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# taz.de -- Vereinspräsident Martin Kind abgewählt: Götterdämmerung bei Han…
> Martin Kind ist nicht mehr Präsident von Hannover 96. Allerdings behält
> er das Sagen in der Kapitalgesellschaft, in der der Profi-Fußball
> ausgegliedert ist.
Bild: Martin Kind bei der Mitgliederversammlung von Hannover 96 am vergangenen …
Hannover taz | Als die Auszählung zu Ende ist, wird Sebastian Kramer im
Sekundentakt umarmt und geherzt: Der ehemalige Fanbeauftragte wird nächster
Präsident von Hannover 96. Das ist die Folge der Mitgliederversammlung vom
Samstag, mit dem der Sieg der starken Opposition zum bisherigen Vereinsboss
Martin Kind markiert wird und die Hoffnung auf mehr Demokratie und
Transparenz verbunden ist.
Es ist eine kleine Revolution im Streit darum, wer im Profifußball künftig
mitreden darf: die Kapitalgeber oder auch die Vereinsmitglieder. Bundesweit
hatte die kritische Fanszene deshalb nach Hannover geblickt. Tatsächlich
hatten die Mehrheit der 2.150 Mitglieder auf der Versammlung in der
Sporthalle gleich neben dem Stadion von Hannover 96 mit ihrem Aufbegehren
Erfolg. Hannover 96 läuft allerdings Gefahr, Kind nicht nur als
Präsidenten, sondern auch als Geldgeber zu verlieren.
Jahrzehntelang konnte Kind als 96-Boss die Geschicke des Vereins nahezu
unbehelligt führen. Er steht dabei für den Versuch, die Geschäfte der
Bundesliga-Mannschaft vom Einfluss des Vereins zu trennen. Im deutschen
Fußball ist es üblich, dass die Mannschaften, die in der lukrativen
Bundesliga gegeneinander antreten, als Kapitalgesellschaften ausgelagert
sind – neben ihrem Verein. Auch um den Wettbewerb zu schützen, erließ die
Deutsche Fußball-Liga (DFL) aber die Regel, dass der Verein bei der
Kapitalgesellschaft immer mindestens eine Stimme Mehrheit haben soll – die
sogenannte 50+1-Regel.
Genau die allerdings will der 96-Investor Kind aushöhlen und den Profisport
vom Verein abkapseln. Einen entsprechenden Antrag hat er bei der DFL
gestellt. Käme er damit durch, würde das den deutschen Fußball verändern.
## Vereinsführung sperrte sich trotz Gerichtsverfügung
Doch Kinds Alleinherrschaft sind nun seit Samstag Grenzen gesetzt. Zwar
behält er in der Kapitalgesellschaft das Sagen, als Präsident des
Stammvereins ist er aber Geschichte. Ab sofort muss er sich zudem mit einem
neuen Aufsichtsrat des Vereins auseinandersetzen, der von seinen Gegnern
komplett dominiert wird.
„Wir wollen mehr Transparenz und Offenheit“, sagte der designierte neue
96-Präsident Kramer. Er sei nicht gegen Kind als Person angetreten, sondern
gegen das sogenannte Kind-System, sagte er. „Die Demokratie bei Hannover 96
muss wieder gestärkt werden“, sagte der ehemalige 96-Profi Carsten Linke.
Er gehört dem neuen Aufsichtsrat mit Ralf Nestler, Jens Boldt, Lasse Gutsch
und Nathalie Wartmann an. Sie alle eint der Wunsch, die lange Ära von Kind
mit vielen eigenwilligen Entscheidungen einer kritischen Aufarbeitung zu
unterziehen.
Die Wucht, mit der sich die Opposition gegen Kind durchsetzen konnte, war
verblüffend. Denn schon der Wahlkampf im Vorfeld der Mitgliederversammlung
war von einer Schieflage geprägt. Bis zuletzt hatte sich die Vereinsführung
trotz einer richterlichen Anordnung geweigert, der Opposition die Daten
sämtlicher Mitglieder für eine umfassende Information zugänglich zu machen.
## Fangesang wie im Stadion
Was mit dem Bedürfnis nach Datenschutz begründet wurde, passte in das Bild
eines Regiments, das über Jahre viel zu selten Einblicke in wesentliche
Abläufe gewährt hat. Der angehende Präsident Kramer hat als bisheriges
Aufsichtsratsmitglied bereits miterlebt, wie wenig man unter der Regie von
Kind mitbestimmen und kontrollieren kann. „Wir haben es möglicherweise
geschafft, die Strukturen aufzubrechen“, sagte Kramer nun.
Die Bedeutung des Schrittes war am Samstag spürbar. Nach mehr als vier
Stunden war lauter Jubel zu hören. Mit Sprechchören, die man sonst nur aus
dem Stadion kennt, wurde der Machtwechsel gefeiert. Der strenge Tonfall des
Versammlungsleiters half wenig. Der SPD-Politiker Hauke Jagau ist Präsident
der Region Hannover und würgte als Moderater und Schlichter so manchen
unsachlichen Diskussionsbeitrag souverän ab.
Die Freude über die kleine Revolution bleibt von einem düsteren Szenario
begleitet. Das Profiteam von Hannover 96 steht vor dem erneuten Abstieg aus
der Bundesliga. Im Geschäftsjahr 2018 hat die dazugehörige
Kapitalgesellschaft einen Verlust von rund 18 Millionen Euro
erwirtschaftet.
## Bleibt er oder geht er?
„Ich find’s zum Kotzen“, gestand Kind. Nach mehr als 20 Jahren an der
Spitze des Stammvereins bekam er zwar auch Applaus, wurde aber nachträglich
noch einmal abgewatscht. Denn wie im Vorjahr wurde dem Vorstand und
Aufsichtsrat die Entlastung verweigert. Bis heute fehlt es den
Vereinsmitgliedern zum Beispiel an Transparenz in der Frage, ob die
Markenrechte an Hannover 96 für zu wenig Geld vom Sportverein an die
Kapitalseite übergegangen sind.
Ebenso zweifeln sie an, dass Kind sich wegen der 50+1-Regel an die DFL
wenden durfte, ohne die Mitglieder um Erlaubnis zu fragen. Diese Fragen
müssen fortan gemeinsam besprochen werden. Ob das den verfeindeten Lagern
von Kind auf der einen und Kramer auf der anderem Seite konstruktiv
gelingt? Die Positionen der Kapitalseite und der Mitglieder liegen sehr
weit auseinander.
Zur Zukunft des Vereins hat Kind am Samstag geschwiegen. Zu klären bleibt,
ob er als Hauptgesellschafter und Mäzen erhalten bleibt, oder ob er sich
komplett zurückzieht.
25 Mar 2019
## AUTOREN
Christian Otto
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50+1-Regel
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Hannover 96
Demokratie
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