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# taz.de -- Der unaufgeklärte Tod von Rita Ojungé: Zu wenig, zu spät
> Geflüchtete Frauen protestieren für Aufklärung im Fall Ojungé. Der Verein
> Opferperspektive kritisiert die Staatsanwaltschaft Cottbus.
Bild: „Black Lives Matter“-Demo im Juli 2019 nach dem Auffinden der Leiche …
Berlin taz | Staatsanwaltschaft und Ermittler:innen tappen im Fall der im
April 2019 mutmaßlich getöteten [1][Rita Awour Ojungé] weiter im Dunkeln.
„Aus Sicht der Ermittler ist es auf der Grundlage der bekannt gewordenen
Beweismittel unklar, was geschehen ist“, sagte der zuständige Staatsanwalt
Gernot Bantleon aus Cottbus über den Todesfall der damals 32-Jährigen
Kenianerin. An ihrem Leichnam seien zwar Fremdhaare gefunden worden, die
rechtsmedizinisch untersucht worden sind. Allerdings hätte ein genetischer
Abgleich mit Verdächtigen keine Übereinstimmung ergeben. Weiter gebe es
mehrere Personen, die mit dem Todesfall in Verbindung stehen könnten, aber
keinen konkreten Tatverdacht gegen jemand bestimmten, so Bantleon. Die
Ermittlungen dauerten an, so der Staatsanwalt.
Ojungé wohnte in einem [2][isolierten Flüchtlingsheim bei Hohenleipisch] in
Südbrandenburg und war offiziell zwei Monate lang nur vermisst gemeldet,
bevor Überreste ihres Skeletts etwa 300 Meter von der Unterkunft entfernt
im Wald gefunden wurden. Zuvor war die Polizei lange nicht von einem
Verbrechen ausgegangen – trotz von anderen Bewohner:innen und dem
Lebenspartner geäußerten Hinweisen.
So habe sie ungewohnterweise weder ihre beiden Kleinkinder noch ihre
Kleidung sowie persönliche Gegenstände wie ihre Bankkarte mitgenommen.
Wegfahren konnte sie an dem Sonntag ihres Verschwindens auch nicht, weil
nicht einmal ein Bus fuhr.
Erst nachdem ihr hinterbliebener Lebenspartner und Vater der Kinder sowie
der brandenburgische Verein Opferperspektive Druck machten, ermittelte die
Polizei zum Fall – und fand schließlich nach einer Suche mit einer
Hundertschaft skelettierte Überreste von Ojungé im Wald um das
Flüchtlingsheim herum.
## Women in Exile protestierte gegen Isolation im Nirgendwo
Am Mittwoch, dem [3][Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen],
protestierte das brandenburgische Protestbündnis Women in Exile in
Eisenhüttenstadt für die Aufklärung des Falles Ojungé, gegen
Kollektivunterbringung in isolierten Lagern wie in Hohenleipisch und gegen
Mehrfachdiskriminierung in Flüchtlingslagern, unter der insbesondere Frauen
und Kinder litten. Die Lager seien nicht nur Corona-Hotspots, sondern auch
Orte von Übergriffen auf Frauen, sagte Sprecherin [4][Elizabeth Ngari] der
taz zuvor im Interview.
Maßgeblich vorangetrieben hat die Ermittlungen auch die Kritik von Martin
Vesely aus dem Verein Opferperspektive. Er sagt zu den auf der Stelle
tretenden Ermittlungen: „Es ist das eingetreten, was wir von vornherein
befürchtet haben. Die Ermittlungen sind schlampig geführt worden und waren
von rassistischen Vorannahmen geprägt.“
Das Problem sei die Staatsanwaltschaft Cottbus: „Die Ermittlungen wurden zu
spät und dann zu langsam aufgenommen – dadurch ist viel verloren gegangen,
was nicht mehr einholbar war“, sagt Vesely. Wenn eine Person mit einem
anderen gesellschaftlichen Stand betroffen wäre, hätten die Behörden anders
ermittelt, sagt Vesely: „Wir reden hier immerhin von einem mutmaßlichen
Tötungsdelikt, das wahrscheinlich nicht mehr aufgearbeitet wird.“
Mittlerweile habe das Problem mangelnder Strafverfolgung bei Menschen mit
(in Teilen zugeschriebener) Migrationsgeschichte oder auch Opfer rechter
Gewalt im Raum Cottbus strukturelle Formen angenommen, sagt Vesely: „Rechte
Angriffe werden kaum bearbeitet – nach drei oder vier Jahren wird dann,
wenn überhaupt, mal ein Verfahren eröffnet.“
Bei Verurteilungen gebe es Strafnachlässe für Beschuldigte wegen langer
Verfahrensdauer, häufig komme es zu Einstellungen aufgrund langer
Verfahrenslaufzeiten. Das Schlimmste daran: „Der Glaube an die Herstellung
von Gerechtigkeit durch die Justiz ist bei Betroffenen nicht mehr
vorhanden. Rechte Täter werden gestärkt“, sagt Vesely.
25 Nov 2020
## LINKS
[1] /Aufklaerung-eines-Mordes/!5610674
[2] /Unterbringung-von-Gefluechteten/!5640597
[3] https://twitter.com/inforiot/status/1331590104155086848
[4] /Mehrfachdiskriminierung-von-Fluechtlingen/!5727323
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Black Lives Matter
Schwerpunkt Rassismus
Brandenburg
Gewalt gegen Frauen
Schwerpunkt Rassismus
Geflüchtete Frauen
Lesestück Recherche und Reportage
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