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# taz.de -- Personalentscheidungen von Hannover 96: Zum Gespött gemacht
> Auf den geschassten Hannover-96-Sportdirektor Jan Schlaudraff folgt
> Gerhard Zuber. Mit ihm hat der Verein eigentlich Streit.
Bild: Von der Altlast zum Hoffnungsträger: Gerhard Zuber wird neuer Sportdirek…
Hannover taz | Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird immer
größer. „Hannover 96 ist ein toller Verein. Eine gute, nationale Marke“ �…
mit dieser Einschätzung war Martin Kind in das neue Fußballjahr gestartet.
Er verantwortet einen Verein, der in die 2. Bundesliga abgestiegen ist,
defizitär wirtschaftet und sich als bundesweite Ulknudel etabliert. Die
Suche nach den Ursachen dafür führt immer wieder zu Kind selbst. Er gehört
zu den Hauptgeldgebern und trifft nahezu alle wichtigen Entscheidungen.
Das hat zuletzt auch Jan Schlaudraff erleben dürfen, der als Sportdirektor
freigestellt wurde. Aus dem beiderseitigen Wunsch, endlich einmal für
Kontinuität zu sorgen, war lediglich ein halbjähriges Intermezzo geworden.
Die einzige Konstante bei 96 ist seit Jahren das Sprunghafte von Kind.
Die Freistellung von Schlaudraff dient als Musterbeispiel dafür, woran es
in diesem Verein hakt. Der frühere Nationalspieler war erst als Assistent
von Horst Heldt vorgesehen. Nach dessen Scheitern als Sportdirektor wurde
Schlaudraff befördert, durfte aber so gut wie gar kein Geld für neue
Spieler ausgeben, um dann gesagt zu bekommen, dass seine Transferpolitik
nicht den gewünschten Erfolg erzielt habe.
Zu seinem Nachfolger ist mit Gerhard Zuber ausgerechnet der Mann erklärt
worden, mit dem Hannover 96 bis vor Kurzem vor dem Arbeitsgericht
gestritten hat. Eben noch unerwünscht und jetzt zum Hoffnungsträger
erklärt: Mit Nachrichten wie diesen sichert sich Hannovers wichtigster
Sportverein Hohn und Spott in Serie. Bei Kind ist im Alter von 75 Jahren
nicht zu erkennen, dass ihn dieser Umstand stören würde. Kein Blabla,
sondern Entscheidungen: Dieser selbst gesteckten Zielsetzung folgt der
96-Boss mit erschreckender Konsequenz.
Die Personalie Zuber sollte verfilmt werden. Nach der Entlassung von Heldt
im April 2019 gab es für dessen wichtigsten Zuarbeiter keine sinnvolle
Verwendung mehr. Über die Höhe einer Abfindung konnte lange Zeit keine
Einigung erzielt werden. Also wurde dem Österreicher die Chance eingeräumt,
sich in Langweile zu üben. Büro fernab des Geschehens, kein Zugang zum
vereinseigenen Computersystem, abgeschnitten vom eigentlichen
Zuständigkeitsbereich: Was im richtigen Leben alle Kriterien für gezieltes
Mobbing erfüllt, entpuppt sich bei Hannover 96 am Ende als
Karriereförderung.
„Unabhängig von arbeitsgerichtlich zu klärenden Rechtsfragen genießt
Gerhard Zuber das volle Vertrauen der Geschäftsführung“: Diese Erklärung
des Vereins hat Kind kommunizieren lassen. Er tritt damit erneut den Beweis
an, wie dicht professioneller Sport an Satire sein kann.
Zwei frische Personalien lenken vom Durcheinander bei 96 ab. Mit dem
Stürmer John Guidetti (von Deportivo Alaves) und Mittelfeldspieler Dominik
Kaiser (von Bröndby IF) sind kurzerhand neue Spieler verpflichtet worden.
Darüber freut sich Cheftrainer Kenan Kocac, der glaubt, sich mit seinen
Wünschen durchgesetzt zu haben. Das stärkt Zuber den Rücken, der glaubt,
nun wieder die Zukunft von Hannover 96 mitgestalten zu dürfen.
Tatsächlich muss beiden klar sein: Die wesentlichen Entscheidungen trifft
weiterhin einzig und allein Kind. „Zu einer Entwicklung gehören
Rückschläge“, findet der 96-Macher. Man möchte zu gerne Mäuschen spielen,
wenn Kind den Gesellschaftern und Sponsoren des Wirtschaftsunternehmens
Hannover 96 erklärt, warum im Fall von Schlaudraff nun schon wieder eine
Abfindung besprochen werden muss.
Auffällig ist: Es gab zuletzt ein paar verdiente Mitarbeiter, die
freiwillig gegangen sind. Thorsten Meier etwa, immerhin 15 Jahre lang
Bereichsleiter Veranstaltungen und Vertrieb, hatte genug von 96. Idol Jörg
Sievers, 30 Jahre als Spieler und Torwarttrainer am Ball, kündigt
ebenfalls. Beide sind nicht mehr von den Launen eines Einzelnen abhängig.
Sie wagen den Versuch, sich abseits von Hannover 96 in der herkömmlichen
Arbeitswelt zu resozialisieren. Aus sicherer Entfernung beobachten zu
können, wie unter dem Regiment von Kind mit Menschen umgegangen wird, muss
eine wahre Wohltat sein.
20 Jan 2020
## AUTOREN
Christian Otto
## TAGS
Hannover 96
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Martin Kind
Profi-Fußball
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Fußball
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