Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Privatisierung des Fußballs: Kind macht Rückzieher
> Nach jahrelangem Streit bei Hannover 96 hat Martin Kind den Antrag für
> eine Ausnahmeregelung von der 50+1-Regel zurückgezogen. Bisher ohne
> Erklärung.
Bild: Die Fans wollen Kind (l.) schon seit Jahren loswerden: hier bei einem Spi…
Hannover taz | Sein Rückzieher wirft jede Menge Fragen auf. Warum bloß gibt
Martin Kind, der unbeliebte Vorstandsvorsitzende von Hannover 96, klein
bei? Wieso hat er kein Interesse mehr daran, für sich und seinen Verein
eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel zu erstreiten?
Die im deutschen Profifußball geltende Regel begrenzt den Einfluss externer
Investoren und schützt die Mitbestimmungsrechte der Vereinsmitglieder. Kind
hat als langjähriger Präsident, Mäzen und Hauptgesellschafter von Hannover
96 über Jahre darum gekämpft, dass die Kapitalseite an Macht gewinnt und
nicht mehr darauf hören muss, was die Mitglieder wollen. Dafür ist er
angefeindet und beleidigt worden. Lange Zeit hatte ihn das nur noch
angriffslustiger gemacht. Dass das Gezeter nun ein Ende gefunden hat, ist
nach all dem Zoff kaum zu glauben.
Keine Stellungnahme, keine Erklärung, kein neuer Weg: Es wird gute Gründe
haben, dass Kind zu seinem überraschenden Entschluss schon seit einer Woche
schweigt. Einerseits soll nach dem Abstieg aus der 1. Bundesliga nicht auch
gleich noch die Spielzeit 2019/20 durch das Reizthema 50+1 belastet werden.
Hannover 96 müht sich um sportlich bessere Zeiten.
Im ersten Heimspiel der neuen Saison gelang am Samstag zumindest ein 1:1
gegen Jahn Regensburg. Die Mehrheit der 28.000 Zuschauer im Stadion am
Maschsee konzentrierte sich gut gelaunt auf den Sport und blieb vom ewigen
50+1-Theater verschont. Eine solche Gemengelage kann bereits als Erfolg für
einen innerlich zerstrittenen Verein bezeichnet werden.
## Es wird wieder geredet
Hinter den Kulissen von Hannover 96 wird offenbar wieder miteinander
gesprochen und nach einer Lösung gesucht. Kind hat weiterhin in der
Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die den Profisport verantwortet, das Sagen.
Sebastian Kramer wiederum, sein Nachfolger an der Spitze des eigentlichen
Sportvereins Hannover 96, kämpft um ein Mitspracherecht des Stammvereins.
Er führt eine breite Opposition an, die sich mit der Machtfülle von Kind
und dessen Verständnis von Vereinsdemokratie nicht abfinden will. Offenbar
ist es gemeinsam und mit langem Atem gelungen, Kind zum Umdenken zu
bewegen.
Der Streit um die 50+1-Regel geht immer mehr Fußballfans auf die Nerven.
Kind versuchte die Ausnahmeregelung im Alleingang zu erzwingen, gegen den
Willen vieler Mitglieder. Dass sein Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von
der 50+1-Regel, wie sie bereits für den VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und
die TSG Hoffenheim gilt, nun zurückgezogen worden ist, macht in Hannover
den Weg frei für mehr Ruhe und konstruktive Gespräche.
Dafür ist es auch höchste Zeit: Dem Breitensportverein Hannover 96 geht es
nicht gut. Dass ihm eine Insolvenz drohen könnte, hat der Verein bestätigt.
Zwei Abstiege innerhalb von drei Jahren aus der 1. Liga haben das 96-Image
beschädigt und der für den Profifußball zuständigen Gesellschaft hohe
Verluste beschert. Das bekommt auch der Stammverein zu spüren.
Die Gründe dafür, warum all der Streit um eine angedachte Aufweichung der
50+1-Regel plötzlich nicht mehr so wichtig erscheint, will Kind in Kürze
darlegen. Hoffentlich findet er ein paar gute. Denn nüchtern betrachtet,
hat das Hickhack um die Macht bei Hannover 96 dem Verein deutlich mehr
geschadet als genutzt.
Mehr als 20 Jahre lang hat sich Kind für die Belange des Klubs engagiert,
dabei aber alle Macht Stück für Stück an sich gezogen. Im Alter von 75
Jahren steht er jetzt vor der Frage, was das eigentlich gebracht hat. Sein
ursprüngliches Ziel, Hannover 96 zu einer nationalen und internationalen
Marke zu entwickeln, ist mit Hilfe sportlicher Höhenflüge nur
zwischenzeitlich erreicht worden.
Aktuell geht es eher darum, dem Verein eine neue Perspektive zu geben.
Falls Kind wirklich erkannt haben sollte, dass es mit Klagen vor Gericht
und Streit mit den Fans einfach nicht vorangeht, wäre eine wichtige
Lernkurve zu bejubeln. Ohne Theater um die 50+1-Regel würde es einfach
wieder nur darum gehen, dass Hannover 96 als regionale Marke Spaß macht und
Erfolg hat.
4 Aug 2019
## AUTOREN
Christian Otto
## TAGS
50+1-Regel
Fußball
Fußball-Bundesliga
Hannover 96
Martin Kind
Profi-Fußball
Hannover 96
Kolumne Frühsport
Schwerpunkt Rassismus
Hannover 96
Fußball
50+1-Regel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Personalentscheidungen von Hannover 96: Zum Gespött gemacht
Auf den geschassten Hannover-96-Sportdirektor Jan Schlaudraff folgt Gerhard
Zuber. Mit ihm hat der Verein eigentlich Streit.
Der tiefe Sturz der Absteiger: Trügerische Selbstwahrnehmung
Hannover 96 droht das Los vieler einstiger Erstligaklubs. Dem weiteren
Abstieg ist man nach der Pleite gegen Nürnberg näher als dem
Wiederaufstieg.
Rassismus des Schalke-Aufsichtsrates: Tönnies lässt Amt nur ruhen
Clemens Tönnies kommt nach rassistischen Äußerungen ohne ernste
Konsequenzen davon. Drei Monate lang lässt er sein Amt bei Schalke nun
ruhen.
Hannover 96 kabbelt sich mit Fans: Der Stromhäuschen-Battle
Fans und der Verein Hannover 96 kämpfen um das letzte Wort: Der eine malt,
der andere streicht drüber. Wieder mal geht es um Tradition und Zukunft.
Hannover 96 nur noch zweitklassig: Ratlos vor den Trümmern
Hannover 96 ist am Samstag vorzeitig aus der 1. Fußball-Bundesliga
abgestiegen. Wie es weitergehen soll, ist ob der Querelen im Verein völlig
unklar.
Vereinspräsident Martin Kind abgewählt: Götterdämmerung bei Hannover 96
Martin Kind ist nicht mehr Präsident von Hannover 96. Allerdings behält er
das Sagen in der Kapitalgesellschaft, in der der Profi-Fußball
ausgegliedert ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.