus, vielleicht schon früher“, kündigte Ponomarev am vergangenen
Wochenende an. Er sei „emotional müde geworden“, ließ er wissen. Ein
Szenario, das bei dem 46-Jährigen nicht unbedingt neu ist. Ponomarev
investierte schon in den russischen Eishockeyverein Metallurg
Magnitogorsk, den britischen Fußballverein AFC Bournemouth und seit seinem
Umzug ins Rheinland in die Eishockeyklubs Düsseldorfer EG und Krefeld
Pinguine. Wie Ponomarev zu Geld gekommen ist, bleibt nebulös. Einst in
Moskau bei einem großen Mineralölkonzern engagiert, war er anschließend in
der Geschäftsführung mehrerer Firmen aktiv, den Weg ins Rheinland soll er
vor rund zehn Jahren über eine in Düsseldorf gegründete
Unternehmensberatung gefunden haben.
Die parallel gestarteten Engagements im Profisport endeten jeweils bald in
Ärger, Streit und Trennung. Der Umgang mit dem Investor scheint nicht
gerade leicht. Vor allem dann nicht, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt.
Wie jetzt in Uerdingen. Statt den mit viel Aufwand anvisierten Aufstieg in
die Zweite Liga zu realisieren, blieb der KFC in der Dritten Liga hängen.
Das scheint auch in der laufenden Saison nicht besser zu werden. Nach 14
Spielen rangiert der KFC mit 16 Zählern auf Rang zwölf der Tabelle. Der
Abstand nach unten in die Abstiegszone ist kleiner als der zu den begehrten
Aufstiegsrängen.
Ponomarevs Anteile am KFC stehen nun zum Verkauf. Im Gespräch mit der
Westdeutschen Zeitung deutete der Geldgeber am Wochenende an, neue
interessierte Geschäftsleute kämen womöglich aus Armenien.
10 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.wp.de/sport/fussball/kfc-uerdingen-maroh-gewinnt-klage-grosskre…
[2] /Objekte-fuers-Bayern-Museum/!5686185
## AUTOREN
Olaf Jansen
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