# taz.de -- Booker-Preis Gewinner 2020: In einem Haus ohne Bücher | |
> Zehn Jahre hat Douglas Stuart an seinem Roman „Shuggie Bain“ gearbeitet | |
> und 32 Absagen erhalten. Nun gewann der Schotte den Booker-Preis. | |
Bild: Der diesjährige Gewinnerautor des Booker Prize Douglas Stuart | |
Volle 32-mal ist sein Buch von Verlagen abgewiesen worden, bevor es | |
schließlich doch noch herausgekommen ist. Zum Glück. Nun ist der Roman | |
„Shuggie Bain“ aus der Hand des in Glasgow geborenen und aufgewachsenen | |
heutigen New Yorkers Douglas Stuart, 44, der Gewinner des mit umgerechnet | |
56.000 Euro dotierten [1][Booker-Preises.] | |
Stuart ist der zweite Schotte überhaupt, der den hoch anerkannten Preis für | |
englischsprachige Literatur gewann. Die in Ghana geborene britische Autorin | |
und Vorsitzende der Jury, Margaret Busby, erklärte, die Juror*innen | |
hätten nur eine Stunde gebraucht, um sich für Stuarts Buch zu entscheiden. | |
Menschenvielfalt war dem Booker-Preis besonders wichtig, bei der Jury, den | |
Nominierungen und dann auch bei der Zeremonie. Zur Preisverleihung spielte | |
ein Quartett des Chineke! | |
Orchestra, dazu gab es Videobotschaften von Herzogin Camilla, dem Autor | |
Kazuo Ishiguro und auch von Barack Obama, der bei dieser Gelegenheit sagte, | |
dass Booker-Preis-Romane ihn während seiner US-Präsidentschaft „vor dem | |
Schlafengehen oft kurze Erholung verschafften“ und es ihm erlaubten, „die | |
Welt aus der Sicht anderer zu sehen“. | |
## Der queere Sohn einer alkoholsüchtigen Mutter | |
Letzteres könnte auch auf Stuarts Roman zutreffen. Er erzählt die | |
Geschichte eines jungen Mannes, Shuggie Baines, der in den 1980er Jahren in | |
Glasgow mit seiner alkoholsüchtigen Mutter, Agnes, aufwächst. Während sie | |
nach dem Zusammenbruch ihrer Ehe immer tiefer abstürzt, pendelt Shuggie | |
zwischen den Versuchen, ihr zu helfen, und den Herausforderungen seines | |
eigenen Lebens hin und her. | |
Die Charaktere in seinem Roman, an dem er zehn Jahre lang geschrieben | |
hatte, seien zwar erfunden, sagte Steward, das Buch reflektiere jedoch | |
durchaus sein eigenes Leben. „Ich bin der queere Sohn einer alleinstehenden | |
Mutter, die ihren eigenen Kampf mit der Sucht verloren hatte. Ich lebte von | |
Sozialhilfe und wuchs in einem Haus ohne Bücher auf“, erklärte Stuart, | |
der 16 Jahre alt war, als seine eigene Mutter starb. Stuart dankte ihr: | |
„Sie ist auf jeder Seite dieses Buches, und ohne sie wäre ich nicht hier.“ | |
Der Roman ist jedoch nicht nur voller bitterer Tragödie, sondern beinhaltet | |
auch viel Liebe und Humor. „Ich liebe zarte Charaktere inmitten | |
unerbittlicher Situationen“, sagte Stuart dazu bei der Preisübergabe über | |
Videolink. | |
## Von der Mode zur Literatur | |
Nach der Beendigung seines Studiums am Royal College of Art war er im Alter | |
von 24 Jahren wegen eines Jobs bei Calvin Klein nach New York gezogen. Er | |
wollte, wie er erzählte, immer Autor werden, zunächst war es für ihn jedoch | |
leichter, es in der Modewelt zu etwas zu bringen. „Autor zu werden hätte | |
sich kein Junge in Glasgow erträumen können“, sagte er noch. Sein Buch sei | |
„ein Weg, unfertige Gedanken, Traumata, Schmerzen in Kunst zu verwandeln“. | |
Das Buch sei nicht immer angenehm, urteilte Jurorin Busby, zugleich jedoch | |
herausfordernd, intim und ergreifend. Die deutschen Rechte sind längst | |
vergeben. Im August nächsten Jahres wird der Roman beim Verlag Hanser | |
Berlin herauskommen, in der Übersetzung von Sophie Zeitz. | |
22 Nov 2020 | |
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[1] /Anna-Burns-gewinnt-Man-Booker-Prize/!5543878 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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