# taz.de -- Untersuchungsausschuss zu Wirecard: Der Ex-Chef mauert | |
> Lange hatte sich Markus Braun, Ex-Chef des Pleitekonzerns Wirecard, | |
> gesträubt, vor dem Ausschuss des Bundestags zu erscheinen. Nun kam er | |
> doch – und sagte wenig. | |
Bild: Mit Maske und Rollkragen, aber ohne Handschellen: Markus Braun im Bundest… | |
BERLIN taz/rts | Bei der politischen [1][Aufarbeitung des | |
Wirecard-Bilanzskandals] hat der ehemalige Chef, Markus Braun, jede Hilfe | |
abgelehnt. Der 51-jährige Österreicher, der seit Wochen in einem Augsburger | |
Gefängnis in Untersuchungshaft sitzt, verlas am Donnerstag vor dem | |
parlamentarischen [2][Untersuchungsausschuss] eine fünfminütige Erklärung, | |
verweigerte darüber hinaus aber jede weitere Aussage. | |
„Die staatsanwaltschaftliche Ermittlung steht auf gleicher Stufe wie dieser | |
Ausschuss“, ermahnte ihn Ausschussmitglied Florian Toncar von der FDP. Es | |
half wenig: Braun mauerte. Dabei hatte er sich lange geweigert, nach Berlin | |
in den Bundestagsausschuss zu kommen. Er wolle nicht mit dem Coronavirus | |
infiziert werden. Eine von seinem Anwalt geforderte Videovernehmung hatte | |
aber der Bundesgerichtshof abgelehnt. | |
Braun stellte sich derweil in einer vorbereiteten Erklärung von der | |
Wortwahl her als Opfer dar. „Die Gerichte müssen klären, wer die | |
Verantwortung für den Zusammenbruch der Wirecard AG trägt“, sagte er. Die | |
Ermittler sollten „den Verbleib veruntreuter Unternehmensgelder“ klären, er | |
vertraue auf deren Objektivität. Aus Sicht der Ankläger war Braun jedoch | |
die treibende Kraft hinter dem Milliardenbetrug bei Wirecard. | |
Die Firma aus München-Aschheim galt bis zum Sturz in diesem Sommer als Star | |
der deutschen Börsenwelt. Das Unternehmen hat die Verarbeitung von | |
Kreditkartenzahlungen angeboten. Angeblich soll es damit traumhafte Gewinne | |
erzielt haben. Im Jahr 2018 stieg das einstige Start-up sogar in den | |
Deutschen Aktienindex DAX auf. | |
## 1,9 Milliarden Euro fehlten in der Kasse | |
Im Juni dieses Jahres flog auf, dass 1,9 Milliarden in der Kasse fehlen. | |
Inzwischen kursieren auch noch deutlich höhere Zahlen für den Fehlbetrag. | |
Die Bilanz war offenbar um 3,2 Milliarden Euro aufgebläht. Die Gläubiger | |
des Unternehmens sehen sich gar um 12 Milliarden Euro geprellt. | |
„Ich habe zu keiner Zeit Feststellungen getroffen oder Hinweise darauf | |
erhalten, dass sich Behörden, Aufsichtsstellen oder Politiker nicht | |
korrekt, pflichtwidrig oder in irgendeiner Form unlauter verhalten hätten“, | |
sagte Braun vor den neun Abgeordneten im Ausschuss. | |
„Das gilt auch für den Aufsichtsrat als Kontrollorgan und die | |
Wirtschaftsprüfer, die im Rahmen der Abschlussprüfungen offenbar massiv | |
getäuscht wurden und daher trotz umfangreichster und tiefgreifender | |
Prüfungshandlungen keine Unregelmäßigkeiten feststellen konnten.“ Vor | |
diesem Hintergrund sei es für ihn nicht nachvollziehbar, warum externe | |
Aufsichtsstellen, die viel weiter weg seien, Versäumnisse zu verantworten | |
hätten. | |
Unter anderem der Finanzaufsicht Bafin und Wirtschaftsprüfern von Ernst & | |
Young (EY) wird vorgeworfen, zu spät die Bilanzunregelmäßigkeiten bei | |
Wirecard entdeckt zu haben. | |
## Braun gilt als Schlüsselfigur des Wirtschaftskrimis | |
Braun bügelte sämtliche Fragen der Abgeordneten ab. „Ich werde mich nicht | |
abweichend von meinem Statement äußern“, sagte er immer wieder. Die Fragen | |
der Abgeordneten drehten sich vor allem um Kontakte von Braun und Wirecard | |
zu Politik und Regierung, aber auch zu Behörden, ebenso zum Geschäftsmodell | |
des pleitegegangenen Zahlungsabwicklers. | |
Braun gilt als Schlüsselfigur des Wirtschaftskrimis um Wirecard. Der | |
ehemalige Firmenchef soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ein | |
Finanzkarussell organisiert haben, um gewaltige Scheingewinne zu erzeugen. | |
„Das Unternehmen sollte finanzkräftiger und für Investoren und Kunden | |
attraktiver dargestellt werden“, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft | |
München I. Damit wollten Braun und seine Helfer „regelmäßig Kredite von | |
Banken und sonstigen Investoren erlangen“. | |
Grund zum Misstrauen gab es bei Wirecard von Anfang an reichlich. Schon vor | |
zehn Jahren gab es erste Gerüchte über Unregelmäßigkeiten in der Bilanz, | |
die Braun jedoch immer wieder zerstreuen konnte. Im Frühjahr 2018 | |
berichtete die Financial Times erstmals über Betrugshinweise. Mitarbeiter | |
von Wirecard in Singapur hatten versucht, auf Unregelmäßigkeiten | |
hinzuweisen. | |
Die deutsche Finanzaufsicht Bafin behandelte diese Berichte jedoch mehr wie | |
den Versuch der Verleumdung eines einheimischen Unternehmens. Statt eine | |
Untersuchung zu beginnen, hat sie den Investoren verboten, auf fallende | |
Kurse von Wirecard zu wetten. Die Begründung für ihre weitere Untätigkeit: | |
Wirecard sei eine Technikfirma, keine Finanzfirma. | |
Hier hören die erschütternden Fehlleistungen deutscher Behörden allerdings | |
nicht auf. Denn der Wirecard-Skandal hat auch einen Geheimdienstaspekt. | |
Brauns Vorstandskollege Jan Marsalek war wohl offenbar ein Spion – und dazu | |
noch ein Doppelagent. Die Bundesanwaltschaft geht derzeit dem Verdacht | |
nach, dass er in Österreich als Informant geführt wurde. Marsalek stammt | |
aus Wien. Nun soll er sich in Russland aufhalten. | |
19 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Finn Mayer-Kuckuk | |
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