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# taz.de -- Karriereende eines Fußball-Weltmeisters: Von heldenhaftem Charakter
> Kevin Großkreutz hat eine schier märchenhafte Karriere hinter sich. Auch
> beim Scheitern abseits des Platzes hat man ihm allzu gerne zugesehen.
Bild: Tschüss! Kevin Großkreutz vor der Südtribüne in Dortmund
In Dortmund, so hört man, bekommen die Menschen feuchte Augen, wenn sie den
Namen Kevin Großkreutz hören. Er ist ein Sohn der Stadt, und für so manchen
Dortmunder ist Großkreutz ein Bruder, ein Sohn, der Enkel. Er ist einer der
Ihren und man ist stolz auf ihn, weil er geschafft hat, wovon so viele
träumen und was eigentlich nicht mehr zu schaffen ist. Ein Dortmunder, der
mit Geburt in die Religionsgemeinschaft Borussia Dortmund aufgenommen
wurde, kann seine Kinderträume von Meistertiteln mit dem Klub, an den zu
glauben er erzogen wurde, tatsächlich verwirklichen.
Obwohl er nicht der Begabteste ist, rackert er sich in die erste Mannschaft
und darf sich nach zwei Meistertiteln und einem Pokalsieg sogar Weltmeister
nennen, auch wenn er 2014 in Brasilien keine einzige Minute gespielt hat.
Nachdem Großkreutz in dieser Woche angekündigt hat, seine Profikarriere zu
beenden und künftig als sogenannter Vertragsamateur in der Westfalenliga
beim Dortmunder Stadtteilklub TuS Bövinghausen zu spielen, erinnern sie
sich in Dortmund mit Wehmut an den Einsatz, den ihr Junge, ihr Sohn, der
Enkel für den BVB gezeigt hat. Ihm wird der Charakter zugesprochen, der den
Spielern der aktuellen Mannschaft des BVB angeblich fehlt.
Großkreutz steht für die Sehnsucht nach dem Malocher auf dem Platz, er
steht fürs Beißen und Kratzen, was vielen immer als höchste Fußballtugend
gilt. Zum kitschigen Dortmunder Fußballmärchen um Kevin Großkreutz passt
nur allzu gut, dass er es andernorts nie geschafft hat zu überzeugen. Der
Dortmunder hat sich eben nur für Dortmund den Allerwertesten so richtig
aufreißen können. In Stuttgart hat er kaum etwas auf den Platz gebracht, in
Darmstadt nicht und ebensowenig zuletzt beim Drittligisten [1][Uerdingen].
Wie soll das auch gehen? Er ist ja Dortmunder.
## Aus Schrot und Doppelkorn
Und dann bedient er noch eine andere Sehnsucht. Die macht ihn weit über
Dortmund hinaus zu einem wahren Helden des schlechten, alten, deutschen
Männerfußballs. Einem Helden, wie es sie früher haufenweise gegeben haben
soll, einem von echtem Schrot und Doppelkorn, einem mit Ecken und Kanten.
Einem, der schon mal in der Hotellobby in einen Blumenkübel uriniert, weil
er vor lauter Rausch das Klo nicht findet. Einem, der sich nochmal eben in
einem Pixiklo übergeben muss, bevor er in Berlin die Bühne der Fanmeile
betritt, um sich als Weltmeister feiern zu lassen. Einem, der mit
Jungendspielern ins Nachtleben von Stuttgart aufbricht, um den Jungs mal zu
zeigen, wie es in einem Puff zugeht.
Diese Geschichten werden gerne erzählt. Sie sorgen nicht für Empörung,
Entsetzen oder Mitleid. Sie lösen nicht selten anerkennendes Grinsen aus.
So wie Großkreutz in Dortmund für seinen Charakter als Spieler gefeiert
wird, so fliegen ihm die Herzen vieler zu, die sich an seinen
vermeintlichen charakterlichen Schwächen als Mensch nicht sattsehen können.
Einem Fußballer beim Scheitern im Leben zuzuschauen, scheint viel zu vielen
Menschen immer noch viel zu viel Spaß zu machen.
Die mitleiderregenden Bilder von Diego Maradona, der sich durch seinen
drogenbefeuerten Lebenswandel früh die Gesundheit total ruiniert hat, sind
immer auch gefeiert worden. Und jeder Absturz des einstigen englischen
Superkickers Paul Gascoigne hat neben Entsetzen immer auch für laute Freude
gesorgt. [2][Darauf einen Runde Jägermeister!]
Im November vergangenen Jahres hat die Nachricht die Runde gemacht hat,
Sat1 wolle Großkreutz für eine Reality Show anheuern. Irgendwas mit unter
Palmen. Es gibt wohl niemanden, der sich Großkreutz in einem solchen Format
nicht vorstellen kann. Auch das gehört zur Karrierebilanz des Dortmunder
Jungen.
29 Jan 2021
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## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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Felix Magath
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